Am 21. Oktober findet in Bochum eine Tagung statt, die kurz vor dem Höhepunkt der Luther-Dekade – dem Reformationsjubiläum am 31. 10. - einen Kontrapunkt zu der völlig unkritisch idealisierten Darstellung des Reformators setzen will. Die Glorifizierung Martin Luthers durch die Propagandisten der nach ihm benannten Strömung innerhalb der christlichen Glaubensrichtungen, hat einige Wissenschaftler motiviert, sich die von Luther verfassten und fast vollständig überlieferten Texte näher anzuschauen. Als Referenten werden sie auf der Tagung ans Licht bringen, was die evangelische Kirche als Schattenseiten Luthers verharmlost.
Die Dokumentation der hasserfüllten judenfeindlichen Schriften Luthers und der Nachweis der verheerenden Wirkung dieser Texte bei der Verfolgung und Ermordung der Juden während des Nationalsozialismus haben die EKD gezwungen, sich 2015 von dieser Position zu distanzieren und den verharmlosenden Begriff "Schattenseiten" oder "dunkle Seiten" hierfür einzuführen.
Die nähere Betrachtung der gesamten Äußerungen Luthers machte allerdings deutlich, wie viel dunkelster Schatten auf seinem Werk liegt. Nicht nur sein extremer Judenhass sondern seine Haltung insgesamt gegenüber Andersdenkenden erinnert sehr stark daran, wie aktuell fundamentalistische Hassprediger charakterisiert werden. Unter Berufung auf den strafenden Gott verteufelte er im wahrsten Sinne dieses Wortes jede von seiner Überzeugung abweichende Haltung. Er wollte den Papst und die Kardinäle an den Galgen zu bringen. Er forderte dazu auf, von der Lehre abweichende Prediger zu töten, "Hexen" zu verbrennen, behinderte Kinder zu ersäufen, Ketzer zu rädern, Prostituierte zu ädern und zu rädern und aufständische Bauern mit dem Schwert zu erschlagen.
Obwohl sich führende Nazis in den Kriegsverbrecherprozessen auf Luther berufen und die Alliierten daraufhin sein Buch "Die Juden und ihre Lügen" auf den Index gesetzt haben, ist der mörderische Judenhass Luthers lange vor der Öffentlichkeit verschleiert worden. Jetzt liegen seine judenfeindlichen Schriften gut lesbar und damit für jeden überprüfbar vor.
Die Tagung will vor diesem Hintergrund thematisieren, wie unsere Gesellschaft mit einer Organisation wie der evangelischen Kirche umgeht, die einen derartigen Judenhasser weiterhin als Vorbild verehrt und die Frage stellen, ob öffentliche Einrichtungen, Straßen und Plätze weiterhin nach ihm benannt sein sollen.
Die Tagung will die Medien anregen, das bisher von Luther gezeichnete Bild zu korrigieren. Insbesondere die politische Bildung und die Schulbuchverlage sollten sich verpflichtet fühlen, wenigstens die Kritikwürdigkeit Luthers weiterzugeben, die inzwischen selbst die EKD einräumen muss.
Auf der Tagung wird nicht so sehr über Luther gesprochen, er soll vielmehr selber zu Wort kommen, d. h. seine Aussagen sollen dokumentiert werden. Die Initiative Religionsfrei im Revier als Organisatorin der Tagung sieht darin die beste Möglichkeit, über Luther aufzuklären.