Wie die Giordano-Bruno-Stiftung auf die Pandemie reagiert

Aufklärung in Corona-Zeiten

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Bruno mit Maske
Bruno mit Maske

Die Einschätzungen darüber, wie gefährlich das neue Corona-Virus ist, gehen innerhalb der Giordano-Bruno-Stiftung weit auseinander. Fest steht jedoch, dass die gbs – wie die allermeisten Non-Profit-Organisationen – im Rahmen der Corona-Pandemie neue Wege beschreiten muss. Die Voraussetzungen dafür hat ein Treffen des Kuratoriums und des Vorstands geschaffen, das in Form einer Videokonferenz stattfand.

Schon am 9. März hatte die Giordano-Bruno-Stiftung alle Events im März abgesagt, wenige Tage später erfolgte die Absage sämtlicher Veranstaltungen bis in den Mai 2020. Drei Absagen waren für die Stiftung besonders schmerzhaft: Am 21. März sollte im "Haus Weitblick" eine Gedenkveranstaltung für den Arzt und Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold stattfinden, mit der u .a. die im Februar errungene Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "Recht auf Letzte Hilfe" gefeiert werden sollte. Für den 18. April war unter der Federführung des Humanistischen Pressedienstes (hpd) ein "Spöttertreffen" am gbs-Stiftungssitz geplant, an dem u. a. die Cartoonisten Martin Perscheid, Nadia Menze, Ralf König, Klaus Stuttmann, Dorthe Landschulz, Oliver Ottitsch und Michael Holtschulte sowie der Kabarettist Volker Pispers teilnehmen wollten. Zudem sollte am 2. Mai die Auftaktveranstaltung des neu gegründeten Hans-Albert-Instituts (HAI) in Heidelberg erfolgen und die Kampagne zum Schwerpunktthema 2020 "Die hohe Kunst der Rationalität: Fakten, Fakes und gefühlte Wahrheiten" offiziell starten.

Leben mit der Ungewissheit

"Es ist uns schwergefallen, diese Veranstaltungen vorzeitig abzusagen", erklärt Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon, "jedoch war uns früh klar, dass eine Kontaktsperre über einen längeren Zeitraum erfolgen muss, wenn sie Wirkung entfalten soll." Die Stiftung habe sich seit Anfang März intensiv mit der Pandemie beschäftigt, allerdings sei die Einschätzung der Lage unter den Stiftungsmitgliedern sehr unterschiedlich ausgefallen – was, so Schmidt-Salomon, "vor allem auf die unklare Datenlage zurückzuführen" sei. Aus diesem Grund habe die Stiftung am 23. März eine Erklärung dazu abgegeben, weshalb sie unter den gegebenen Umständen keine Erklärung zur Corona-Pandemie abgeben könne.

"Unser Statement war auch als Kritik an jenen gedacht, die bestimmte Modellrechnungen oder Studienergebnisse ohne hinreichende empirische Befunde verabsolutieren", sagt Schmidt-Salomon. "Wir wollten klarstellen, das zum rationalen Handeln eben auch die Fähigkeit gehört, mit Ungewissheiten umgehen zu können. Das fällt uns Menschen schwer, ist aber ungemein wichtig: Man stelle sich nur einmal vor, welchen Vertrauensverlust das Wissenschaftssystem erleiden würde, falls sich herausstellen sollte, dass Sars-CoV-2 weit ungefährlicher (oder auch weit gefährlicher) ist, als dies bisher angenommen wurde! Daher hätten die Politik und die Medien meines Erachtens noch sehr viel klarer kommunizieren müssen, dass die einschneidenden Maßnahmen gegen die Pandemie rational nicht dadurch zu begründen sind, dass wir bereits so viel über das Virus wüssten, sondern vielmehr dadurch, dass wir noch viel zu wenig über dieses Virus wissen."

Stiftungsarbeit in der Corona-Krise

Unabhängig davon, wie die Datenlage zu Corona eingeschätzt wird, muss sich jede Non-Profit-Organisation derzeit fragen, wie sie ihre Arbeit unter den Bedingungen der Pandemie-Maßnahmen effektiv fortsetzen kann. So wurden inzwischen alle Großveranstaltungen in diesem Jahr abgesagt, an denen die Giordano-Bruno-Stiftung maßgeblich beteiligt sein sollte, u. a. das "Zukunftssymposium" in Stuttgart, der "Rationalismus-Kongress" in Heidelberg sowie das "Evolutionsfestival" im Neanderthal-Museum – allesamt Veranstaltungen, die für den Herbst 2020 geplant waren.

