Der Ludwig Feuerbach Schülerpreis 2021 des Bundes für Geistesfreiheit Bayern geht in diesem Jahr an Leonie Schwanecke von der Staatlichen Realschule Trostberg für ihre Arbeit "Die Kantsche Moralphilosopie". Der Preis ist mit 500 Euro dotiert.
Der Philosoph Ludwig Feuerbach (1804 – 1872) fordert uns noch heute zum logischen und kritischen Denken bezüglich unserer religiösen und weltanschaulichen Vorstellungen auf. Provokant ist insbesondere seine Erkenntnis, dass der monotheistische Gott ein vom Menschen selbst entworfenes Wesen ist. Der Mensch benötigt dies als Projektion seiner eigenen Nöte, Ideale und für seine Suche nach Glück. In der aufgeklärten Welt kann er dieses Stadium jedoch überwinden.
Der Bund für Geistesfreiheit (BfG) hat die Thesen Feuerbachs aufgenommen und versucht diese weiterzuentwickeln. Der Ludwig Feuerbach Schülerpreis für den Ethikunterricht mit dem Motto "Selber denken macht schlau", bayernweit an den Schulen ausgeschrieben, ermuntert Schülerinnen und Schüler, sich mit den Thesen Feuerbachs auseinanderzusetzen und sie in einer eigenständigen Arbeit in einem selbst gewählten Thema fortzuentwickeln.
Viele eingesandte Arbeiten zeugen von einem sehr guten Urteilsvermögen und vom selbstständigen Denken der Schülerinnen und Schüler. Dies bekräftigte den Bund für Geistesfreiheit in seinem Bestreben, Ethikunterricht auf den Stundenplänen deutscher Schulen als Regelunterricht einzuführen.
Der 1. Platz beim Ludwig Feuerbach Schülerpreis mit 500 Euro wurde einstimmig vergeben an Leonie Schwanecke von der Staatlichen Realschule Trostberg für ihre Arbeit "Die Kantsche Moralphilosopie".
Realschuldirektorin Frau Silke Wimmer begrüßt den Vorsitzenden Herrn Erwin Schmid vom Bund für Geistesfreiheit herzlich an ihrer Realschule in Trostberg.
Erwin Schmid bedankt sich bei ihr für ihre Gastfreundschaft und bei dem Ethiklehrer Herrn Thomas Schmidt für seinen kompetenten Ethikunterricht. Besonders freut ihn, dass die Ethikklasse und auch die Eltern der Preisträgerin an der Preisverleihung im Freien teilnehmen können.
Der Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit lobt in seiner Laudatio diese umfassende Arbeit, der es gelingt, die Komplexität der Arbeiten von Kant so darzustellen, dass mann/frau sie versteht.
Kant beschäftigt sich mit den Menschen. Er unterstützt leidenschaftlich die französische Revolution und beeinflusst die internationale Friedensordnung sowie die Menschenrechte. Kant prägt mit seinen revolutionären Gedanken zur Philosophie die Aufklärung nachhaltig. Kant hat im Rahmen seiner Vernunftlehre Moral keinen Gott, sondern menschliche Freiheit vorausgesetzt.
Leonie Schwanecke stellt aber auch die Schwächen von Kant da: Wie sein negatives Frauenbild, die Weiblichkeit als unkontrollierte Emotionalität und seine Rassentheorie, da er an eine mentale Überlegenheit der weißen, europäischen Menschen glaubte.
Kants Aufforderung: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. 'Sapere aude! Habe Mut die deines eigenen Verstandes zu bedienen' ist also der Wahlspruch der Aufklärung."
Kants Aufforderung ist auch heute noch eine elementar wichtige Aufforderung an uns alle und ein edles Ziel der schulischen Bildung und die zentrale Weltanschauung des Bundes für Geistesfreiheit:
Habe Mut, dich deinen eigenen Verstandes – ohne irgendwelche Dogmen und heilige Bücher – ohne Leitung eines anderen – zu bedienen!
