Anmerkungen zum ersten Programm und zu neuen Skandalen

Die AfD – keine Alternative für Deutschland

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Bundesparteitag der Alternative für Deutschland am 4./5. Juli 2015 in Essen
Bundesparteitag der Alternative für Deutschland am 4./5. Juli 2015 in Essen

BONN. (hpd) Bei den letzten Landtagswahlen gelangen der "Alternative für Deutschland" (AfD) große und kontinuierliche Erfolge, konnte sie doch in die jeweiligen Parlamente mit weit über fünf Prozent der Stimmen sowohl in Ost- wie Westdeutschland einziehen. Dabei machten Befragungen deutlich, dass gut zwei Drittel der AfD-Wähler ihre Stimme nicht aufgrund einer Wertschätzung der Partei vergaben. Denn eine Lösung von politischen Problemen traute man ihr nicht zu. Häufiger galt als Motiv der Protest gegen die Regierungspolitik. Dafür sprechen auch andre Indizien: Nach der Abspaltung des Lucke-Flügels 2015 verlor die AfD in den Umfragen an Zustimmung. Da kam ihr die Flüchtlingsentwicklung als "Geschenk" (Alexander Gauland) gerade recht, konnte man doch mit den damit einhergehenden Ängsten, aber auch Ressentiments von Bürgern punkten. Doch stellt sich hier die Frage, ob die AfD eine Alternative für Deutschland sein kann. Wie demokratisch und seriös sind deren Repräsentanten, die mehr Demokratie einfordern und Seriosität versprechen?

Die Fortsetzung eines ersten Beitrags zu dieser Frage geht dazu auf ausgewählte Positionen des ersten Parteiprogramms ein, welches die AfD auf ihrem Bundesparteitag am 30. April und 1. Mai 2016 beschlossen hat. Es findet sich im Internet und die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf diesen Text.

Darüber hinaus stehen hier diverse Skandale im Zentrum. Durch die Berichte in den Medien wurden dubiose Positionen und erstaunliche Verhaltensweisen bekannt. Dabei handelte es sich aber nicht um Einzelfälle, die von den Medien aufgebauscht wurden.

Die kritische Aufmerksamkeit für die gemeinten Ereignisse macht deutlich: Es wurde häufig zunächst ein Dementi formuliert, dann musste doch die Richtigkeit eingeräumt werden. Dabei ging es nicht um AfD-Parteimitglieder ohne politische Relevanz, es standen Führungskräfte und Mandatsträger im Zentrum. Auch die Fülle der Skandale, es handelt sich fortan nur um eine Auswahl, macht deutlich: Die Aufmerksamkeit gilt nicht den personellen Rändern der Partei, sondern deren politisches Zentrum.

Am Beginn steht ein Blick in das erste Programm: Es enthält fast 100 Textseiten und widmet sich den unterschiedlichsten Politikfeldern. In den einzelnen Kapiteln findet man auch beachtenswerte Beschreibungen gesellschaftlicher Probleme, aber häufiger Positionen mit skurriler Zielsetzung. Dabei fällt in der Gesamtschau auf, dass die eher ernstzunehmenden Auffassungen für die Außendarstellung der AfD kaum Bedeutung haben, während die problematischen Positionen dabei einen höheren Stellenwert einnehmen.

Bei den gemeinten Inhalten fällt auf: Als durchdacht, klar und widerspruchsfrei können sie nicht gelten. Es gibt auch Aussagen, die mit den Grundrechten nicht vereinbar sind und bis in die Verfassungswidrigkeit hinein gehen. Dies soll fortan an einzelnen Beispielen verdeutlich werden. Vorab sei noch der Hinweis gestattet, dass die AfD, den Klimawandel in ihrem Programm für natürlich und ungefährlich hält. Damit stellt sich die Partei gegen einen breiten internationalen Forschungskonsens und offenbart eine merkwürdige Realitätswahrnehmung.

Aber entscheidender für die Betrachtung sollen hier andere Positionen sein: Gleich in der Präambel findet sich die Aussage "Mut zu Deutschland, freie Bürger, keine Untertanen" (S. 6). Hier fragt man sich, wer Bürger in Deutschland zu "Untertanen" gemacht hat bzw. machen will. Die Bezeichnung passt nicht zur Realität eines demokratischen Verfassungsstaates. Dass die AfD eine andere Deutung vertritt, veranschaulicht dann ein weiteres Zitat: "Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien." Und weiter heißt es: "Es handelt sich um ein politisches Kartell, das die Schalthebel der staatlichen Macht ..., die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat" (S. 8). Hier äußert sich die AfD zumindest latent verschwörungsideologisch. Dabei findet keine Berücksichtigung, dass die gemeinten Politiker vom Volk gewählt wurden. Aber es gilt wohl als durch "politische Bildung" manipuliert, die AfD hat dagegen im Selbstverständnis wohl allein "Mut zur Wahrheit".

