Malaysia kippt Scharia-Gesetze

kotakinabalu_sabah_citymosque-08.jpg

Moschee in Kota Kinabalu (Malaysia)
Moschee in Malaysia

In Malaysia hat das Oberste Gericht 16 Gesetze im Bundesstaat Kelantan gekippt, weil sie auf dem islamischen Rechtssystem Scharia basieren. Zur Begründung erklärten die Richter, dass die Gesetze nicht vereinbar mit dem Rechtssystem des Landes seien.

Das Parlament des Bundesstaates habe nicht das Recht, Gesetze zu erlassen, die unter die Verantwortung des malaysischen Parlaments fallen, erklärte Richterin Tengku Maimun Tuan Mat, die Vorsitzende des Gerichts. Nach Einschätzung von Beobachtern ist der Schritt potenziell wegweisend für andere Bundesstaaten des Landes.

Mit dem Urteil entschied das Oberste Gericht über die Verfassungsklage einer Anwältin und ihrer Tochter, die beide im Bundesstaat Kelantan, im Norden Malaysias, leben. Die Entscheidung fiel mit acht von neun Stimmen. Die Gesetze waren 2021 von der islamistischen Partei PAS (Parti Islam Se-Malaysia) erlassen worden, die in Kelantan an der Regierung ist. Sie sahen unter anderem drakonische Strafen für Sodomie, Inzest und die Entweihung von Gebetsstätten vor, außerdem für homosexuelle Praktiken und das Tragen von nicht geschlechtsspezifischer Kleidung.

Rund zwei Drittel der Bevölkerung Malaysias gehören dem muslimischen Glauben an. Das Rechtssystem des Landes zeichnet sich durch eine Zweiteilung aus: Für Muslime gilt ein islamisches Straf- und Familienrecht, wobei die konkreten Vorschriften jeweils von den Parlamenten der Bundesstaaten verabschiedet werden. Zudem gibt es säkulare Gesetze, die das malaysische Parlament erlässt.

Obgleich die Richter betonten, dass ihr Urteil weder den Islam noch die Scharia als Regelwerk infrage stelle, reagierten konservative Muslime mit Entsetzen. Am Tag der Entscheidung hatten sich trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen rund tausend Gegendemonstranten vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Der Minister für religiöse Angelegenheiten, Mohd Na'im Mokhtar, kündigte in einer Erklärung an, dass die islamischen Behörden der Regierung umgehend Schritte zur Stärkung der Scharia-Gerichte ergreifen würden. Zudem betonte er, dass die islamische Justiz weiterhin durch die malaysische Bundesverfassung geschützt sei.

Nach Einschätzung des Rechtsprofessors Nik Ahmad Kamal Nik Mahmod von der malaysischen Taylor's University könne die Entscheidung möglicherweise einen "Dominoeffekt" auslösen, wenn in anderen Bundesstaaten die Scharia-Gesetze in ähnlicher Weise angefochten werden. Er regte an, die malaysische Verfassung zu ändern, um künftige Konflikte zwischen Scharia und Zivilrecht zu vermeiden.

Der konservative Islam und mit ihm die Partei PAS haben in den letzten Jahren an Einfluss auf die Bevölkerung gewonnen. Für den Premierminister Anwar Ibrahim und seine multiethnische Regierungskoalition stellt dies eine enorme Herausforderung dar. Die PAS hat als größte Oppositionspartei mehr Sitze im Parlament als jede andere Fraktion.

Unterstützen Sie uns bei Steady!