Frankreich: Gesetz soll Jungfräulichkeitstests verbieten

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In manchen Kulturen wird das Laken nach der "ersten Nacht" auf Bluttropfen untersucht, um "sicherzustellen", dass die Braut jungfräulich war.
In manchen Kulturen wird das Laken nach der "ersten Nacht" auf Bluttropfen untersucht

In diesem Herbst soll dem französischen Ministerrat eine Gesetzesvorlage gegen religiösen Separatismus zur Abstimmung vorgelegt werden. Das Gesetz soll den laizistischen Staat, wie auch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen stärken. Konkret soll es mehr Handhabe geben, um religiöse Einrichtungen und Webseiten zu schließen, aber auch frauenverachtende Jungfräulichkeitszertifikate verbieten. Obwohl viele Menschen eine Spaltung der Gesellschaft durch die Etablierung des Gesetzes fürchten, findet es laut einer Umfrage breite Zustimmung.

Zu Beginn des Jahres 2020 hatte der französische Präsident Emmanuel Macron angekündigt, gegen einen "islamistischen Separatismus", jedoch nicht gegen den Islam vorgehen zu wollen. Stadtviertel, in denen das religiös motivierte Gesetz der Scharia höher gewertet würde, als die staatliche Gesetzgebung, religiöse Gruppen eigene Regeln für das Zusammenleben der Menschen festlegten, sollten einen anderen Weg einschlagen. Um Hasspredigten in Moscheen auszuschließen, sollten ausländische Imame ab 2024 nicht mehr nach Frankreich geholt werden dürfen.

Nachdem die Covid-19-Pandemie Macrons Pläne ausgebremst hatte, stellten Innenminister Gérald Darmanin und die beigeordnete Ministerin für Staatsbürgerschaft, Marlène Schiappa, im vergangenen Monat nun den Gesetzesentwurf vor.

So soll es einfacher werden, Kultstätten und Webseiten zu schließen, sollten sie sich nicht mit den Werten der französischen Republik vereinbaren lassen. Schiappa verspricht sich von dem Gesetz ein Werkzeug gegen muslimische Räte, die republikfeindliche islamische Organisationen finanzierten. Daneben soll die Einhaltung des Polygamie-Verbotes stärker kontrolliert und die Strafen bei Nichtbeachtung erhöht werden. Auch die Ausstellung von Jungfräulichkeitszertifikaten durch medizinisches Personal und Hebammen soll verboten werden.

Zwar ist es selten geworden, dennoch werden solche Zertifikate vor Eheschließungen, besonders im Ausland, aber auch von konservativen Vätern eingefordert, um die Jungfräulichkeit der Braut oder Tochter zu belegen. Obwohl nicht möglich, soll eine Untersuchung des Hymens Aufschluss darüber geben, ob bereits Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Diese Untersuchung wird nicht nur von Menschenrechtsorganisationen als zutiefst frauenverachtend abgelehnt. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert ein Ende der Tests.

Mediziner*innen sehen im Gesetzesentwurf einerseits eine Erleichterung für ihren Arbeitsalltag, indem sie eingeforderte Untersuchungen und die Ausstellung von Zertifikaten mit Hinweis auf das Verbot ablehnen können, warnen aber auch vor Problemen. Diese könnten darin bestehen, dass Bräute oder Frauen, die unter dem Druck stehen, eine Jungfräulichkeit belegen zu müssen, der Willkür selbst ernannter Prüfer und Prüferinnen ausgesetzt sind. Zudem sei es Ärzt*innen bisher möglich gewesen, verzweifelten Frauen ein Jungfräulichkeitszertifikat auszustellen, obwohl diese bereits Geschlechtsverkehr hatten, dafür aber womöglich mit Gewalt oder gar Tod bedroht würden.

Die Präsentation des Gesetzesentwurfs folgte kurz nach Beginn des Prozesses gegen die Attentäter auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo, welchen Präsident Macron zum Anlass nahm, das Recht auf Blasphemie zu verteidigen.

Der Gesetzesentwurf erfreut allerdings nicht nur religionskritische Menschen, denen der Schock über den Angriff auf die Redaktion der Zeitschrift noch tief sitzt, sondern auch rechte Wähler*innen und einen großen Teil der französischen Bevölkerung. So begrüßen laut einer Umfrage des Odoxa-Dentsu Consulting-Instituts im Auftrag von Le Figaro und France Info 76 Prozent der befragten Personen den Gesetzesentwurf; wobei 48 Prozent der Befragten eine weitere Spaltung der Gesellschaft durch Einführung des Gesetzes fürchten und 54 Prozent nicht daran glauben, dass die Exekutive die Gesetzesmaßnahmen auch durchsetzt.

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