HEIDELBERG. (hpd) Ende Januar wurde bekannt, dass sich in Heidelberg Vertreter politischer Parteien und weltanschaulicher Gruppen trafen, um ein Säkulares Bündnis zu gründen. Der hpd sprach mit zwei der Initiatoren, um zu erfahren, was dieses Bündnis ist und was es erreichen will.
hpd: In der Pressemitteilung hieß es, dass es vor allem darum gehen soll, zentraler Ansprechpartner zur säkularen Szene werden zu wollen. Für wen genau wollt Ihr das werden?
Wolfgang Vogt: Säkulare Standpunkte spielen auf lokaler Ebene oftmals keine Rolle in der Entscheidungsfindung. Wenn es um Weltanschauung oder Religion geht sind die Ansprechpartner meist noch immer die großen Kirchen! Hier wollen wir einerseits zur Schnittstelle zwischen Politik und säkularen Positionen werden, indem wir unsere Sichtweise durch ein möglichst breites Bündnis zum Ausdruck bringen und auf politische Prozesse Einfluss nehmen. Andererseits geht es uns auch darum der säkularen Szene ein Gesicht zu geben und der Gesellschaft als Ansprechpartner für religions- und weltanschauungspolitische Belange zur Verfügung zu stehen.
Stefan Dewald: Wenn derzeit jemand eine moralisch-ethische Diskussion haben möchte, werden geradezu reflexartig automatisch Vertreter von Religionsgruppen eingeladen. Hier wollen wir uns langfristig als weitere Gruppe etablieren. Zum Einen indem wir von uns aus auf Einrichtungen zugehen. Zum Anderen aber auch indem wir mit hochwertigen Beiträgen unsere Diskussionsfähigkeit und Kompetenz belegen.
Das klingt ein wenig so, als solle eine Art regionaler KORSO geschaffen werden. Ist das richtig?
Wolfgang Vogt: Die Zielsetzung des KORSO finde ich super und viele der Forderungen, wie zum Beispiel die Abschaffung des Blasphemieparagraphen, sind sehr unterstützenswert. Allerdings sehe ich uns etwas breiter aufgestellt, da wir unter anderem auch politische Parteien miteinbeziehen. Was auf Bundesebene etwas schwierig zu sein scheint, gelingt uns auf kommunaler Ebene eigentlich ganz gut. Wenn man die Sitzungen im Heidelberger oder Mannheimer Stadtrat mitverfolgt, merkt man schnell, dass viel sachlicher gearbeitet wird, als zum Beispiel im Bundestag. Daher gestaltet sich die Zusammenarbeit über die Grenzen politischer Lager hinweg deutlich einfacher und verläuft auch viel produktiver. Ich denke auch, dass uns weltanschauliche Themen alle auf eine sehr persönliche Weise betreffen und es daher viel einfacher ist, ideologische Grenzen zu überwinden.
Stefan Dewald: Ja, das ist richtig. Der Begriff "Regionalkorso" passt hier schon ganz gut. Wobei ich der Ansicht bin, dass wir in der Rhein-Neckar-Metropolregion nach dem Vorbild von attac, profamilia und anderen föderalistischen Organisationen unsere ganz eigenen Schwerpunkte haben. So wie Bundespolitik und Kommunalpolitik eben auch zwei verschiedene Paar Schuhe sind.
Habt Ihr Kontakt nach Hamburg aufgenommen? Dort gibt es ja eine ähnliche Initiative, das "Säkulare Forum". Meint Ihr nicht auch, dass ein Gedanken- und Erfahrungsaustausch nützlich wäre?
Wolfgang Vogt: Der Austausch mit ähnlichen Initiativen ist natürlich ein elementarer Bestandteil des Säkularen Bündnis. Als Vertreter*innen verschiedener Stiftungen, Vereine und Parteien haben wir uns ja gerade deshalb zusammengeschlossen, weil wir den Erfahrungsaustausch mit anderen säkularen und laizistischen Gruppierungen suchen und gemeinsam etwas bewirken wollen. Bereits jetzt ist es sehr spannend, die verschiedenen Erfahrungen der anderen Bündnismitglieder kennenzulernen!
Stefan Dewald: Einige der Initiatoren konnte ich bereits auf dem Humanistentag 2013 in Hamburg kennen lernen. Allerdings sehe ich auch einen Unterschied in den Anliegen: In Hamburg haben sich Gruppen zusammengefunden, die bereits mit professionellen sozialen Angeboten aktiv sind und daher schon über den Status “wir wollen mitreden” weit hinaus sind.
Was uns aber auf gar keinen Fall davon abhalten kann sich zu treffen und Ideen und Kontakte auszutauschen. Genau so wie wir uns auch im “Ländle” mit der HABO (Humanistische Alternative Bodensee) und dem Humanistischen Verband treffen werden. Dann gibt es schon Drähte nach Lothringen. Aber zuerst werden wir natürlich vor der eigenen Haustüre kehren.
