Kommentar

Warum ein Verbot von Koranverbrennungen falsch ist

Aufgrund öffentlicher Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark kam es in jüngster Zeit zu gewalttätigen Protesten in der muslimischen Welt und einer erhöhten Bedrohungslage in den jeweiligen Ländern. Die dänische Regierung will deshalb nun die "unangemessene Behandlung" religiöser Symbole per Gesetz verbieten. Ein hochproblematischer Schritt mit unabsehbaren Folgen, kommentiert hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg.

Vorweg: Das Verbrennen von Büchern aller Art ist geschmacklos. Auch, weil es an düstere Zeit der Geschichte erinnert. Vernünftige Menschen übergeben Schriften, deren Inhalt sie problematisch finden, deshalb üblicherweise nicht dem Feuer, sondern setzen sich inhaltlich mit ihnen auseinander. Das Verbrennen von Büchern – oder genauer: das Verbrennen einer ganz bestimmten Art von Büchern, nämlich sogenannter "Heiliger Bücher" – deshalb unter Strafe zu stellen, ist jedoch nicht der richtige Weg. Vor allem, weil er jenen Recht gibt, die auf das Verbrennen der Bücher mit Gewalt reagieren. Man gibt dem bockigen Kind nach, statt ihm die Grenzen des Rechtsstaats aufzuzeigen.

Das Gesetz, das die dänische Regierung nun vorgelegt hat, geht jedoch weit über das Verbot des Verbrennens von "Heiligen Büchern" hinaus. Es sieht ein Verbot der "unangemessenen Behandlung von Gegenständen von erheblicher religiöser Bedeutung für eine Religionsgemeinschaft" vor. Laut dem dänischen Justizminister Peter Hummelgaard seien Koranverbrennungen ein "grundsätzlich verächtlicher und unfreundlicher Akt", der Dänemark und seinen Interessen schade. "Wir können nicht weiterhin tatenlos zusehen, wie manche Menschen alles tun, um gewalttätige Reaktionen hervorzurufen", erklärte der Justizminister laut tagesschau.de.

Man hat sich also entschlossen, diejenigen als Störenfriede zu betrachten, die "religiöse Symbole unangemessen behandeln", und nicht diejenigen, die mit Gewalt auf diese Behandlung reagieren, weil sie sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt sehen. Und wieder mal stellt sich die Frage, wieso die Religion mit einer solchen Sonderregelung bedacht werden soll, die rechtsstaatliche Grundsätze auf den Kopf stellt. Es gibt in jeder Gesellschaft Dinge, die Menschen stören. In liberalen Staaten dürfen sie ihren Unmut darüber frei und auch öffentlich äußern, solange sie dies gewaltfrei tun, keine Menschen angreifen und kein fremdes Eigentum beschädigen. Bestraft wird hingegen – üblicherweise – derjenige, der diesen Menschen mit Gewalt droht, weil sie ihren Unmut äußern.

Wer also auf die Straße geht und gegen Autos, Ölheizungen oder Fleischverzehr demonstriert, weil all das der Umwelt schadet, darf dies tun, auch wenn er mit den dargebotenen Tofu-Würstchen zum Probieren vielleicht die kulinarischen Gefühle von Fleisch-Fans verletzt. Wenn Letztere allerdings gegen die Demonstranten gewalttätig werden oder dem Land mit Anschlägen drohen, weil es solche Anti-Fleisch-Demonstrationen überhaupt zulässt, ist es Aufgabe des Staates, sein Gewaltmonopol gegenüber denjenigen auszuüben, die angreifen und drohen und nicht gegenüber den Demonstranten mit den Tofu-Würstchen – auch wenn das Tofu-Würstchen-Angebot der Auslöser für die gewalttätigen Reaktionen war.

Die radikalen Religiösen werden die neue dänische Gesetzgebung mit Sicherheit als Erfolg verbuchen. So wird man sie aber nicht los. Im Gegenteil: So züchtet man sich radikale Religiöse geradezu heran.

Das geplante Verbot in Dänemark stellt dieses Prinzip auf den Kopf. Und nicht nur das. Schließlich ist es erklärtes Ziel der Gesetzgebung, dass eine "unangemessene Behandlung von Gegenständen von erheblicher religiöser Bedeutung für eine Religionsgemeinschaft" unterbunden werden soll, damit durch das Hervorrufen gewalttätiger Reaktionen den Interessen Dänemarks nicht geschadet wird. Dies jedoch öffnet einer extrem weiten Auslegung des Gesetzes Tür und Tor.

Was wird zukünftig mit religionskritischen Karikaturen geschehen? Da das Gesetz darauf zielt, die Meinungsfreiheit einzuschränken, wird es sicherlich auch auf die Kunstfreiheit Anwendung finden. Könnten bei Inkrafttreten des Verbots noch Mohammed-Karikaturen wie jene des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard entstehen, die weltweit zu mehreren Mordanschlägen führten und massive diplomatische Konflikte mit muslimischen Ländern auslösten? Westergaard musste übrigens unter Polizeischutz leben, obwohl er nie einen Koran verbrannt hatte.

Was ist mit religionskritischen Texten oder Büchern wie Salman Rushdies "Satanischen Versen", durch die sich radikale und radikalisierte Muslime zu allerhand Gewalttaten genötigt sahen und sehen? Auch Rushdie, selbst inzwischen Opfer eines Angriffs durch einen radikalen Muslim, hat nie einen Koran verbrannt. Seine "Satanischen Verse" hingegen wurden mehrfach verbrannt. In Dänemark dürfte man das Buch auch nach dem neuen Gesetz weiter abfackeln, denn das Verbrenner-Aus gilt ja nur für "Heilige Bücher".

Die radikalen Religiösen werden die neue dänische Gesetzgebung mit Sicherheit als Erfolg verbuchen. So wird man sie aber nicht los. Im Gegenteil: So züchtet man sich radikale Religiöse geradezu heran.

Da das Gesetz für die Symbole aller Religionen gilt, findet es natürlich nicht nur Anwendung auf religiöse Symbole der Muslime, deren religiöse Gefühle bekanntlich besonders leicht zu verletzen sind. Nein, auch zum Beispiel Mini-Gruppierungen fundamentalistischer Christen können sich darauf berufen – und das, obwohl in Dänemark wie in allen anderen europäischen Ländern der Anteil der Christen an der Bevölkerung immer weiter sinkt. Kurzum: Was Dänemark da plant, ist nichts weiter als eine verschärfte Blasphemie-Gesetzgebung, die in zunehmend säkularen Zeiten nun wirklich keinen Platz mehr haben sollte.

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