Rezension

Ist die Kirche eine keusche Hure?

Während der Jesuit Jorge Mario Bergoglio als Franziskus auf dem Papstthron, durch Populismus vielen unangenehm auffällt, besticht der Autor durch wissenschaftliche Korrektheit, gestützt auf Erfahrungswissen. Sehr pikant ist dann das Kapitel "Der Herr der Sprüche" - Irritierendes, Ketzerisches, Sensationelles in einigen Aussagen des Papstes. Sicher kann man nicht erwarten, dass Franziskus kognitiv auf der gleichen Stufe steht wie ein so fundierter Religionswissenschaftler, als der sich Hubertus Mynarek immer wieder beweist. Aber der oberste römisch-katholische Würdenträger scheint auch ein gestörtes Verhältnis zu der genuinen Bedeutung von Religion zu haben, wenn er sich in seiner überheblichen Dekadenz zu dem Satz hinreißen lässt: "Der wie ein Spray in der Luft liegende Pantheismus ist nichts, nichts was Bestand hat". Damit darf man einem Experten wie Mynarek - selbst mit dem Pantheismus sympathisierend - nicht kommen, er kontert dann auch entsprechend. Auf die clownesken Sprüche die im Endergebnis an Häresie grenzen, wie "Kirche als keusche Hure" und "Gott ist nicht katholisch", war er zuvor bereits religionswissenschaftlich eingegangen.

Sicher kann man von einem Funktionär einer Konfession, auch wenn es die größte christliche ist, nicht erwarten, dass dieser den Sinn des Phänomens Religion in seiner ganzen Breite erfasst, aber mit der Theologie der römisch-katholischen Kirche sollte er schon vertraut sein. Aber gerade hier weist Mynarek nach, dass Franziskus über keine besonders hohe theoretische Intelligenz verfügt und schreibt wörtlich: "Was aus des Papstes erster, ursprünglicher, noch vor der Dressur durch die jesuitische Erziehung vorhanden und sich im Unterbewusstsein partiell behaupteten Natur von Zeit zur Zeit hervorbricht, zeigt uns einen ganz anderen Menschen, einen Ketzer sogar, der sich Luft macht und Dinge ausstoßen kann, die nun gar nicht von kirchlich-frommen Ohren angehört werden sollten, wie die, dass 'Gott nicht katholisch', 'die Kirche eine keusche Hure' ist, und dass man echtes Glück, gelungenes Leben ohne Glaube an Gott, Christentum und Kirche erreichen kann."

Für Mynarek ist dann auch kaum zu glauben, und darauf wird deszitiert eingegangen, dass dieser selbige Mann trotz seiner oben zitierten Aussage in seinem Urteil über den Pantheismus ganz engstirnig-fundamentalistisch ist und er fragt sich, ob der oberste aktuelle Lehrer der Christenheit von den großen Pantheisten wie Heraklit, Plotin, Johannes Scotus Eriugena, Giordano Bruno, Baruch de Spinoza, Fichte, Schelling, Hegel bis hin zu Albert Einstein noch nie etwas gehört habe. Auf die erkenntnistheoretischen Defizite des Papstes wird hingewiesen, wenn dieser dem Pantheismus “immanente Transzendenz” als Mangel unterstellt. Hier macht Mynarek unmissverständlich klar, dass es keine Transzendenz ohne Immanenz gibt. Schon auf Seite 179 hat er darauf hingewiesen, dass eine philosophische Transzendenz nicht mit der verengten theologischen verwechselt werden darf, und hier in Bezug auf den Pantheismus meint er wörtlich: "Eine Transzendenz ohne Immanenz, lieber Papst, kann nur rhetorisch, homiletisch, dogmatisch oder abergläubisch-spinös behauptet werden, in der Realität kommt sie nicht vor."

Wenn Mynarek dann aber schreibt "Sicherlich ist Franziskus ein guter Mensch" (S.107), fragt man sich, ob das nicht ironisch gemeint ist, angesichts der Tatsache, dass der Papst zwar nach Lampedusa fährt um den Flüchtlinge in seiner zur Schau getragenen Liebenswürdigkeit Trost zu zusprechen, aber keine materielle Hilfe leistet und dazu auch nicht dafür sorgt, dass die Klöster Flüchtlinge aufnehmen, egal welchen Glaubens sie sind. Als Detail am Rande wird auch angeführt, dass die Rolle des Bergoglio in der Zeit der Herrschaft der argentinischen Militärjunta immer noch ungeklärt ist!

Ein in jedem Falle lesenswertes Buch über die am Hofe des Papstes scheinbar gepflegte Heuchelei.


Hubertus Mynarek, Papst Franziskus. Die kritische Biografie (Tectum-Verlag Marburg 2015), 334 S., 19, 95 Euro, ISBN 978–3–8288–3683–2