Wen habt Ihr im Bündnis vereinen können? Im ersten Artikel heißt es, dass die Linke, der AK der Laizistinnen und Laizisten der SPD Heidelberg, die Säkularen Humanisten Rhein-Neckar und die Säkularen Grünen Mannheim und Heidelberg dem Bündnis bereits angehören. Habt Ihr noch weitere "Kandidaten"?
Wolfgang Vogt: Das Bündnis ist grundsätzlich für alle politischen und weltanschaulichen Gruppen und Organisationen offen, sofern diese die Zwecke und Ziele des Bündnisses teilen. Unser Ziel ist es, möglichst große Teile der säkularen und laizistischen Szene im Rhein-Neckar-Raum anzusprechen, um unserer Stimme möglichst viel Gewicht zu verleihen.
Stefan Dewald: Es haben sich jetzt historisch-zufällig die Gruppen verbündet, die sich schon seit ca. 2 Jahren kennen und bereits gemeinsame Veranstaltungen gemeistert haben. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Interessenten, die wir bereits kennen und es gibt auch Gruppen, die jetzt neu auf uns zu kommen. Ich schätze, es war richtig zunächst vorzupreschen und einen Startschuss zu geben.
Wie wollt Ihr schaffen, was dem KORSO allen Anscheins nach nur schwer gelingt: die unterschiedlichen Positionen der Vereine, Verbände und Parteien nach hinten zu stellen und die Gemeinsamen Ziele in den Vordergrund zu rücken?
Stefan Dewald: Ich kann mir gut vorstellen, dass die Mitmacher in unserem Bündnis mit der Aufgabenstellung einer "bunten Truppe" aus ihren eigenen Gruppen vertraut sind. Und jede Gruppe behält ja ihre Wege um eigene Ziele unabhängig zu verfolgen. Die Möglichkeiten des Bündnisses sind ein Angebot und keine Zwangsheirat.
Was wollt Ihr konkret mit dem Bündnis erreichen? Plant ihr gemeinsame Veranstaltungen?
Wolfgang Vogt: Es gibt bereits jetzt lokale Entscheidungsprozesse, bei denen eine säkulare oder laizistische Sichtweise nicht vertreten ist, sei es, wenn es um Religionsunterricht, Tanzverbot oder Runde Tische zu verschiedenen gesellschaftlichen Fragen geht. In diese Diskussionen wollen wir uns einbringen und ein Gegengewicht zur derzeitigen kirchlichen Deutungshoheit bieten. Als erste gemeinsame Veranstaltung haben wir für Ende April eine Podiumsdiskussion zum Thema "Religion Privatsache" mit Vertretern aus Politik, Kirchen und der humanistischen Szene geplant. Wir werden diese Gelegenheit nutzen, um darüber zu diskutieren, welchen Platz Religion im öffentlichen Leben einnehmen soll und darf.
Das Interview führte Frank Nicolai für den hpd.
Webseite des Säkularen Bündnis Rhein-Neckar: saekulares-buendnis-rhein-neckar.de
5 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich wünsche dem Anliegen allen guten, säkularen Erfolg.
Die Ziele aus der Gründungserklärung:
"1. Wir möchten die Religions- wie Weltanschauungsfreiheit im politischen Sinne stärken und für eine säkulare Religionspolitik eintreten, die Gleichheit und Vielfalt berücksichtigt.
2. Wir möchten nicht, dass Politik bestimmte religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaften privilegiert, sondern dass gleiche Spielregeln für alle gelten.
3. Wir möchten für mehr Aufklärung, Information und fundierte Argumente sorgen, damit Religions- wie Weltanschauungspolitik nicht allein Lobbyisten und Populisten überlassen wird."
Enthält Ziel 2. nicht wieder bereits Sprengstoff, indem "gleiche Spielregeln" auch Islam-Religionsunterricht in öffentlichen Schulen nahelegt?
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Eine sehr begrüßenswerte Initiative! Ich möchte Hans Trutnaus Anmerkungen ergänzen: Das »Säkulare Forum Hamburg« ist in der Tat auch eine bemerkenswerte Initiative.
Wolfgang Vogt am Permanenter Link
Hallo Herr Trutnau, in der Tat wird Punkt 2 oft so ausgelegt, dass die Forderung am Ende heißt: "Wenn es schon christlichen Religionsunterricht gibt, dann müssen auch andere Religionen ihren Religionsunterricht b
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wenn das "oft so ausgelegt" wird, wie wär's dann mit einer eindeutigeren Formulierung?
Christoph Schwa... am Permanenter Link
Wir sind zwar vorläufig erst nur eine Idee, ein Plan, ein Wunsch, aber wir freuen uns über solche Ininitativen, denn sie bringen unser Anliegen nach vorn, der Allgewalt der Kirchen in unserem Lande und ihre Bevorzugun