BERLIN. (hpd) Glich der letzte gemeinsame Vorfahre von großen Menschenaffen und den Gibbons – abgesehen davon, dass er schwanzlos war und rudimentär aufrecht gehen, aber auch hangeln konnte – eher den heutigen Affen der Neuen Welt? So deutet David Alba seinen kleinen Schädelfund und die Skelettreste einer vier bis fünf Kilo schweren Äffin, die beim Ausbau der Mülldeponie im katalanischen Els Hostalets de Pierola zutage kamen.
Auf ein Alter von 11,6 Millionen Jahren werden die 70 fossilen Knochenreste eines Individuums geschätzt, auf die man schon 2011 stieß und deren Bergung und Auswertung einige Jahre in Anspruch nahmen. Als "Laia", wie die Vorfahrin getauft wurde, lebte, stellte Katalonien eher einen Ausläufer Mitteleuropas dar und hatte eine tropische Vegetation, während das restliche Spanien schon damals wesentlich trockener war. Rund um den Fundort aber lebten damals Nashörner, Elefanten und Säbelzahntiger.
Laia muss ihre besten Jahre bereits hinter sich gelassen haben, war sieben oder acht Jahre alt, als sie starb, und war vielleicht Opfer eines Fleischfressers geworden. Das könnte erklären, warum nur die eine Seite ihres Skeletts erhalten ist. So erläutert David Alba, ihr Finder, die Details seiner Entdeckung gegenüber "El Pais".
Pilobates catalonia tauften die Wissenschaftler die von ihnen entdeckte Art, die Eigenschaften sowohl der großen Hominiden als auch der Gibbons in sich vereint. Eine Namensfusion: Pliopithecos ("mehr Affe") nennen die Forscher einen Vorfahren der Gibbons, schon 1837 in Frankreich identifiziert, und Hylobates die Familie der Gibbons.
Laia, "die Sprechende", so nach der lokalen katalanischen Heiligen Eulalia, der "Wohlsprechenden" benannt, weil ihr Skelett so aufschlussreich ist, soll sich langsam und vorsichtig horizontal durch die Wipfel der Bäume bewegt haben. Sie konnte sich dabei wohl schon wie die Gibbons – wenn auch viel langsamer – schwingend fortbewegen. Das Handgelenk und das Gelenk zwischen Ober- und Unterarm weisen Ähnlichkeiten mit denen der heutigen Menschenaffen auf. Die Hüftwirbel deuten außerdem darauf hin, dass sie sich schon rudimentär aufrecht fortbewegen konnte. Das vier bis fünf Kilo schwere Wesen soll sich hauptsächlich von Früchten ernährt haben. Und noch nicht allzu schlau gewesen sein. Das Gehirn war nicht größer als das eines Gibbons.
Bis jetzt glaubten die Forscher, der gemeinsame Vorfahre sei den großen Menschenaffen ähnlicher und die Verzwergung des Gibbons sei später eingetreten. "Doch wir sind auf einen 11,6 Millionen Jahre alten Vorfahren gestoßen, von kleiner Gestalt und mit vielen Charakteristika der kleinen Menschenaffen, was unsere Vorstellung von einem gemeinsamen Vorfahren verändert hat", erklärte Alba vom Instituto Catalán de Paleontología Miquel Crusafont (ICP) der spanischen Tageszeitung "El Mundo" und fährt fort: "Wir haben es mit dem ältesten Hominiden mit menschenartigen Eigenschaften zu tun." Die Forscher gaben jetzt ihre Erkenntnisse in einer Pressemitteilung und auf einer Pressekonferenz bekannt .
Doch handelt es sich hier nun wirklich um einen gemeinsamen Vorläufer oder um ein Bindeglied zwischen den beiden Affengruppen? Der Leiter des Instituts, Salvador Moyá Solá, der selbst in Katalonien wenige Jahre zuvor schon einen fossilen Affen ausgegraben hat, plädiert eher dafür, von einem Vorfahren nur des Gibbons zu sprechen. Denn auf dem Gelände der Mülldeponie hatte man schon 2002 einen aufsehenerregenden Fossilfund gemacht, der 2011 sogar noch ein wenig älter datiert wurde. "Pau" nannte man das Individuum und Pierolapithecus catalaunicus die neu entdeckte Art, für die er stand.
Er gleicht mit seinem flachen Gesicht und flachem Brustkorb sowie in der Gestalt der Handgelenke schon den Menschenaffen. Die Knochen von Händen und Füßen lassen freilich darauf schließen, dass er sich nicht wie die Menschenaffen hangelnd, sondern sich oben auf den Ästen festgekrallt wie die Makaken fortbewegte. Dieser Fund wird auf 12,5 bis 11,5 Millionen Jahre geschätzt. Auf jeden Fall erweisen sich Katalonien und die Mülldeponie von Can Mata wieder einmal als aufschlussreichsten Orte der Welt für die Erforschung der Entstehung der höheren Primaten. Bereits fünf fossile neue Primatenarten hat man dort entdeckt.
Siehe dazu auch: https://www.youtube.com/watch?v=MuSPo6j8bPc (in Englisch)
Alle Fotos von der Presseabteilung der Webseite des Instituto Catàlan de Paleontología (ICP)