Der Geburtenrückgang in vielen Industriestaaten seit Mitte der 1950er-Jahre ist unter anderem auf einen Wertewandel zurückzuführen. Menschen entscheiden individueller, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Welche Rolle dabei Persönlichkeitsmerkmale wie Empathie oder Extrovertiertheit spielen, hat Steffen Peters vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung untersucht.
Eine Vielzahl an Faktoren gesellschaftlicher, kultureller und politischer Natur haben Einfluss darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass Menschen Kinder bekommen. Das macht die Forschung dazu, ob und unter welchen Umständen sich Menschen für das Kinderkriegen entscheiden, nicht einfach. Hinzu kommt die Theorie des zweiten demografischen Übergangs. Laut dieser Theorie ist der demografische Wandel, der seit Mitte der 1950er-Jahre in vielen Industriestaaten zu beobachten ist, unter anderem auf einen Wertewandel hin zu postmaterialistischen und individualistischen Werten zurückzuführen. Oder anders gesagt: Dinge wie Selbstverwirklichung, persönliche Freiheiten und Selbsterfüllung tragen zum Geburtenverhalten bei.
Das wiederum hat Folgen: Wenn Menschen individueller entscheiden, ob sie Kinder haben wollen, kann man vermuten, dass auch Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle bei der Entscheidung spielen. Genau diese Hypothese ist der Ausgangspunkt für das Forschungsvorhaben von Steffen Peters vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Für eine Studie, die in der Fachzeitschrift Genus erschienen ist, hat er das sogenannte Five-Factor-Modell genutzt, das sich dazu eignet, die Persönlichkeitsmerkmale Empathie, Gewissenhaftigkeit, Extrovertiertheit, Neurotizismus und Aufgeschlossenheit zu messen. Dieses Modell wendete er auf Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) an, einer der größten repräsentativen Haushaltsbefragungen in Deutschland.
Auswirkungen beim zweiten Kind
Steffen Peters stellte fest, dass es einen leicht positiven Zusammenhang zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal "Empathie" und der Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu bekommen, gibt. Die Merkmale "Gewissenhaftigkeit" und "Neurotizismus" hingegen sind gar nicht mit der Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu bekommen, assoziiert. Die deutlichste Korrelation stellte er aber bei der Extrovertiertheit fest: Bei Männern war dieses Merkmal tendenziell positiv mit der ersten Geburt verbunden, jedoch deutlich negativ mit der Geburt des zweiten Kindes. Entgegen seiner Erwartung konnte der Forscher bei Frauen hingegen überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Extrovertiertheit und der Wahrscheinlichkeit, ein erstes oder zweites Kind zu bekommen, erkennen. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu Ergebnissen anderer Studien, die diesen Zusammenhang sowohl für Männer als auch für Frauen herstellen.
In seinem Beitrag stellt Steffen Peters einige Überlegungen an, die zeigen, wie komplex der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und der Wahrscheinlichkeit, ein erstes oder zweites Kind zu bekommen, sein kann: Da extrovertierte Personen per Definition kontaktfreudig sind, haben sie möglicherweise höhere Chancen, einen potenziellen Partner zu treffen, was wiederum ihre Chancen auf eine Elternschaft verbessern kann. Da die Geburt eines Kindes jedoch das soziale Leben der Eltern stark einschränkt, erleben extrovertierte Eltern möglicherweise den neuen Lebensabschnitt als einen, der nicht mehr ihren persönlichen Vorlieben entspricht. Soziale Aktivitäten mit dem Freundeskreis sind für Eltern eher begrenzt, sie verwenden ihre verfügbare Zeit vor allem für Kinderbetreuung. Diese soziale Isolation kann insbesondere bei extrovertierten Menschen zu Unzufriedenheit führen, die wiederum bewirken kann, dass sie auf ein weiteres Kind verzichten.
Ebenfalls zu berücksichtigen sei die Tatsache, dass es im Verlauf des Lebens zu Persönlichkeitsveränderungen kommen kann, so der Forscher. So könnte zum Beispiel die Geburt eines ersten Kindes einen größeren Einschnitt im Leben bedeuten und demnach mit Veränderungen in den Persönlichkeitsmerkmalen einhergehen, während sich bis zur Geburt des zweiten Kindes schon Routinen im Tagesablauf eingespielt haben und dieses Ereignis weniger massive Auswirkungen auf die Persönlichkeitsmerkmale hat.