Die Pandemie der Psyche

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Lockdown, Isolation, Sorgen um Gesundheit, Beruf und Zukunft: Die Pandemie und die damit verbundenen Lebensbedingungen haben bei vielen Menschen psychische Spuren hinterlassen. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO geht von fast einer Milliarde Menschen mit psychischen Erkrankungen weltweit aus, darunter Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen.

Allein für das erste Pandemiejahr verzeichnet der Bericht eine 25-prozentige Zunahme von Depressionen und Angststörungen. Betroffene mit schweren psychischen Erkrankungen sterben laut WHO zehn bis 20 Jahre früher als die durchschnittliche Bevölkerung. In diesem Zusammenhang weist WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus darauf hin, dass die psychische und die körperliche Gesundheit eng miteinander verknüpft seien. Im Bericht kritisiert er, dass die mentale Gesundheit jahrzehntelang vernachlässigt worden sei, und plädiert für ein Umdenken: "Investitionen in die psychische Gesundheit sind Investitionen in ein besseres Leben und eine bessere Zukunft für alle."

Insbesondere bei der gesundheitlichen Versorgung von marginalisierten Bevölkerungsgruppen liegt hier noch vieles im Argen. Laut WHO haben finanziell schlechter gestellte Menschen in allen Ländern das höchste Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln, und erhalten gleichzeitig am seltensten eine Therapie – zum sozialen Stigma kommt die Erkrankung als weiterer ausgrenzender Faktor hinzu. Von einer lückenlosen Betreuung bei psychischer Beeinträchtigung ist die Welt offenbar noch weit entfernt: Sogar in entwickelten Ländern erhalte lediglich ein Drittel der Personen mit Depression eine fachgerechte Behandlung, heißt es im Bericht.

Deutliche Spuren habe die Pandemie auch in der Psyche von Kindern und jungen Erwachsenen hinterlassen. Laut WHO seien rund 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von einer psychischen Erkrankung betroffen, Suizid sei die vierthäufigste Todesursache bei 15- bis 29-Jährigen.

Studie aus Deutschland offenbart vielfältige Probleme bei Kindern

Ein Schlaglicht auf die psychische und emotionale Situation von Kindern in Deutschland nach zwei Jahren Pandemie wirft nun auch eine Studie der Bergischen Universität Wuppertal. Das Team um den Rehabilitationswissenschaftler Prof. Dr. Christian Huber befragte 1.200 Grundschülerinnen und -schüler, etwa 1.150 Eltern, fast 150 Lehrende und 22 Schulleitungen in Köln und stellten vielfältige Probleme in der emotionalen und sozialen Entwicklung der Kinder fest, etwa Unterrichtsstörungen, Konflikte und hyperaktives Verhalten, aber auch Angst und sozialen Rückzug.

Darüber hinaus stellten die Forschenden auch depressive Symptome fest, so Huber. Außerdem bemerkten Kinder bei sich selbst eine erhöhte Aggressivität – die Forscher schätzen dies als ungewöhnlich ein. Betroffen waren vor allem Schülerinnen und Schüler, die im Verlauf der Pandemie starke Zukunftsängste entwickelt hatten. Hinzu kommen unter den Dritt- und Viertklässlern Defizite im sozialen Lernen, wobei insbesondere die sozial-kognitive Verarbeitung betroffen ist. "Viele Grundschulkinder sitzen somit in einem Zustand in den Klassenzimmern, in dem inhaltliches Lernen nur schwer möglich sein dürfte", resümiert Christian Huber. Umso fataler, dass laut Studie auch 30 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer stark oder sehr stark belastet sind. Bei zehn Prozent sei zu befürchten, dass sie längerfristig ausfallen könnten.

Und nun? Huber und sein Team empfehlen, dass sich Familien, Schulen und Ganztagseinrichtungen vorrangig der Aufarbeitung der Erlebnisse von Kindern während der Pandemie widmen: "Die Aufbereitung dieser Erlebnisse sollte in den Familien, Schule und Ganztag Vorrang vor dem Aufholen des verpassten Lernstoffs haben – sonst werden sich die Verhaltensprobleme auch im kommenden Schuljahr nicht oder nur sehr langsam reduzieren." Dagegen sei das Aufholen von verpasstem Lehrstoff zweitrangig.

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