Gefahr durch Gurus

Viele Gurus, Sektengründer und Propheten driften im Lauf ihrer Karriere in gefährliche Parallelwelten ab. Das kann zu einer Gefahr für ihre Anhänger werden.

Das Leben von Sektengründern, Gurus oder selbsternannten Propheten ist zweifellos abwechslungsreich und spannend. Der Aufbau von radikalen Gemeinschaften und die Missionsarbeit ist ein Kraftakt. Er verleiht aber auch Flügel: Im Gefühl zu leben, als einzige Person im Besitz der seligmachenden spirituellen oder religiösen Wahrheit zu sein, gibt dem Ego einen tüchtigen Schub.

Es stellt sich allerdings die Frage: was passiert mit der Psyche solcher Personen, die sich als Gesandter Gottes oder als Medium betrachten, das im esoterischen Sinn angeblich authentische Botschaften von den höheren geistigen Hierarchien, also göttlichen Instanzen, empfangen kann? Betrachtet man die vermeintlich seligmachenden Heilsbotschaften dieser "Eliten", beschleichen einen unweigerlich Zweifel an deren geistiger oder psychischer Balance.

Da wäre zum Beispiel Ron Hubbard, der Gründer von Scientology, einer der bekanntesten Sekten. Er versprach seinen Anhängern Kurserfolge, die sie gewissermaßen zu Genies machen würden. Inbegriffen ist die Unsterblichkeit. So unterschreiben Mitglieder der Eliteeinheit "Sea Org" Arbeitsverträge über eine Milliarde Jahre.

Hubbard dazu: "Die einzige winzige Chance, die dieser Planet hat, lastet auf ein paar schmalen Schultern, überarbeitet, unterbezahlt und bekämpft – die Scientologen." Die Mitglieder können auch einen Scientology-Pass erwerben. Dieser sei gültig, solange das Universum existiere, versprach Hubbard.

Man kann ihn zwar für nichts gebrauchen, doch er dient der Indoktrination: Das "Dokument" soll das Gefühl vermitteln, ewig zu leben und ewig der Eliteeinheit anzugehören.

Niemand besucht den Himmel ungestraft, denn die Fallhöhe ist beträchtlich

Göttliche oder zumindest übermenschliche Fähigkeiten entwickelte auch der indische Guru Sri Chinmoy, der seiner Meditation wahre Wunder zuschrieb. Nur ein Beispiel: Er behauptete, dank seiner spirituellen Energie 3.500 Kilogramm einarmig stemmen zu können. Knochen würden unter diesem Gewicht zersplittern.

Noch eindrücklicher waren die angeblichen spirituellen Kräfte von Sai Baba. Der Inder mit dem krausen Haar erklärte mit heiligem Ernst, er könne ganze Städte materialisieren, also aus dem Ärmel zaubern. Wenn er denn wollte.

Doch für die Befriedigung seiner sexuellen Begierden reichte die feinstoffliche Kraft nicht aus, dazu benötigte er grobstoffliche Anhängerinnen. Manche von ihnen beklagten sich anschließend, von Sai Baba sexuell missbraucht worden zu sein.

Da stellt sich die Frage: Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Haben die Gurus ihre Sekten gegründet, weil sie psychisch unausgeglichen waren, oder verloren sie die Bodenhaftung, weil sie sich geistig im Jenseits eingenistet haben? Wahrscheinlich weisen die weltweit Tausenden von angeblichen Heilsbringern alle Schattierungen auf.

Einen beträchtlichen Anteil an der ungünstigen Persönlichkeitsentwicklung dürften aber die geistigen Höhenflüge ausmachen. Denn wer sich so radikal von der Menschheit absetzt und sich mit göttlichen Attributen schmückt, malträtiert sein Bewusstsein. Niemand besucht den Himmel ungestraft, denn die Fallhöhe ist beträchtlich.

Nehmen wir weiter Jo di Mambro, den Guru der Sonnentempler. Er betrachtete seinen Sohn als göttliches Wesen, dem sich die Sektenanhänger nicht nähern durften, um seine himmlische Aura nicht zu verunreinigen. Der kleine di Mambro bezahlte die Wahnvorstellungen seines Papas mit dem Tod. Der Knabe wurde im Beisein und im Auftrag seines Vaters ermordet.

Der Grund: Der Sohn sollte wie viele andere "Erleuchtete" der Apokalypse entkommen und die Erdenstürme auf dem fernen Planeten Sirius beobachten können. Bei dem Sektendrama kamen 73 weitere Anhänger zu Tode.

23 Gefolgsleute, die beim Guru in Ungnade gefallen waren, wurden in Cherry im Kanton Freiburg auf bestialische Weise umgebracht. Einen Tag später begingen weitere 23 in Salvan, Kanton Wallis, Massensuizid. Unter den Leichen fand die Polizei auch Jo di Mambro. Später brachten sich weitere Anhänger um, weil sie bei der angeblich rettenden Reise mit dem Guru zum Planeten Sirius nicht berücksichtigt worden waren.

Auch an der geistigen Kraft von Uriella darf gezweifelt werden. Als sie bei einem Ausritt vom Pferd gefallen war, soll ihr Jesus erschienen sein. Danach nannte sie sich Sprachrohr Gottes und empfing meist in Trance Botschaften vom Sohn Gottes. Dieser nannte ihr unter anderem Endzeitdaten, doch erwiesen sie sich als Fake News.

Auch die Zeugen Jehovas verkündeten Endzeitdaten

Auch die Visionäre der Zeugen Jehovas verkündeten mehrfach Endzeittermine. Doch sie versagten bei ihren prophetischen Vorhersagen ebenfalls kläglich. Was mit den Hunderttausenden von Zeugen passierte, die sich auf den Tod vorbereitet hatten, kümmerte die Sektenführer wenig.

Ein gesegnetes Ego hatte auch der Psychiater Samuel Widmer, der Guru der Kirschblütengemeinschaft aus dem solothurnischen Lüsslingen. Er suchte das Heil in einer Mischung aus Drogentherapie, Polyamorie und Esoterik.

Der Guru war frustriert, dass die Welt seine angeblich bahnbrechenden Methoden kritisch hinterfragte. Deshalb schrieb er in einem Buch, die Menschheit werde erst in 200 Jahren erkennen, wie bahnbrechend sein Vermächtnis an die Welt sei.

Die Liste ließe sich beliebig erweitern, denn jeder Guru und Sektengründer hat seine eigene Form von Wundern ersonnen. Leider lassen sie sich nicht gern psychiatrisch abklären. Die Resultate der Psychogramme wären sicher erhellend. Ob allfällige problematische Diagnosen den Anhängern die Augen öffnen würden, lässt sich bezweifeln. Denn Einsichten sind in Sekten ein rares Gut, weil die Anhänger erfolgreich indoktriniert worden sind.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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