Kant rückt wie auch später Ludwig Feuerbach den Menschen in den Mittelpunkt. Was ist der Mensch? Was kann ich wissen? Was kann ich hoffen? Was soll ich tun?
Für Kant wäre die Frage der Religionen wohl eher eine Frage der Bedürftigkeit, ähnlich Ludwig Feuerbach "Der Mensch schuf sich Gott nach seinem Bilde" für seine Bedürfnisse.
Leonie Schwanecke zieht ein nüchternes Fazit über bestehende Schwierigkeiten wie die Gewichtung einzelner Maximen und der Einbindung der "Intelligenz menschlicher Gefühle".
Am Schluss reflektiert Leonie Schwanecke ihre eigene Lernerfahrung, ihre neuen Perspektiven, auch durch andere Philosoph*innen und Wissenschaftler*innen. Sie wendet schon Kants Denkmuster erfolgreich auf ihre eigene Entscheidungsfrage an, ob sie sich adoptieren lassen möchte.
Ihre Arbeit ist also ein hervorragendes konstruktives Beispiel über die positive Wirkung der Aufklärung. Gratulation!
Der mit 300 Euro dotierte 2. Platz des Ludwig Feuerbach Schülerpreises geht einstimmig an Johanna Hoffmann vom Feodor-Lynen-Gymnasium Planegg für ihre Arbeit: "Religion: Hoffnungsträger oder 'Opium des Volkes'? – eine kritische Auseinandersetzung".
Sie interpretiert den Begriff "Religion ist das Opium des Volkes" ganz im Sinne von Marx. Es ist eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema und sie vertritt eine eigene Meinung.
Eine umfassende, differenzierte Betrachtung, in die sie ihre eigenen Wertungen einbringt.
Die Arbeit zeichnet sich aus meiner Sicht durch drei in sich schlüssige Argumentationslinien aus:
1. Religion oder der Glaube an etwas Überirdisches wird als Heilssehnsucht beschrieben, die für die Menschen wichtig ist, weil sie sich davon versprechen, dass Hoffnungen erfüllt werden können. Dort aber, wo diese Religion durch die Mächtigen zum Instrument der Unterdrückung umfunktioniert wird, verliert sie ihre Wirkung als Heilsbringer und wird zum "Opium des Volkes".
2. Sie kann daher nur zur Symptombehandlung vermeintlicher oder tatsächlicher Leiden verwendet werden. Die Ursachen wie Ausbeutung, Unterdrückung kann sie nicht beseitigen. Oder, um es mit Kant zu sagen: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."
3. Der Kreis der Argumentation schließt sich. Ganz im Sinne von Ludwig Feuerbach stellt Johanna Hoffmann fest: "Generell stellt sich die Frage, ob die Religion als ein von Menschen erschaffenes Konstrukt sich nicht eher an ihren Schöpfer, den Menschen selbst, orientieren sollte." Oder, um es mit Ludwig Feuerbach zu sagen: "Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde."
Schließlich bleibt die Arbeit nicht im philosophischen Bereich. Die Vorteile eines säkularen Staatswesens werden sowohl in Bezug auf Deutschland als auch weltweit als sinnvolle Perspektive und/oder als erstrebenswerte Utopie begründet.
Erneut wurde aufgrund der hohen Qualität der eingereichten Arbeiten von der Ausschreibung abgewichen und der 3. Platz, dotiert mit je 200 Euro, gleich zweimal vergeben.
Die Preisträger sind in alphabetischer Reihenfolge:
Marlene Baumann vom Hans-Leinberger-Gymnasium in Landshut mit ihrem Thema: "Der Weg zum (Un)Glück: Eine Religionskritik".
