Iran

Nur eine säkulare iranische Republik hat eine Zukunft

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Diese tapfere iranische Frau befestigte ihren Schleier als Protest gegen den obligatorischen Hijab an einem Stock, den sie dann wie eine Fahne schwenkte. Sie und die Gruppe junger Menschen, die sie unterstützten, wurden danach von Sicherheitskräften verhaftet.
"Das Mädchen von der Enghelab-Straße"

Aktuell erheben sich wieder weite Teile der iranischen Bevölkerung gegen das theokratische Mullah-Regime und dessen geistigen Führer Ali Khamenei, dem sogenannten Großayatollah und Revolutionsführer. Gegenüber der "Grünen Bewegung" von 2009 zeichnen sich dieses Mal mehrere Besonderheiten ab.

  1. Die aktuellen Proteste nahmen ihren Anfang in den Provinzen und nicht in der Hauptstadt Teheran.
  2. Die Proteste begannen nicht mit einer "tagespolitischen" Forderung wie Neuauszählung der Stimmen bei einer Präsidentschaftswahl oder Neuwahlen, sondern mit der Forderung nach einer Verbesserung der schlimmen sozialen Situation. Schnell richtete sich die Bewegung dann gegen das gesamte System.
  3. Es gibt innerhalb des Iran aktuell keine weithin anerkannten "Führer" wie Mir Hossein Mussavi oder Mehdi Karroubi, die den Anspruch erheben, an der Spitze der Proteste zu stehen.

Die jetzige Bewegung ist zwar wenig organisiert, dafür aber breit aufgestellt und wird von vielen Iranern, sowohl im Zentrum als auch in der Peripherie, gestützt. Eine Voraussetzung für den Erfolg der Bewegung ist, dass der Organisationsgrad schnell durch die Bildung von möglichst zahlreichen Gruppen und durch den Aufbau einer internen Kommunikation für politische Aktionen erhöht wird. Das Fehlen einer politischen Führung ist gleichzeitig Stärke und Schwäche der Bewegung: Mussavi und Karroubi sind Teil des Systems und verfolgten nie das Ziel, weitreichende politische Veränderungen herbeizuführen, vielmehr traten sie für "Reformen" ein, um das System zu konsolidieren und als Amtsträger selbst wieder wichtigere Rollen in den bestehenden Strukturen zu übernehmen.

Um die politische Situation im Iran zu begreifen, muss das Wesen des islamischen Regimes verstanden werden. Die Ideologie der Islamischen Republik ist nicht mittelalterlich, sondern allenfalls archaisch. Der Charakter des Staates und seiner Institutionen sind durchweg rückwärtsgewandt, undemokratisch und antimodern. Die Todesstrafe (als durch den Islam institutionalisierte Form der Blutrache), die durch den Schleierzwang allgegenwärtige Diskriminierung von Frauen, die systematische Verfolgung und Folterung politischer Gegner, "religiöser Feinde", Homosexueller und vieler anderer sind nicht durch Reformen zu überwinden. Eine Demokratisierung innerhalb des Systems ist nicht vorgesehen und nicht möglich. Im Gegenteil: Institutionen wie die Revolutionsgarden sind darauf ausgerichtet, jede Form einer tatsächlichen politischen Veränderung mit jedem Mittel zu verhindern.

Eine friedliche Revolution wie sie in der westlichen Utopie gedacht wird, ist eine absurde Vorstellung. Die EU, der wichtigste Handelspartner des Iran, muss von Forderungen nach Reformen absehen und stattdessen die progressiven iranischen Kräfte konsequent unterstützen (so wie es westliche Staaten bis zur Revolution von 1979 mit den chauvinistischen islamischen Gruppierungen um Ruhollah Khomeini gemacht haben). Säkulare in Europa und in der Welt sollten sich gegen die iranische Theokratie stellen, deren diktatorischer Charakter im Westen immer noch verharmlost wird.

Falls die Bewegung noch länger andauern wird, bestehen viele Gefahren: Im Exil hofft die politische Sekte der iranischen Volksmodschahedin (die geistigen Brüder des Regimes) und ihr sogenannter "Nationaler Widerstandsrat" auf Rückkehr in den Iran. Die (konservativen) Monarchisten hoffen wiederum das Rad der Zeit ein Stück weit zurückdrehen zu können, um ein konstitutionelles Königtum unter Führung des uncharismatischen Shah-Sohnes einzurichten. Schließlich gibt es im iranischen Vielvölkerstaat (wie auch bei einigen Exilanten aus den Provinzen) separatistische Tendenzen.

Eine progressive politische Haltung kann nur darin bestehen, für eine säkulare iranische Republik ohne "geborenen Herrscher", sowie für Universalismus und gegen Partikularismus einzutreten. Säkulare Iraner können an frühere demokratische Bewegungen (Teile des Widerstands gegen den Shah und gegen die nachfolgende Theokratie) anknüpfen, um eine Geschichte der Befreiung und Emanzipation zu schreiben.

Gewaltfrei werden die Mullahs mit Sicherheit nicht gehen. Sollte das Regime eines Tages fallen, müssen seine Verbrechen zur Anklage gebracht werden. Nicht allein die obersten politischen Führer sind dann zu verurteilen. International würde eine Überwindung der Islamischen Republik eine massive Schwächung der palästinensischen Hamas, der libanesischen Hisbollah und anderer terroristischer Organisationen bedeuten. In Syrien und im Irak, wo der Iran Kontrolle über IS-Gebiete übernommen hat, kann wieder ein säkularer Staatsaufbau denkbar werden. Die progressiven Kräfte im sicheren Exil müssen den freiheitlichen Standpunkt der Mehrheit der Iraner in die Welt tragen. Sie können auch einen wichtigen Beitrag leisten, wenn es um den Aufbau neuer Staatsstrukturen geht.