Um diese Ausfälle zu kompensieren, wird die Stiftung in den kommenden Wochen und Monaten vermehrt Online-Veranstaltungen, -Vorträge und -Diskussionen anbieten. Dies wurde am vergangenen Sonntag auf dem gemeinsamen Treffen von gbs-Vorstand und -Kuratorium beschlossen, das – erstmalig in der Stiftungsgeschichte – nicht vor Ort am gbs-Stiftungssitz, sondern virtuell im Rahmen einer Videokonferenz stattfand. Beginnen wird die Online-Veranstaltungsreihe bereits in wenigen Tagen mit einem Vortrag des Philosophen (und gbs-Beirats) Franz Josef Wetz, der am 5. Mai live auf dem YouTube-Kanal der gbs gestreamt wird (Informationen hierzu folgen in Bälde).

"Glücklicherweise hat die Giordano-Bruno-Stiftung erfahrene IT- und Video-Fachleute im Hintergrund, so dass wir relativ schnell auf digitale Formate umstellen können", meint Schmidt-Salomon. Ohnehin müsse die gbs das Rad unter den Bedingungen der Pandemie nicht neu erfinden, da die Stiftungsarbeit im Grunde – abgesehen von den Folgen der Kontaktsperre – so weiterlaufe wie bisher: "Auch wenn Veranstaltungen für uns sehr wichtig sind, findet doch ein Großteil unserer Arbeit jenseits des Scheinwerferlichts statt. In der gbs geht es vor allem auch darum, Menschen zu vernetzen, Literatur zu sichten, Konzepte zu entwickeln, Stellungnahmen zu formulieren, Anfragen zu beantworten. Tatsächlich hat die Corona-Krise keines unserer Projekte zum Stillstand gebracht. In manchen Projekten ist momentan sogar besonders viel in Bewegung. So kommen einige Fälle, die das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) betreut, allmählich in die entscheidende Phase – etwa das juristische Verfahren von Kristina Hänel, das darauf abzielt, den umstrittenen § 219a aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und die überkommene Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch zu liberalisieren. Um sie in ihrem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu unterstützen, haben wir am Sonntag beschlossen, ein zusätzliches Rechtsgutachten zu beauftragen. Derartige Projekte laufen natürlich weiter – völlig unabhängig davon, ob da draußen eine Pandemie wütet oder nicht."

So gesehen ändert die Corona-Krise viel weniger an der Stiftungsarbeit, als man vielleicht vermuten könnte. Dennoch ist der am Sonntag vom gbs-Kuratorium genehmigte Haushaltsplan der Stiftung aufgrund der Pandemie "so provisorisch wie nie zuvor": "Wir wissen momentan nicht, wo wir am Ende dieses Jahres stehen werden. Es könnte durchaus sein, dass die Spenden 2020 auch bei uns einbrechen werden, wie dies viele andere Organisationen derzeit befürchten. Allerdings vertrauen wir darauf, dass unsere Unterstützerinnen und Unterstützer weiterhin an unserer Seite stehen werden. Immerhin kann die Stiftung (gerade auch in der jüngsten Vergangenheit) einige beachtliche Erfolge aufweisen – etwa das bahnbrechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar dieses Jahres, mit dem das 'Sterbehilfeverhinderungsgesetz' für nichtig erklärt wurde und die Kampagne für das 'Recht auf Letzte Hilfe' einen entscheidenden Etappensieg verbuchen konnte. Deshalb denken wir, dass wir mit der Stiftung und ihren Projekten insgesamt auf dem richtigen Weg sind und dass wir uns von diesem Weg ohne Vorlage guter Gründe keinesfalls abbringen lassen sollten – auch nicht von einem Virus, das viele Menschen weltweit in Angst und Schrecken versetzt."

Am 19. April kam erstmals das neu formierte Kuratorium der Giordano-Bruno-Stiftung zusammen, dem seit Anfang 2020 drei Frauen (Ricarda Hinz, Dr. Jacqueline Neumann und Assunta Tammelleo) und zwei Männer (Dr. Thorsten Barnickel und Dr. Rainer Rosenzweig) angehören. Im Rahmen des Treffens wurde Thorsten Barnickel zum Kuratoriumsvorsitzenden und Jacqueline Neumann zur Stellvertretenden Kuratoriumsvorsitzenden gewählt.

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