Ausgehend von einem Dekret des II. Vatikanischen Konzils "Was ist der Weg zum wahren Glück" entwickelt Marlene Baumann ihre Thesen, dass Glück und Religion, hier im speziellen Fall dem Christentum, einen antagonistischen Widerspruch darstellen. So sind die Glücksvorstellungen im Christentum eng verbunden mit der Erlösungstheorie durch den Tod von Jesus am Kreuz.
Das Christentum erwartet Gehorsam gegenüber Gott; umgekehrt muss davon ausgegangen werden, dass eine Missachtung dieses Gehorsams eine Sünde ist und zu bestrafen. Dort wo Glück nicht im diesseitigen Leben erreicht werden kann, muss man es auf das Jenseits verschieben.
Diese Tatsache beschränkt sich aber nicht nur auf den spirituellen Bereich. Religion ist politisch. Sie greift in alle Lebensbereiche ein und will Maßstäbe setzen.
Am Beispiel des Umgangs der katholischen Kirche mit der Sexualität der Menschen wird das verdeutlicht. So ist Homosexualität auch heute noch eine Form von menschlichem Selbstbestimmungsrecht, das so von der Kirche nicht akzeptiert ist. Wer aber selbstgewählte Formen des menschlichen Miteinanders ablehnt, nimmt billigend in Kauf, dass betroffene Menschen psychischen Schaden nehmen können. Damit verweigert die Kirche dieser Gruppe den Zugang zum Glück.
Die viel gepriesene "Nächstenliebe" erweist sich damit als eine Geisteshaltung, die sich nur auf Christen bezieht.
Besser ist eine Selbstverwirklichung im Sinne von Ludwig Feuerbach oder Immanuel Kant. "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."
Ebenfalls den 3. Platz, dotiert mit 200 Euro, erhielt Julian Karlbauer vom Ludwigsgymnasium München für sein Thema: "Die Rechtfertigung des Falklandkrieges in Großbritannien".
Die eingereichte Seminararbeit ist die textlich umfangreichste und die Arbeit mit dem meisten Quellenstudium.
Er überprüft die Rechtfertigung der britischen Regierung, der Kriegsdarstellung in ausgewählten Medien und die Haltung der Opposition zum Falklandkrieg 1982.
Er stellt sechs Gründe auf, die kumulativ erfüllt sein müssen, um bewerten zu können, ob es sich um einen zu gerechtfertigten Krieg handelt.
Die historische Entwicklung hin zum Krieg um die Falklandinseln zwischen Argentinien und Großbritannien wird gut dargestellt. Beide Regierungen benutzen die Auseinandersetzung, um von inneren Problemen im Land abzulenken und konstruieren den ausländischen Feind als Projektionsfläche für Nationalismus und gewünschter internationaler Bedeutung.
Um die jeweilige Bevölkerung zur Zustimmung zum Krieg zu bewegen, bedarf es einer nuancenreichen Propagandapolitik. Dazu gehört, dass man den Gegner möglichts schlecht darstellt. Das demokratische Großbritannien kämpft gegen die Militärdiktatur in Argentinien. Die demokratischen Freiheiten der 1.800 britischen Falklandbewohner müssen militärisch verteidigt werden. Dies wird am Beispiel der Rolle der verschiedenen Medien und des Verhaltens von Premierministerin Margaret Thatcher sehr gut herausgearbeitet.
Ein weiteres Merkmal für die Bewertung der Kriegsführung ist schließlich der ökonomische Aspekt. Dabei werden nicht nur die unmittelbaren Kosten des Kriegseinsatzes bewertet, sondern auch eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung betrachtet.
In dem Krieg um die Falklandinseln mit ca. 3.000 Einwohnern werden 625 argentinische und 255 britische Soldaten getötet.
Das Fazit der Arbeit: "Der Patriotismus ist in Großbritannien auf dem Vormarsch" ist eine Feststellung, die auch für viele kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Welt zutrifft. Sie sind kontraproduktiv, wenn es darum geht, zu einem friedlichen Zusammenleben im Sinne der Charta der Vereinten Nationen zu kommen.