Menschen kooperieren in großen Gruppen miteinander, um Territorien zu verteidigen oder Krieg zu führen. Doch was liegt der Evolution dieser Art von Kooperation zugrunde? Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der Harvard University zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialen Bindungen und der Beteiligung an großangelegten Kooperationen geben könnte: Schimpansen schließen sich ihren engen Bindungspartnern an, wenn sie gegen Rivalen kämpfen. Auch beim Menschen könnten soziale Bindungen wesentlich an der Evolution kooperativer Fähigkeiten beteiligt gewesen sein.
Schimpansen, eine der nächsten Verwandten des Menschen, kooperieren auf Gruppenebene – bei kämpferischen Auseinandersetzungen arbeiten sie dabei sogar mit Gruppenmitgliedern zusammen, mit denen sie nicht verwandt sind. Die Beteiligten an Kämpfen mit benachbarten Gruppen setzen sich dabei der Gefahr aus, schwere Verletzungen zu erleiden oder sogar getötet zu werden.
Die Forscher des Taï-Schimpansenprojekts beobachteten drei Schimpansen-Gemeinschaften im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste und dokumentierten unter anderem soziale Beziehungen, Reviergrenzen und Begegnungen zwischen benachbarten Gruppen. "Insgesamt analysierten wir fast 500 feindliche Auseinandersetzungen – vokale und physische – aus den letzten 25 Jahren, an denen wenigstens eine der drei habituierten Gemeinschaften beteiligt war, und die für einige Tiere schwere Verletzungen oder den Tod zur Folge hatten", sagt Liran Samuni, Erstautorin der Studie.
Die Studie zeigt, dass sowohl Männchen als auch Weibchen an den Kämpfen teilnehmen und dass drei Faktoren die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme erhöhten: wenn viele Individuen teilnahmen, wenn Verwandte der mütterlichen Linie sich beteiligten und wenn nicht verwandte soziale Bindungspartner anwesend waren. "Schimpansen berücksichtigen nicht nur, wie viele Gruppenmitglieder sich beteiligen, wenn sie in den Kampf ziehen, sondern wer sich beteiligt. Insbesondere, ob Gruppenmitglieder dabei sind, denen sie vertrauen und die sie im Falle eines Angriffs unterstützen", fügt Catherine Crockford, Seniorautorin der Studie, hinzu. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin", so Liran Samuni weiter, "dass es auch beim Schimpansen eine Verbindung zwischen starken, dauerhaften sozialen Beziehungen und riskanten kollektiven Handlungen geben könnte – wie es beim Menschen der Fall ist."
Rivalität zwischen Gruppen erhöht Zusammenhalt in der Gruppe
"Diese Studie ist Teil einer Reihe von Studien, die Zusammenhänge zwischen der Kooperation innerhalb einer Gruppe und der Konkurrenz zu anderen Gruppen erforschen", erklärt Roman Wittig, Leiter des Taï-Schimpansenprojekts und Seniorautor der Studien. "Wir konnten zeigen, dass Rivalität durch feindliche Gruppen sich negativ auf den Fortpflanzungserfolg der Schimpansen und die Größe ihres Reviers auswirkt. Auf der anderen Seite erhöht dieser Wettbewerb aber auch den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe und verringert, wahrscheinlich unterstützt durch das Neurohormon Oxytocin, die Wahrscheinlichkeit, im Kampf alleine gelassen zu werden."
Die Daten des Taï-Schimpansenprojekts, im Rahmen dessen vier benachbarte Schimpansen-Gemeinschaften täglich beobachtet werden, sind auch längerfristig eine sehr wichtige Quelle für Wissenschaftler, die erforschen, was der Kooperation auf Gruppenebene zugrunde liegt. "Von den Taï-Schimpansen können wir lernen, welche sozialen Voraussetzungen die einzigartige Fähigkeit des Menschen zur Kooperation in großen Gruppen mit anderen nicht verwandten Menschen ermöglichen", so Roman Wittig. (SJ/RW)