BONN. (hpd) Nur wenige Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (29.5.2016) von folgender Äußerung des stellvertretenden AfD-Parteivorsitzenden Alexander Gauland über den deutschen Nationalspieler Jerome Boateng: "Die Leute finden ihn als Fußballer gut, aber wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben."
Nachdem daraufhin Empörung von den unterschiedlichsten Seiten geäußert wurde, reagierte Gauland mit einer Presseerklärung: Demnach habe er über die Einstellung mancher Menschen gesprochen, aber an keiner Stelle Boateng erwähnt. Später meinte Gauland in einer weiteren Presseerklärung, der Name sei von den Journalisten ins Gespräch gebracht worden, er habe aber nur über Ängste von Menschen gegenüber Fremden in der Nachbarschaft gesprochen. Und in einer erneuten Presserklärung bekundete Gauland dann, er bestreite nicht mehr, den erwähnten Satz gesagt zu haben (FAZ, 1.6.2016). Demnach scheint Gauland, Probleme mit seinem Erinnerungsvermögen oder der Wahrheit gehabt zu haben.
Beachtlich ist aber nicht nur das schrittweise Eingeständnis, sondern auch der Inhalt des Satzes. Zunächst hat Gauland mit der Formulierung nicht eine eigene Auffassung vorgetragen, sondern sie den "Leuten" zugeschrieben. Belege oder Gründe dafür nannte er nicht. Nun stellt sich die Frage, was Gauland selbst oder bzw. und "die Leute" an Boateng stören könnten. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, spricht die deutsche Sprache und geht einer geregelten Berufstätigkeit nach. Darüber hinaus versteht sich Boateng als bekennender Christ, hat er sich doch sogar einschlägige Bekenntnisse bzw. Symbole auf beiden Armen eintätowieren lassen. Demnach fallen die immer wieder gelegentlich von den "Leuten" vorgebrachten Gründe für Ängste oder Vorbehalte weg. Es gibt aber doch eine Besonderheit von Boateng: Als Sohn eines ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter hat er eine dunkle bzw. schwarze Hautfarbe. Da dies damit der Grund für die Vorbehalte wäre, handelt es sich hier um eine letztlich rassistische Position.
In einem Interview mit dem Spiegel (Nr. 23/2016) erklärte Gauland zwar, er sei "natürlich kein Rassist". Dies mag auch sein subjektives Selbstverständnis sein, nur die innere Logik seiner Wortwahl läuft darauf hinaus. Der AfD-Politiker ging danach noch auf einen anderen Fußball-Nationalspieler ein: Mesut Özil hatte sich vor der Kaaba von Mekka bei eine Pilgerfahrt ablichten lassen und auf seiner Facebook-Seite ein Foto von sich in weißem Gewand eingestellt. Daraufhin erklärte die AfD-Sachen, es handele sich um ein "antipatriotisches Signal". Der in Deutschland geborene Özil ist Muslim. Eine Mekka-Fahrt gehört zu den fünf Säulen des Islam und ist demnach für viele Muslime eine religiöse Pflicht. Gauland äußerte dazu: "Dass Herr Özil an die Kaaba von Mekka gewandert ist, ist sehr gewöhnungsbedürftig …" Man müsse fragen, wo die Loyalität solcher Menschen liege: "… will er, wenn er um die Kaaba wandert, zeigen, dass er diesem politischen Islam nahe steht?" Özil hatte sich aber nur im Rahmen seiner Religionsfreiheit an eine Ritual beteiligt.
Die beiden Aussagen Gaulands zu deutschen Nationalspielern lassen bedenkliche Positionen erkennen. Gerade die letztgenannte Deutung des AfD-Politikers bringt Özil – denn nichts anderes meint die Formulierung "politischer Islam" – zumindest in Islamismus- wenn nicht gar in Terrorismusverdacht. Die Absurdität derartiger Zuordnungen muss wohl nicht näher erläutert werden. Belege dafür nannte Gauland nicht, sein Denken war und ist erkennbar von Ressentiments bestimmt. Außerdem hat der AfD-Politiker offenkundig ein Problem mit der Religionsfreiheit, die als Grundrecht allen Menschen unabhängig von ihrem jeweiligen Glauben zusteht. Ein Bekenntnis zu Deutschland kann durchaus mit einem Bekenntnis zum Islam einhergehen. Die jeweiligen Identitäten liegen auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn Gauland hier einen Gegensatz oder Widerspruch nahe legt, dann spricht er pauschal allen Muslimen eine gegenüber Deutschland bestehende Loyalität ab. Nimmt man die Aussage inhaltlich ernst, dann läuft sie auf deren Ausgrenzung aus der Gesellschaft hinaus.
Bezogen auf die Boateng-Kommentare wurde bereits auf die latente rassistische Dimension der Formulierungen verwiesen. Die heiklen Aspekte solcher Meinungsäußerungen waren auch der AfD-Parteiführung schnell klar, sahen sich doch die Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry zu einer anerkennenden Kommentierung des Fußballers veranlasst. Dabei hegten sie offenbar keinen Zweifel daran, dass Gauland in der erwähnten Form richtig zitiert wurde. Eine derartige Klarstellung schien auch geboten, denn selbst fremdenfeindlich eingestellte Fußball-Fans machen bei guten Nationalspielern mit Migrationshintergrund eine Ressentimentausnahme. Insofern können auch für die AfD verbale Angriffe auf sie kontraproduktiv wirken. Bleibt als Einwand, dass Boateng und Özil nicht die Nationalhymne mitsingen. Dies mag man bedauern! Aber immerhin kauen sie dabei nicht schmatzend Kaugummi wie dies noch Oliver Kahn tat. Der frühere Nationaltorhüter zog deswegen keine Kritik auf sich, er hat aber auch keinen Migrationshintergrund.