Im Kapitel "Kultur, Sprache und Identität" heißt es in einem Unterkapitel "Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus". Danach stehe die Partei "zur deutschen Leitkultur, die sich im wesentlichen aus drei Quellen speist: erstens der religiösen Überlieferung des Christentums, zweitens der wissenschaftlich-humanistischen Tradition, deren antike Wurzeln in Renaissance und Aufklärung erneuert wurden, und drittens dem römischen Recht, auf dem unser Rechtsstaat fußt" (S. 47). Dabei bleibt aber unklar, was überhaupt mit "Leitkultur" gemeint ist. Soll es sich um eine ideelle Orientierung oder eine rechtsverbindliche Vorgabe handeln?

Auch inhaltlich passt die allgemeine Formulierung nicht zu den genannten Merkmalen. Denn alle drei "Quellen" sind nicht typisch deutsch: das Christentum ist eine universell existente Religion, der Humanismus fand von Europa aus weltweite Verbreitung, und das Römische Recht prägt jedes Rechtsstaatsdenken. Das "deutsche" der "Leitkultur" wird nicht genannt. Es handelt sich nicht um nationale, sondern um universelle "Quellen".

Danach geht es um die Einstellung zum Islam, die der Partei als wichtigster Punkt galt. Zunächst bekennt man sich "uneingeschränkt zur Glaubens- Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Sie fordert jedoch, der Religionsausübung durch die staatlichen Gesetze die Menschenrechte und unsere Werte Schranken zu setzen" (S. 48). Das ist aber schon längst der Fall, es dürfen keine Grundrechte durch Religionsfreiheit aufgehoben werden. Dann heißt es weiter: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" (S. 49). Was genau dies bedeuten soll, bleibt unklar. Ist die Aussage beschreibend oder bewertend gemeint? Angesichts von Moscheen und Muslimen in Deutschland würde die erstgenannte Deutung eine Realitätsverleugnung darstellen. Bezogen auf eine normative Interpretation müsste genauer begründet werden, in welchen Auffassungen genau der Islam nicht zu unserem Land gehört. Ganz allgemein wird von einer großen "Gefahr" gesprochen. Die dann genannten Phänomene wie "Parallelgesellschaften" und "Salafismus und Terror" bejaht aber keine andere Partei.

Beachtenswert ist bei den Darstellungen zu den Fragen von Integration, Islam und Muslimen, dass in der Gesamtschau grundlegende Widersprüche bestehen. Einerseits bekennt sich die AfD zur Religionsfreiheit, andererseits gehöre der Islam nicht zu Deutschland. Wie können dann aber Muslime ihre Religionsfreiheit praktizieren, wenn der Islam gar nicht zu Deutschland gehören sollte? Denn wie die Partei selbst im Programm schreibt: "Viele Muslime leben rechtstreu sowie integriert und sind akzeptierte und geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft" (S. 49). Es bleibt auch unklar, was genau die Folge in der Gesellschaft durch die letztgenannte Position wäre. Im Text steht: "Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf …" (S. 50). Doch damit erfolgt ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht auf Religionsfreiheit, das seine Grenzen nur in allgemeinen Gesetzen findet: Das Baurecht gilt dabei für Kirchtürme wie Minarette, das Emissionsschutzgesetz für Kirchtürme wie Muezzinrufe.

Eine ausführliche Erörterung vieler anderer Positionen des Programms würde den Rahmen sprengen. Es gibt auch beachtenswerte und reflexionswürdige Aussagen, dazu gehören etwa "Die AfD bekennt sich dazu, ökonomische Fluchtursachen zu vermeiden, auch wenn dies für die westliche Wirtschaft zunächst Nachteile mit sich bringen könnte" (S. 61) oder "Assimilation als weitestgehende Form der Integration ist zwar anzustreben, aber nicht erzwingbar" (S. 63). Aber auch hier steht es um Bedeutungsbegründung und Folgenreflexion schlecht. Ohnehin konzentriert sich die AfD auf die Politikfelder "Flüchtlinge", "Islam" und "Integration", um damit in der Öffentlichkeit im Sinne von Stimmengewinnen zu punkten. Dabei spielen andere Themen keine große Rolle. Dies belegt auch die sonstige Außendarstellung der Partei, die häufig von Skandalen der unterschiedlichsten Zuordbarkeit geprägt ist. Dazu hier jeweils mit Kommentaren aus demokratietheoretischer wie moralischer Perspektive noch ein Rück- und Überblick von einschlägigen Vorkommnissen: