KÖLN. (hpd) Im Schatten des Domes versammelten sich in Köln rund 30 Delegierte verschiedener säkularer Verbände aus ganz Nordrhein-Westfalen. Die Anwesenden, die unter der Gesprächsleitung von Ingrid Matthäus-Maier (ehem. MdB) tagten, repräsentierten ein breites Spektrum von Gruppierungen: zu nennen sind der Humanistischer Verband Deutschlands (HVD), die Regionalgruppen Aachen, Köln, Düsseldorf (Düsseldorfer Aufklärungsdienst, DA!) der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS), Religionsfrei im Revier (RiR), der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), GERDIA (Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz), die Freidenker, die gbs-Hochschulgruppe Evolutionäre Humanisten der Uni Köln (ehk) und die GEW, sowie VertreterInnen der politischen Parteien SPD, Grüne, FDP und Linke.
Zwar aus terminlichen oder persönlichen Gründen diesmal hier nicht vertreten, aber ebenso dem SNW zugehörig sind auch solche Gruppierungen wie der Zentralrat der Exmuslime (ZdE), die Skeptiker (GWUP), die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben DGHS, die Humanistische Union (HU), Religionsfrei im Bergischen Land (RiBel), andere Regionalgruppen der GBS, und ebenso die Piraten und die Partei der Humanisten (PdH).
Allein diese Aufzählung zeigt die Vielgestaltigkeit des säkularen Spektrums, welche in dieser Ausdifferenzierung auf der einen Seite sicherlich positiv zu sehen ist, denn es unterbreitet den vielen im Detail verschiedenen Anliegen von skeptischen Menschen ein differenziertes Angebot und kann somit möglicher Weise mehr Leute erreichen, als es ein "Globalangebot" vermag, zumal im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass Menschen, die sich in dieser "Szene" etwas abseits des "glattpolierten Mainstreams" bewegen, auch genauer hinterfragen, welcher Gruppierung sie sich zuwenden wollen. Diese differenzielle Ausgestaltung gilt es als wichtige Grundlage vor allem für eine inhaltlich zwar etablierte, in der öffentlichen Wahrnehmung aber noch mehr oder weniger sich im Aufbau befindenden "Szene" als Element inhaltlicher Stärke zu begrüßen.
Auf der anderen Seite liegt es natürlich auf der Hand – und die Praxis zeigt es nicht erst seit gestern – dass diese Differenziertheit von Inhalten als säkulare Farbpalette gegenüber dem groben Pinsel der um Mehrheiten und Durchsetzung von Interessen ringenden Tagespolitik unter dem Einfluss starker Lobbygruppen zumindest kurz- bis mittelfristig das Nachsehen hat. Bekanntlich geht aber das eine nicht ohne das andere, und so erscheint es nur sinnvoll, die beiden Herangehensweisen zu kombinieren, und somit ein Gemälde aus stark konturiertem Pinselstrich – bei zugleich feiner farblicher Ausdifferenzierung des Hintergrundes – der durch glattbügelndem Farbroller erzeugten plakativen Großflächigkeit entgegenzusetzen.
Solcherlei Vorhaben und die damit verbundenen Überlegungen sind zwar nicht neu (Stichwort KORSO), jedoch beschränken sie sich in diesem Fall auf eben nur ein Bundesland (NRW) und ziehen säkulare Ansätze/Gruppierungen von Parteien mit ein.
Das SNW als "Kunstwerk"
Dem Säkularen NetzWerk wird also die Rolle dieses "stark konturierten Pinselstriches" zukommen, wobei zu beachten ist, dass die "farblicher Ausdifferenzierung des Hintergrundes", sprich die vermeintlichen oder auch im Detail tatsächlichen Unterschiede der einzelnen Gruppierungen je nach Blickwinkel und besonders auch auch im Vergleich zu anderen Interessenvertretungen (wie z. B. den Kirchen) viel geringer ist, als es vielleicht nach außen hin allein durch die Existenz der Vielheit den Anschein haben mag. Diese Unterschiede liegen in der teilweise differenten Herangehensweise an das Thema, unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und leicht divergierenden gesellschaftlichen und/oder politischen Ansätzen bzw. Verortungen. Sie verblassen aber, tritt man zur angemessenen Betrachtung des Gemäldes SNW ein paar Schritte zurück, und mit ein wenig Abstand zeigt sich die große Teilmenge an Gemeinsamkeiten, die es herauszuarbeiten gilt, um auf dieser Grundlage gemeinsam handeln zu können.
Beispielhaft für solcherlei großflächig tragende Gemeinsamkeit sei genannt die auf dem Treffen von den teilnehmenden Delegierten "aller Seiten" artikulierte (lose) Aufzählung von Aufgabenstellungen und Zielsetzungen ohne Anspruch auf Systematik und Vollständigkeit. Hier zeigte sich allein in der Quantität, aber auch in der Substanz, dass es ein großes Potential an Gemeinsamkeiten gibt. Exemplarisch angeführt reichten diese von den globaleren Aufgaben, dass sowohl in einem nordrhein-westfälischen wie einem europäischen Gesellschaftsvertrag Säkularität als wesentliche und auszubauende zivilisatorische Errungenschaft betont werden soll, über pragmatische wie die Vernetzung der Gruppierungen, strategischen wie Öffentlichkeitsarbeit, "alte Verdächtige" wie Kirchenprivilegien, Staatsleistungen und kirchliches Arbeitsrecht, ganz konkreten wie Bildungspolitik und Besetzung des Rundfunkrates, wohl immer gültigen wie Aufklärungsarbeit in Form des Diskurses mit der Politik und vor allem mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern, bis hin zu den Fragen der politischen Umsetzbarkeit und vieles mehr.
Betonung der Gemeinsamkeiten
Diese gemeinsamen Interessen sind für den SNW eine Art Verpflichtung, sowohl bei der inhaltlichen und politischen Arbeit, als auch in der Außendarstellung. Und dies gilt auch, wenn man (vermutlich schon beim Lesen schnell) erkennt, dass es bei dem einen oder anderen Problemfeld unterschiedliche Lösungsansätze gibt.
Wenn man aber bedenkt, wie gleichgeschaltet z.B. die christlichen Kirchen ihre Interessen in dem Moment vertreten können, wenn es für ein gemeinsames Ziel opportun erscheint, sie aber sowohl jeweils intern zerstritten sind, als bekanntlich auch untereinander ideologisch in vielen Positionen unverträglich gegeneinander stehen (neben der Eucharistie denke man z.B. an das Ratzinger-Axiom, dass es „eine evangelische Kirche eigentlich gar nicht gibt“), erscheint die zahlenmäßige Vielfalt innerhalb des SNW als Fakt inhaltlich gesehen unerheblich und wegen der großen Schnittmenge an gemeinsamen Zielen, die in Teilen nur von verschiedenen Ebenen (wissenschaftlich – philosophisch – politisch – dienstleistend – pragmatisch usw.) oder von abweichender Organisationsstruktur her angegangen werden, im Prinzip schon fast zu vernachlässigen.
Diesen (vereinfachten) Vergleich zwischen der Interessenbündelung der nicht nur christlichen(!) Religionsgemeinschaften mit den säkularen Bestrebungen auf der anderen Seite gilt es, sich bei möglichem Dissens im Detail immer wieder vor Augen zu führen – so z.B. jetzt beim SNW.
Man beachte dabei die Tatsache, dass sich religiöse Gruppierungen untereinander verständigen wollen/müssen, die sich bekanntlich nicht nur in der Geschichte, sondern in Teilen der Welt auch heute noch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Das heißt, dass der Druck auf Grund der fortschreitenden Säkularisierung wahrgenommen wird. Und das gilt nicht nur für deren offizielle Vertreter, sondern ebenso auch für zahlreiche politische Entscheidungsträger, die sich auf welche Weise auch immer ersteren verpflichtet sehen (Stichwort "Beschneidungsgesetz", Sterbehilfe usw.).
Besagter Interessenbündelung religiöser Gruppierungen soll eine säkulare gegenübergestellt werden, im kleinen, wie es manche Regionalgruppen schon tun, und im etwas größeren Stil – in NRW. Letztere wird umso besser funktionieren (und insofern muss sich dies gewiss erst noch erweisen müssen), wenn neben der nötigen Kompromissbereitschaft auch ein gewisses Maß an Zurückhaltung in Fragen der Durchsetzung von Partikularinteressen besteht. Aber bei den großen und wichtigen Aufgaben, die als gemeinsames Interesse im Raum stehen, sollten und dürften diese keine unüberwindbare Hürde sein.