Die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung begrüßt die Entscheidung des Senats der Universität Leipzig vom 10.09.2019, wonach die barocke Kanzel der alten Universitätskirche nicht in der Aula der Universität aufgehängt werden soll.
Maximilian Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig: "Endlich hat der Spuk ein Ende. Es ist schlimm genug, dass ein Teil des Paulinums zur 'Universitätskirche' geweiht wurde. Mit dem Einbau der Kanzel hätte die Universität ihre weltliche Aula endgültig verloren. Der sakrale Charakter des Gebäudes ist schon jetzt erdrückend. Eine Kanzel steht symbolisch für 'nachbeten' statt 'nachdenken' und hat daher in einem Hort der Wissenschaft nichts zu suchen. Es ist den Universitätsangehörigen nicht zuzumuten, wissenschaftliche Tagungen und Preisverleihungen unter der christlichen Kanzel durchführen zu müssen. Wir sind daher sehr froh, dass der Senat dem jahrelangen Druck durch Landesregierung, Landeskirche und Pauliner-Verein standgehalten hat."
Hervorzuheben ist, dass die Kanzelbefürworter die Anbringung nicht etwa in dem durch eine Glaswand von der Aula abgetrennten Andachtsraum verlangen, sondern in der Aula selbst. Hierzu Steinhaus: "In den letzten Jahren stand nur die Frage im Vordergrund, ob die Kanzel das trockene und schwankende Raumklima vertragen würde. Die Frage der Rechtmäßigkeit wurde leider ignoriert. Statt des Klima-Monitorings hätte man ein Rechtsgutachten einholen sollen, denn sowohl der Freistaat Sachsen als ursprünglicher Bauherr des Paulinums als auch die Universität als jetzige Nutzerin sind laut unserer Verfassung zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet und unterliegen dem Gebot der Trennung von Staat und Kirche. Hiergegen wurde zwar bereits jetzt massiv verstoßen, als mit Hochschulgeldern eine Kirche gebaut und der Andachtsraum zu einer christlichen Kultstätte geweiht wurde. Doch die Anbringung der Kanzel hätte endgültig diesen Verfassungsbruch besiegelt."
Erfreulicherweise wurde gestern während der Diskussion im Senat auch klargestellt, dass "ein einseitig religiöses Symbol nicht zur weltoffenen Universität" passe und die Installation der Kanzel "ein Kniefall vor den christlichen Kräften in der Landesregierung" sei. Kritisiert wurde auch, dass eine Interessengruppe – gemeint ist der Paulinerverein – ständig versuche, in der Angelegenheit der Universität reinzureden und dass es nicht den realen Verhältnissen entspreche, wenn in einer zum Großteil atheistischen Gesellschaft die Kirche ständig fordere, dass man ihr religiöse Symbole aufbaue. Von einem "Mangel an Demut" auf Seiten der Kanzelbefürworter war die Rede.
Aufschlussreich ist auch das Abstimmungsergebnis im Senat: Es gab lediglich eine Enthaltung – alle anderen Senatsmitglieder stimmten gegen die Installation der Kanzel. Hierzu Steinhaus: "Die nahezu einstimmige Senatsentscheidung verdeutlicht noch einmal, dass es im Grunde nur eine kleine, aber laute Lobbygruppe – der Paulinerverein – war, der von Anfang an versuchte, das Hochschulgebäude mehr und mehr in eine Kirche umzudeuten. Die Universität selbst hatte hieran nie ein Interesse."
Vor der Abstimmung hatte sich der Paulinerverein (diesmal unter dem Label Bürgerinitiativkreis "Wort halten") mit einer Handreichung an die Senatsmitglieder gewandt, um sie für die Installation der Kanzel zu gewinnen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der noch amtierende Sächsische Staatsminister der Justiz Sebastian Gemkow sowie der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse. Unterzeichnerin ist pikanterweise auch die frühere Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof Monika Harms. Unter ihrer Vermittlung wurde im Dezember 2008 zwischen den Streitbeteiligten der sogenannte "Harms-Kompromiss" geschlossen. Dieser bekräftigt, dass die Entscheidungskompetenz in allen Fragen rechtlich dem Bauherrn im Einvernehmen mit der Universität zukommt. Hierzu Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig: "Mit ihrer Unterschrift verstößt Monika Harms gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit, der ihr als Juristin wohlbekannt sein müsste. Auch nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens hätte sie nicht Partei ergreifen dürfen, sondern sich neutral verhalten und den Kompromiss achten müssen – und der besagt eben: ohne die Zustimmung der Universität geht es nicht. Im Übrigen ist es geradezu absurd, dass sich ausgerechnet die Pauliner in ihrer Handreichung an die Senatsmitglieder auf den Harms-Kompromiss beziehen. Zum einen haben sie diesen immer abgelehnt, sicher auch, weil sie – zu Recht – nie mit am Verhandlungstisch gesessen haben, und zum anderen verschweigen sie geflissentlich, dass auch nach dem Kompromiss die Universität ihr Einverständnis erklären muss. Den Paulinern geht es einzig um ihre christliche Identitätspolitik."
Daher verwundert es auch nicht, dass die Handreichung mit keinem Wort auf die massive Sichtbehinderung eingeht, die das Anbringen der Kanzel zur Folge hätte. Die Pauliner begrüßen zwar, dass der moderne Uni-Campus "auf sehr vielfältige Weise" genutzt werden kann. Sie ignorieren aber, dass die Kanzel diese Multifunktionalität massiv einschränken würde, da auf bis zu 25 Prozent der Sitzplätze die Sicht auf die Leinwand versperrt bliebe. (Diese Zahl wurde im Rahmen der gestrigen Aussprache im Senat genannt.)