9 Kommentare
Kommentare
Ulf am Permanenter Link
Danke für ihren Kommentar, den ich um einen wichtigen Punkt ergänzen möchte:
Wie kam man auf Boateng, dessen Hintergrund Herr Gauland offensichtlich überhaupt nicht kannte, was wurde vorher und nachher gesagt, in welchem Kontext stand das Gesagte? Da bleibt durchaus ein schaler Beigeschmack über die unredliche Art und Weise einer Kampagnengestaltung. Noch viele Stunden später wurden von anderen Medien zur Untermauerung der Anklage auf die angeblichen Tonbänder hingewiesen...
Abschließend noch eine Anmerkung, sehr geehrter Herr Traughber: Aus meiner Sicht beschreibt der Begriff " Politischer Islam " eben nicht eine zwingende Nähe zu Islamismus (Definition?) oder gar Terrorismus, sondern definiert vielmehr eben das inhärente Kernproblem der islamischen Religion ( und früher auch des institutionalisierten Christentums) nämlich dass es neben der, von der Religionsfreiheit des GG gedeckten, spirituellen Auslebung des privaten Glaubens, auch einen angestrebten Einfluss auf die Lebensweise der gesamte Gesellschaft gibt. Und genau dies passiert bereits auch in Deutschland, man muss sich nur ernsthaft dafür interessieren und es springt einem ins Auge. Einverhandelte Steuergelder, die für die Schaffung von Macht-und Missionierungsstrukturen verwendet werden, wie den Aufbau von Geschäftsstellen von DITIB oder Schura etwa in Niedersachsen, oder die Durchsetzung eigener Kindergärten und Schulen (Gülen Bewegung), die Beeinflussung der Kunst, die in Zensur und vorauseilendem Gehorsam mündet wie in Berlin, Duisburg, Frankfurt/M, im Saarland, Änderung von Auslagen in Geschäften, Speisekarten in Kantinen usw, usf, längst keine Einzelfälle mehr...
So betrachtet sehe auch ich persönlich das gepostete, sichtlich freigeräumte Bild eines Mesut Özil vor der Kaaba in Mekka kritisch, ausdrücklich nicht kritisch sehe ich seine spirituellen Überzeugungen zu der nat. auch der Hadsch gehört. Vielleicht tue ich Herrn Özil damit unrecht, insgesamt betrachtet sollte man m.M. nach aber nicht immer zu naiv sein und bei derlei gesetzten öffentlichen Zeichen, zwingend von blankem Zufall ausgehen...
Grüße
David am Permanenter Link
Man kann die gefallenen Äußerungen sicherlich kritisch sehen. Ich möchte aber einen Gedanken anmerken:
Hat ein Pilger, der freiwillig eine Stadt mit religiösem Kontext betritt, vor der ein Schild in den Boden gerammt ist mit der Aufschrift "Zutritt für Nichtmuslime verboten!", tatsächlich den Pluralismus und die Religionsfreiheit verinnerlicht, die wir im Westen für gewöhnlich als positive Errungenschaft ansehen?
Hat eine weltbekannte Berühmtheit nicht eine besondere Verpflichtung sicherzustellen, dass Fotos von ihr nicht als freiwillige Werbung für einen totalitären Gewaltstaat, dessen Werte in so gut wie jeder Rubrik diametral zu den unsrigen stehen, gewertet werden könnten?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es ist schier unfassbar, was die Gauland-Höckes ohne direkte Konsequenzen inzwischen wieder absondern (dürfen). Es bleibt die begründete Hoffnung, es wird der afd nichts nützen.
GalaktischerBeo... am Permanenter Link
Wieso? Wenn Sie es als Metapher verstehen, dass ist doch durchaus was Wahres dran, dass viele Deutsche Migrantenviertel oder -schulen zum Leben meiden.
Schlaubär am Permanenter Link
Ich denke schon, dass Gauland insoweit von der FAS heriengelegt wurde, weil ihm in dem Gespräch über Islam und Deutschland der Name Boateng von den FAS Redakteuren genannt wurde.
Worauf Gauland aber hinweisen wollte ist, dass beispielsweise die Realität, dass Eltern ihre Kinder kilometerweit in entfernte Schulen und Kindergärten fahren um diese nicht in welche mit hohem Ausländeranteil zu bringen, oder dass Famlilien aus Gettobezirken mit hohem Ausländeranteil wegziehen.
Wenn Pfahl-Traughber hier Gauland als Rassist darstellt, kann er das genauso bei diesen Bürgern und Eltern machen.
Gelmir am Permanenter Link
Ach, wenn der Rassist Gauland also gewusst hätte, das Boateng Christ ist (was immer daran nun positiv sein soll), hätte er dann etwas in der Richtung "ja das ist okay, neben dem würde jeder gute reinrassige teuts
Schlaubär am Permanenter Link
Wenn Sie gleich mit der Rassimus Keule um sich hauen, werden Sie keinen sinnvollen Dialog zustande bringen. (Seit wann sind Christen eigentlich "reinrassig", Gauland würde so etwas nicht sagen?)
Ich teile allerdings das was Gauland gemeint hat, nämlich dass es schwierig ist mit Nachbarn, die einen völlig anderen und religiös fundamentalistischen Hintergrund haben.
Gelmir am Permanenter Link
Der schlauste "Schlaubär" bist du anscheinend nicht, aber das wundert mich auch gar nicht.
Didier Stoufflet am Permanenter Link
Na Gelmir, wenn ich mir deinen Kommentar so durchlese hast du dich gerade selber disqualifiziert.
Auf welcher Geburtstagstorte meinst du denn zu leuchten?