Ein letztes Mal war wieder Leben in das ehemalige Botschaftsgebäude der Islamischen Republik Iran in Bonn eingekehrt, bevor die Polizei das Gelände gestern, am 15. März 2018, im Auftrag des iranischen Staates räumte.
Junge Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe "Institut für Anarchismusforschung – Agentur gegen Arbeit" hatten das leerstehende Haus in der Godesberger Allee 133–137 am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, besetzt, um sich mit den emanzipatorischen Kräften im Iran solidarisch zu erklären, ein Zeichen gegen die neoliberale Stadtpolitik in Bonn zu setzen und ein kulturelles Zentrum zu etablieren, das allen offen steht.
Die Ziele waren groß: Selbst über das Schicksal des verwahrlosten Gartens wurde nachgedacht. Sicher hätte es große Mühe gekostet, das meterhohe tote Gestrüpp zu entfernen, doch die Herkulesaufgabe bleibt der Gruppe nun erspart. Wenigstens einige der geplanten Veränderungsmaßnahmen konnten kurz nach dem Einzug umgesetzt werden. Über der orientalisch anmutenden Fassade, die schon längst verblasst ist, hingen für eine Woche Bilder von politischen Gefangenen, die seit Jahren in iranischen Foltergefängnissen inhaftiert und zum Tode verurteilt sind.
Inzwischen wurden die Porträts wieder entfernt. Nun verrottet die Ruine weiter vor sich hin. Immerhin wird sie alle Jahre wieder für wenige Tage geöffnet, wenn sich die Islamische Republik wie 2017 durch das Abhalten von Pseudo-Wahlen zu legitimieren sucht. Um den Rückhalt des Regimes unter den Auslands-Iranern propagandistisch in Szene zu setzen, wird dann immer eine ungeheure Menschenschlange entlang der Bundesstraße 9 organisiert. Möglichst zahlreich sollen diejenigen erscheinen, die ihre Stimme für das bestehende System abgeben wollen, und das in Bonner Kulisse! Durch die heutige Räumung ist gewährleistet, dass entsprechende Bilder und Videos auch zur nächsten Wahlparty aufgenommen werden können.
Dass das Gebäude überhaupt besetzt worden ist, hat Tradition, oder anders formuliert: Die nun beendete Aktion ist in eine Geschichte der Besetzungen einzuordnen.
Der Iran hatte das Bürogebäude 1975, damals noch unter dem Schah, erworben und in ein Botschaftsgebäude umbauen lassen. Die nächsten Jahre fungierte es als Kanzleigebäude der Kaiserlichen Iranischen Botschaft. In der dritten Etage war für einige Zeit eine Abteilung des SAVAK, des gefürchteten Geheimdienstes der Schah-Diktatur, untergebracht, bevor die Nachfolgeorganisation der Mullahs infolge der islamischen Revolution von 1979 die Räumlichkeiten nahtlos übernahm.
Der Zugang zu dieser Ebene wurde mit einer zusätzlichen Metalltür vor dem Aufzug gesichert und auf eine Einheit von Spionen und Handlangern des islamischen Regimes begrenzt. Hier ist über die brutale Ermordung des Sängers und Schauspielers Fereydun Farrochzad beraten worden, die 1992 in Bonn erfolgte. Hier plante Khameneis Geheimdienst das Mykonos-Attentat, bei dem (nur wenige Wochen nach dem Tod von Farrochzad) vier iranisch-kurdische Exilpolitiker in Berlin erschossen worden sind. Durch die riesige Satellitenschüssel auf dem Dach des Botschaftsgebäudes war die Kommunikation von Teheran nach Bonn gewährleistet.
Den Regimegegnern ist die Funktion und Bedeutung des Hauses in der Godesberger Allee für den Iran dabei nicht entgangen. 1981 ist das Gebäude zum ersten Mal besetzt worden, um gegen die Machtübernahme der Mullahs im Zuge der Revolution zu protestieren. 1992 folgte eine weitere Besetzung durch dutzende Angehörige der Volksmodschahedin – offenbar weil die Mullahs einen anderen Islamismus praktizierten als ihre eigene politische Sekte. Nach dem Umzug der iranischen Botschaft nach Berlin im Jahre 1999 sollte das Gebäude verkauft werden. Ein Käufer fand sich freilich nicht, so dass es nach wie vor im Eigentum der Islamischen Republik steht. Außer zu den erwähnten Wahlveranstaltungen ist es völlig verlassen und inzwischen auch baufällig geworden. Zumindest ermöglichte die Nichtnutzung, dass mittlerweile fast alle Regime-Embleme mit dem stilisierten Wort "Allah" vor und auf der Ruine beseitigt sind.
Am 8. März dieses Jahres wurde das Gebäude wieder einmal besetzt; die Islamische Republik stellte am 13. März Strafanzeige und die Polizei räumte das Gelände zwei Tage später mit einer Hundertschaft. Im Vergleich zu den früheren Besetzungen war die Aktion absolut harmlos und ungefährlich. Die Schäden innerhalb des Gebäudes stammen nicht von der jungen Gruppe, im Gegenteil: Der iranische Staat schuldet den Aktivistinnen und Aktivisten noch ein Honorar für die begonnenen Aufräum- und Putzarbeiten! Zur Pflege des Gartens hat die Zeit leider nicht mehr gereicht, dafür ging die Strafanzeige einfach zu schnell ein. Medial hat die Aktion wieder eine gewisse Aufmerksamkeit für die politischen Verhältnisse im Iran und die Wohnungsnot in Bonn gebracht. Vor allem der lokale General-Anzeiger hat mehrfach über die Besetzung berichtet, während der Großteil der iranischen Exil-Gemeinde – wohl aus Angst vor Repressionen – einmal mehr eine Gelegenheit ausgelassen hat, um ihre Ablehnung des gegenwärtigen Regimes in der Praxis Ausdruck zu verleihen.