Andreas Edmüller bei Buchvorstellung in Fürth

Anleitung zum rationalen Diskurs

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Andreas Edmüller bei seinem Vortrag am vergangenen Montag in der Innenstadt-Bibliothek Fürth
Andreas Edmüller

Am vergangenen Montag luden der Bund für Geistesfreiheit (bfg) Fürth und Kortizes, das Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs, in die Innenstadt-Bibliothek Fürth ein. Zu Gast war Prof. Dr. Andreas Edmüller, der sein Dossier "Verschwörungsspinner oder seriöse Aufklärer? Wie man Verschwörungstheorien professionell analysiert" vorstellte und in seinen persönlichen Kontext einordnete. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Vortragsreihe "Freier Geist in Fürth – säkulare Autoren präsentieren ihre Bücher" statt.

Prof. Dr. Andreas Edmüller ist Philosoph, Linguistiker und Erkenntnistheoretiker, lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München, war jahrelang unternehmerisch als Berater tätig und nutzte die Corona-Hochzeit um seine zwei Bände über Verschwörungserzählungen zu schreiben (ihm zufolge sei auch Band drei in Arbeit).

Zu Beginn erläuterte der Autor seine Beweggründe: er habe es als eine Art Notwehr und Nötigung empfunden, die erhitzten Gemüter und emotional geladene Diskussionskultur unserer Gesellschaft zu kommentieren, gar zu korrigieren, soweit sinnvoll und möglich. Seine eigene kurz zuvor beendete Berater-Karriere soll großen Einfluss gehabt haben, da er die dadurch gewonnenen Feststellungen berichtigen wollte. Menschen würden seiner Erfahrung nach zu oft aneinander vorbeireden, sich unsachlich und zu emotional verständigen, wenn stattdessen ein wissenschaftsaffiner Diskurs angebracht wäre. Zumal die gefährliche Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft zunehme und sich immer mehr Blasen aus evidenzfeindlichen und -fremden Subgruppen beziehungsweise Milieus herausbildeten. So sei das Buch des Professors sehr wörtlich als Anleitung zu verstehen, wie der öffentliche und private Diskurs zu versachlichen, erkenntnistheoretisch wertvoll zu gestalten und das allgegenwärtige Postfaktum einzuschränken ist.

A propos Postfaktum: Der durch digitale Medien befeuerte Trend zur öffentlichen Erzählung urbaner und verschwörerischer Mythen sei durchaus gefährlich, doch gleichzeitig auch überschätzt. Andreas Edmüller vermochte es, pointiert reale Verschwörungen von Theorien und bloßen ideologisch motivierten Mythen abzugrenzen. Er zeigte auf, wie klassische Verschwörungen, politische Intrigen und wirtschaftliche Betrügereien die menschliche Zeitgeschichte und Natur prägen: Von Caesars Ermordung über Watergate bis hin zur Corona-Herkunfts-Frage und Wirecard – Verschwörungen fänden real überall statt und seien nicht wegzudenken. Wir sollten, nach ihm, eine Theorie über mögliche betrügerische, mörderische oder politische Absprachen also als solche ernst nehmen und die potentielle Gefahr wahrnehmen. Es gelte, stattfindende Verschwörungen zu vereiteln und Theorien als solche einzuordnen und gegebenenfalls zu widerlegen.

Später betonte Edmüller noch einmal die Grundlagen der Erkenntnistheorie: Theorien seien als solche anzuerkennen, wenn sie methodisch wissenschaftlichen Anforderungen genügten und gemäß wissenschaftlicher Normen formuliert seien. Demnach sei der Wert einer Verschwörungstheorie danach zu bemessen, ob diese den besagten Standards genüge. Die spätere inhaltliche Einordnung und Bewertung sei ein völlig anderes Paar Schuhe. Auch in akademischen Kreisen seien Theorien verbreitet worden, die sich später als völlig falsch oder gar blödsinnig erwiesen hätten. Das beliebteste Beispiel ist demnach Newton, dessen Gesetze und Wissenschaftsauffassung durch Albert Einstein widerlegt, ergänzt und neu gestaltet worden waren. Und selbst Albert Einsteins Theorien, die 100 (!) Zeitgenossen damals als Unding abtaten und argumentativ zu widerlegen versuchten, sind heute, durch Erkenntnisse in der Quantenmechanik, teilweise bereits wieder als falsch einzustufen oder um wesentliche theoretische Neuauffassungen ergänzt worden.

Was also unter dem Begriff der Peer Review zum Beispiel als gängige wissenschaftliche Alltagspraxis gelte, sei auch durchaus so ähnlich im gemeinen Diskurs anzuwenden. Gerade zum Schutze der allgemeinen Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit sei das Recht, faktisch falsche Aussagen zu tätigen, zu schützen und das Recht auf Irrtum ein Grundrecht, das wir alle mehr zu schätzen wissen sollten. Eine Theorie ist also einfach nur eine Theorie. Egal wie gut oder schlecht sie sei, ob sie zutreffend sei oder sich als faktisch falsch herausstelle. Selbiges gelte für davon abzugrenzende Thesen. Diese träfen einfach zu oder nicht. Man sollte jedenfalls das Recht, sich zu irren, nicht unterschätzen und die Meinungsfreiheit anderer verteidigen.

Schließlich nannte Professor Edmüller QAnon als zeitgenössisches Beispiel für eine Ansammlung von Behauptungen und Mythen, die keiner wissenschaftlichen These genügten. Nur wenn QAnon es schaffte, seine Annahmen als echte Theorien zu formulieren, könnte man sie dann auch als solche zwar ernst nehmen, doch im selben Atemzug auch recht einfach mit Plausibilitätsfragen widerlegen. Außerdem sei es eine Schande, wie der Fall Wirecard verlief, also wie Investigativ-Journalist*innen von der Aufsichtsbehörde verklagt wurden, die willentlich und wissentlich den Betrugsfall vertuschten und sich am Insiderhandel beteiligten. Dieser Fall sei also eine ernstzunehmende Verschwörung gewesen, die wir hätten verhindern, zumindest jedoch früher hätten aufdecken müssen – als Gesellschaft.

In der Fragerunde fand nach dem Vortrag eine Debatte über die Qualität des Journalismus, die Anforderungen der Gesellschaft an Wissenschaft und die Qualität von Theorien statt. Besucher hoben hervor, dass der Zugang zu Informationen vereinfacht, redaktionell qualitativer aufbereitet und Wissenschaftskompetenz von klein auf schulisch vermittelt werden müsse. Die Frage nach "Open Science" wurde in den Raum gestellt, und ob ein Staatsvertrag mit alten Leitmedien heute noch sinnvoll sei. Darüber hinaus, ob nicht vermehrt eigene Studiengänge und Ausbildungen im journalistischen und wissenschaftlichen Arbeiten angeboten werden sollten.

In diesem Sinne: Verschwört euch, Freund*innen der Wissenschaft! Gegen Betrügereien, erhitzte Gemüter und unwissenschaftliche Pseudotheorien. Wie das geht? Könnt ihr selbst nachlesen!

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