Zur Wahl im Iran am vergangenen Freitag

Wen schützt die deutsche Polizei?

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Demonstration vor dem iranischen Konsulat in Frankfurt am vergangenen Freitag

Freitag war ein wichtiger Tag für die Islamische Republik Iran (IRI). Nicht, dass wir uns missverstehen – es war kein guter Tag für die iranische Bevölkerung, sondern für das islamistische Regime, das einzig und allein an seiner Erhaltung interessiert ist, egal zu welchem Preis. Und einen Preis zahlt das Regime besonders gerne: das Leben all jener, die das Regime ablehnen.

Im Iran ist allseits bekannt: Die Wahl des Präsidenten ist eine Farce. Sie hat nichts mit einer demokratischen Wahl zu tun. Im Vorhinein werden durch den Wächterrat sowie das Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei Kandidaten ausgesucht, die für die Wahl des Amtes des Präsidenten zugelassen werden. In der Stichwahl wurden so zwei Männer präsentiert, die sich scheinbar als "Reformer" und als "Hardliner" gegenüberstehen.

So hat es die Islamische Republik inszeniert und so stand es auch überall in den deutschen Medien. Die Bundesregierung zeigt ebenfalls Interesse an dieser Inszenierung, da die Ampelkoalition weiterhin nach einem Dialogpartner aus diesem Terrorregime sucht, um Handel zu betreiben. Besonders vor dem Hintergrund der Energiekrise aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine ist der Iran für die deutsche Politik von großer Bedeutung.

Zurückgezogener Boykottaufruf

Tatsächlich hatten viele im Iran dazu aufgerufen, die Wahl zu boykottieren. Zeitweilig hatten die Reformer vor, selbst die Wahl zu boykottieren. Sie ließen sich aber auf einen Deal ein. Sie schlugen als Vereinigte Front der Reformer drei Kandidaten vor und sagten, wenn einer von der Liste zugelassen würde, würden sie von einem Boykottaufruf absehen. Der Gefügigste der Liste wurde dankend zugelassen: Pezeshkian. Ein Mann, der widersprüchlicher kaum sein könnte. Zu Beginn der "Frau, Leben, Freiheit"-Bewegung setzte er sich für die harte Durchsetzung des Kopftuchzwangs ein. Damit ist er mitverantwortlich für den Tod von Mahsa Amini und hunderten Demonstranten auf den Straßen, für Hinrichtungen und Verletzungen. Aber auch für die weiterhin tausenden Inhaftierten und Gefolterten in den Gefängnissen.

Ob Pesezchkian oder der unterlegene Jalili macht innenpolitisch keinen Unterschied: die Gewalt gegenüber der Bevölkerung, die Unterdrückung und Beschneidung von Rechten und Freiheiten, insbesondere der Frauen und Minoritäten, wird weitergehen. Vor dem Hintergrund der Korruption, Vetternwirtschaft und Missmanagement wird sich die wirtschaftliche Lage wohl nicht verbessern. Aber für das außenpolitische Image der Islamischen Republik ist das Wahlergebnis bedeutend und spielt dem Regime in die Karten. Nun kann ein Rückhalt der Bevölkerung vorgegaukelt und das Image eines moderaten Iran nach außen vermarktet werden. Vielleicht werden Atomverhandlungen wieder aufgenommen, um im Vordergrund kooperationswillig zu erscheinen, während das Programm im Hintergrund weiterläuft. Ein kalkuliertes Spiel, aber große Teile des Westens bleiben gutgläubig.

Während in Kanada eine Wahlteilnahme von Exiliranern nicht möglich ist und dort die Revolutionsgarden, die weite Teile der Streitkräfte sowie die Wirtschaftszentren und das Raketenprogramm kontrollieren, als Terrororganisation gelistet sind (in Kanada gibt es keine IRI-Botschaft oder Konsulate), sieht in Deutschland die Lage ganz anders aus. Hier lebt die größte iranische Diaspora Europas. Darunter auf der einen Seite viele Menschen, die vor dem Regime der Islamischen Republik in den letzten 45 Jahren geflohen sind. Auf der anderen Seite aber auch Iraner, die selbst Teil des Regimes sind, oder dieses tatkräftig unterstützen, durch Geldtransfer, Bespitzelung, Präsenz. Immer wieder übt die Islamische Republik hierzulande gezielt Druck auf Geflüchtete aus, schüchtert sie ein, erpresst sie, bedroht sie, oder lässt sie gar töten1.

In der Tat veröffentlichte die Revolutionsgarde vor wenigen Tagen ein Video mit der Überschrift "Identifikationsphase", in dem sie acht Exiliraner namentlich mit Foto und mit ihrer Personalidentifikationsnummer publik macht und mit einer "Aktionsphase" droht. Wie dies geschehen konnte? Schauen wir uns die Situation vor den Wahllokalen in Deutschland, sprich der iranischen Botschaft in Berlin, den Konsulaten in Frankfurt und Hamburg sowie der ehemaligen Botschaft in Bonn am Wahltag an, so wie es uns von Journalisten, Aktivisten und deutsch-iranischen Bürgern und Bürgerinnen berichtet wird.

