Zwei Ärzte wurden gestern vom Bundesgerichtshof (BGH) freigesprochen, die leidende Menschen beim freiverantwortlichen Sterben unterstützt hatten. Nachdem beide in Vorinstanzen bereits freigesprochen worden waren, hatten dort die Staatsanwälte Revision eingelegt. Auch wenn es auf den ersten Blick willkürlich erschien, darf angenommen werden, dass sie auf ein höchstrichterliches Urteil gehofft hatten, das für mehr Rechtssicherheit sorgen würde. So sahen es auch die Angeklagten und wurden in dieser Annahme bestätigt.
Der 5. Strafsenat des BGH hat die Revisionen der Hamburger und Berliner Staatsanwaltschaften verworfen und damit die beiden vorinstanzlichen Freisprüche bestätigt.
Trotz dieser Freisprüche bestand Unsicherheit, ob Ärzte Menschen retten müssen, wenn diese das Bewusstsein verloren haben, obwohl sie wissen, dass diese nachvollziehbar für sich den Tod wünschen und selbstständig den Sterbeprozess eingeleitet haben. Dieser Zweifel ist zurückzuführen auf ein Urteil von 1984, wo dem behandelnden Arzt eine besondere Rechtspflicht zur Bewahrung des Lebens des Suizidenten vorgehalten wurde – er hat, so die Juristensprache, seiner "Garantenstellung" zu genügen.
Dem entgegen steht inzwischen das sogenannte Patientenverfügungsgesetz von 2009, in dem einem freiverantwortlich handelnden Volljährigen das Recht zugebilligt wird, unabhängig von "Art und Stadium einer Erkrankung" Behandlungen abzulehnen, auch wenn dies dann zum Tode führt.
In der Urteilsbegründung dieser höchstinstanzlichen Freisprüche heißt es: "In beiden Fällen haben die Landgerichte rechtsfehlerfrei keine die Eigenverantwortlichkeit der Suizidentinnen einschränkenden Umstände festgestellt."
Unabhängig davon ist die durch § 323c StGB begründete Hilfspflicht in Unglücksfällen für Jedermann. Ein freiverantwortlicher, wohlüberlegter, angekündigter Freitod ist jedoch für die Eingeweihten kein Unglücksfall. Im Gegenteil werden diese dann zu Garanten des Erfolgs des Suizids.
In den verhandelten Fällen waren beide Ärzte nach Eintritt der Bewusstlosigkeit nicht zur Rettung der Leben verpflichtet. "Da die Suizide, wie die Angeklagten wussten, sich jeweils als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der sterbewilligen Frauen darstellten, waren Rettungsmaßnahmen entgegen deren Willen nicht geboten", schreibt das Gericht in seiner Pressemitteilung, denn die Sterbewünsche der Frauen beruhten "auf einer im Laufe der Zeit entwickelten, bilanzierenden 'Lebensmüdigkeit' und waren nicht Ergebnis psychischer Störungen."
Es ist zu hoffen, dass dieses Urteil zu einer größeren Rechtssicherheit bei Ärzten und Nahestehenden führt. Wenn das Bundesverfassungsgericht dann noch den § 217 StGB als verfassungswidrig einstuft, ist hoffentlich der Weg frei für eine geregelte Suizidberatung und -begleitung, wie es sie im US-Bundesstaat Oregon und in der Schweiz seit Jahren gibt.
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Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Den Weg der Vernunft in Richtung Selbstbestimmung und Verfassungsauftrag sowie Grundgesetzkonformität haben diese Richter damit eingeleitet.
Weiter so.