Abschließend fasst Steinhaus zusammen: "Der Senat hat richtig entschieden – aus rechtlichen, finanziellen wie auch technischen Gründen. Wir möchten die Universität ermutigen, den Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität in ihrer Aula wieder mehr zu beachten."
10 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Was hat Kirche mit Bildung zu tun? absolut nichts! Was in Kirchen gelehrt wird sind
ausschließlich erfundene Märchen aus längst vergangener Zeit und entbehren jeglicher
real belegbarer Wahrheit.
Was die Generalbundesanwälten Frau Monika Harms betrifft, so verwundert es mich nicht, dass in Sachen Kindesmissbrauch, trotz Anzeigen, nichts weiter geschieht von Seiten der Justiz.
Der Kathedralen ähnliche Glasbau der Uni Leipzig ist an Scheusslichkeit kaum zu überbieten
( meine subjektive Meinung)
Stefan Dewald am Permanenter Link
Wenn es sich bei den Paulinern um diese Gruppe handeln sollte, dann widerspricht doch dieser Versuch so laut sich in die Öffentlichkeit zu drängeln ihren eigenen Vorstellungen des Ordenslebens: https://de.wikipedia.or
Besucht man deren Website, könnte man zu dem Eindruck gelangen, dass das Jahr 2019 noch nicht begonnen hat: http://paulinerorden.de
Walter Guggemos am Permanenter Link
Meine Hochachtung vor dem Engagement der Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung. Eigentlich sollte es ja eine Selbstverständlichkeit sein, dass in eine weltliche Universität keine Kirchenkanzel gehört.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein Hoch auf Maximilian Steinhaus.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dem kann ich mich nur uneingeschränkt anschliessen.
Therese Dietrich am Permanenter Link
Ich bin ziemlich entsetzt über diesen Beitrag . Wenn Sie sich doch bitte einmal mit ähnlicher Wucht den rechten PEGIDA- Leuten entgegenstellen würden .
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
"Als Mahnung vor Machtmissbrauch eines diktatorischen Regimes".
Hallo, die Kirchen haben 1933-1945 alles getan um das verbrecherische System von Adolf Hitler zu unterstützen, das ist bewiesene Geschichte, die paar harmlosen Spinner von PEGIDA sind im Vergleich zu den Abermillionen Toten der NS Zeit lächerlich.
Darüber sollten Sie entsetzt sein werte Frau Dietrich.
Was den Senat betrifft, so hat er endlich einmal Mut bewiesen und nicht dem Drängen der Kirchen nachgegeben, wie so viele Kirchenhörige Politiker, welche diese seit 100 Jahren zu Unrecht von unseren Steuergeldern fürstlich belohnen.
Gerne kann ich ihnen noch mehr Fakten liefern über die Machenschaften der Kirchen, aber diese können Sie auch selbst recherchieren, wenn Sie nur wollen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Welche "historische Chance"?
Die Chance, die Zeit zurückzudrehen und wieder ins christlich-judenfeindliche Abendland zurückzukehren? Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass dieser Zug glücklicherweise abgefahren ist? Die Bevölkerung säkularisiert sich zusehends, unaufhaltsam - ohne Anweisung "von oben". In zwei bis drei Jahren stellen alle konfessionellen Christen zusammengenommen die Minderheit in Deutschland. Nur noch ca. 12 % glauben an den Spuk aus dem Weltraum.
Warum sollte ausgerechnet eine Universität, die ein Symbol für die Zukunft ist - weltoffen, neugierig, wissbegierig -, ein rückwärtsgewandtes, religiöses Monstrum in sich bergen? Ein Monstrum, das das Christentum repräsentiert, welches sich nie als weltoffen, neugierig und wissbegierig präsentierte. Eher das Gegenteil.
Was haben Verfechter dieses altmodischen Konstrukts davon, dies immer weiter tradieren zu wollen? Können sie nicht einfach loslassen und sich den realen Menschen zuwenden, die mit Spuk und Hokuspokus, mit Gruselfixen und aberwitzigen Wundergeschichten nichts mehr zu tun haben wollen? Was ist so schwer daran, im Hier und Heute zu leben?
Und was hat das alles mit PEGIDA zu tun? Gegen rechte Krakeeler und Ideologen wird beim hpd wahrlich oft genug geschrieben. Ich vermag sowieso keine so großen Differenzen zwischen PEGIDA (das "IDA" steht für "Islamisierung des Abendlands") und dem originalen Christentum (das bis vor wenigen Jahrzehnten noch entschieden gegen die Islamisierung des Abendlands eingetreten ist, s. z. B. viele Schriften von Martin Luther etc.) erkennen.
Ein Tipp: Ein bisschen mehr auf die Zeichen der Zeit achten, dann klappt das schon...
Roman Ummerlée am Permanenter Link
Wenn die Kanzlei ein Denkmal ist, gehört sie doch eher in ein Museum (bspw. zur Stadtgeschichte), als in eine Uni-Aula
Markus Fischer am Permanenter Link
Werte Autorin, Sie irren hier leider. Die Unikirche war auch schon vor Ihrer Sprengung ein weltlicher Ort. Gerade die Kanzel stand hier an diesem Ort für Freiheit und Demokratie in einer kommunistischen Diktatur.