Polizei schützte Botschaften, nicht aber kritische Bürger

Beispielsweise waren die Straßen um die Botschaft in Berlin herum mit Polizei gespickt, um die Scheinwahl der Islamischen Republik zu ermöglichen und zu schützen. Dort wurden Proteste in Botschaftsnähe nicht zugelassen, da diese Wähler einschüchtern und von der Wahl abhalten könnten. Eine iranisch-deutsche Akademikerin erzählt uns, dass sie abends während der letzten Stunden der verlängerten Wahl in die Nähe der Botschaft ging, um das rege Wahlgeschehen von der gegenüberliegenden Seite zu beobachten. Sie ist mittlerweile deutsche Staatsbürgerin, arbeitet, wählt und zahlt Steuern in Deutschland. Sie ist vor der iranischen Regierung nach Deutschland geflohen, um in Freiheit und Demokratie zu leben. Ein Wunsch, den viele Iraner hegen. Sobald sie auf der Straße stand, kam ein Polizist auf sie zu und forderte sie auf, die Straße zu verlassen. Sie fragte, wieso sie als friedliche Bürgerin in einfacher Kleidung nicht dort stehen dürfe. Mitarbeitende der Botschaft hätten gesagt, sie stelle eine Bedrohung für potenzielle Wähler dar und würde diese davon abhalten, ihre Stimme abzugeben. Dabei hatte sie mit niemandem gesprochen. Als sie widersprach, rief der Polizist Kollegen hinzu, so dass sie sich von vier Polizisten umringt sah. Sie drohten ihr an, sie gewaltsam von der Straße zu entfernen und forderten, ihren Personalausweis zu sehen. Als sie diesen aushändigte, las der Polizist ihren Namen lauthals vor, so dass das Personal der Botschaft diesen hörte. Allein dieser Akt ist gefährlich: Er identifiziert die junge Frau und macht sie angreifbar durch eine Regierung, die vor nichts – und zwar gar nichts – zurückschreckt. In der Vergangenheit hatte die Deutsche Exil-Iranerin ein Auskunftsverbot beantragt, damit sie nicht identifiziert werden kann. Es ist nicht das erste Mal, dass sie an Mitarbeiter der Islamischen Republik gerät und ins Visier genommen wird.

Eine iranische Journalistin aus Hamburg erzählte uns, dass die Polizei nicht intervenierte, um sie zu schützen, als ein aggressiver Wähler sie überraschenderweise angriff und nach ihrer Kamera griff. Sie appellierte an die anwesende Polizei, dass ihre Aufnahmen legal und aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit notwendig seien. Man entgegnete ihr, dass sie diesen Angriff ausgelöst habe und sie besser die Gegend verlassen solle.

Eine Aktivistin aus Bonn, die eine Demonstration vor dem Konsulat der Islamischen Republik organsiert hatte, erzählte uns, dass auch sie vom Leiter des Konsulats angeschrien wurde, dass sie ihre Videoaufnahmen zu löschen habe. Als die Aktivistin dies ablehnte und auf ihr Recht auf Rede- und Demonstrationsfreiheit bestand, teilte auch die anwesende Polizei ihr mit, dass sie entweder gehen solle oder die Genehmigung für die gesamte Demonstration für den Tag gestrichen würde. Hilflos verließ sie den Ort.

Diese Berichte demonstrieren, anstatt friedliche Bürgerinnen zu beschützen, beschneidet die Polizei ihre Rechte, gefährdet ihr Leben und spielt bereitwillig der Islamischen Republik in die Karten.

Es ist erschreckend, dass deutsche Ordnungsbehörden in solchem Ausmaß die demokratischen Rechte deutscher Staatsbürger beschneiden, insbesondere, wo sie sich in Zeiten des Erstarkens autoritärer und demokratiefeindlicher Bewegungen für eine offene und plurale Gesellschaft einsetzen. Besonders schwerwiegend ist, dass die Behörden ganz offensichtlich und selbst wenn sie darauf hingewiesen werden, die Rechte, aber auch die Sicherheit iranischer Bürger gefährden, um dem Mullah-Regime in Deutschland ungestört seine Aktivitäten zu ermöglichen. Dass Orte wie die Botschaft oder die Konsulate geduldet werden, stellt für sich genommen schon eine massive Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Dass Protest und Journalismus nicht nur behindert werden, sondern die Verfolgung iranischer Oppositioneller durch Regime-Agenten durch die Ordnungskräfte aktiv befördert wird, ist ein Skandal.

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1 Beispiele: das Mykonos-Attentat in Berlin und die Ermordung des Sängers Fereydoun Farrokhzad in Bonn