Wenn gescheiterte Attentate als göttlicher Wille gedeutet werden

Gerettet durch Gottes Hand?

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Trump wird von einigen seiner Anhänger*innen sogar religiös verehrt
Trumpverehrung

Als Donald Trump im vergangenen Jahr einem Attentat nur knapp entging, stand für seine Anhänger fest: Hier hatte niemand Geringerer als der Allmächtige selbst seine schützende Hand im Spiel. Der heutige US-Außenminister Marco Rubio twitterte noch in der Nacht: "God protected President Trump". Was wie ein bizarrer Einzelfall klingt, fügt sich nahtlos in eine lange Reihe von Ereignissen ein, die als "göttliche" Eingriffe gedeutet werden.

Rein physikalisch war es eine spontane Kopfdrehung, die Trump rettete. Doch in einschlägigen Telegram-Gruppen kursierten Bilder von ihm mit einer leuchtenden Aura, begleitet vom Hashtag #ChosenByGod. Wie einst Moses durch das Rote Meer soll der ehemalige Präsident durch den Kugelhagel hindurch gegangen sein – unangetastet, unbesiegbar, auserwählt. Wer überlebt, ist Teil eines göttlichen Plans.

Die Vorstellung, dass Gott selektiv in das Weltgeschehen eingreift, um bestimmten Personen das Leben zu retten, ist keineswegs neu. Als Ronald Reagan 1981 von einem Attentäter angeschossen wurde, sagte seine Ehefrau Nancy später: "Ich bin überzeugt, dass Gott Ron gerettet hat." Reagan selbst schrieb in sein Tagebuch, dass er glaubte, eine "göttliche Mission" erhalten zu haben. Auch Papst Johannes Paul II., der im selben Jahr auf dem Petersplatz in Rom schwer verletzt wurde, sprach nach seiner Genesung von einem Wunder. Die Madonna von Fátima habe die Kugel "abgelenkt", sagte er – und das ausgerechnet am Jahrestag der Marienerscheinung.

Hitler, Putin – und ganz anders Roosevelt

Ähnliche Narrative gibt es um Adolf Hitler, der bei mehreren Attentatsversuchen mit dem Leben davonkam. Der nationalsozialistische Propaganda-Apparat ließ nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat 1944 verbreiten, "die Vorsehung habe den Führer gerettet". In Wirklichkeit überlebte Hitler nur, weil die Bombe schlecht platziert war – doch die Inszenierung als "Auserwählter" wurde gezielt zur Legitimation seiner Herrschaft genutzt.

Auch russische Staatsmedien suggerieren immer wieder, Wladimir Putin stehe unter einem besonderen, fast übernatürlichen Schutz. Vereitelte Anschlagspläne werden als Bestätigung seiner göttlichen Mission interpretiert. Wo Religion zur Waffe politischer Kommunikation wird, endet der persönliche Glaube und beginnt die Verherrlichung der Despoten.

Ein Kontrast, der heute fast radikal wirkt: Theodore Roosevelt überlebte 1912 ein Attentat, weil eine Kugel von seinem stählernen Brillenetui und einem Manuskript gebremst wurde. Roosevelt ließ sich nicht beirren und hielt eine 90-minütige Rede – kein Wort von göttlicher Fügung, nur von "robuster Gesundheit". Eine Szene aus einer Zeit, als politische Führer noch auf irdische Erklärungen setzten und nicht auf himmlische Überhöhung.

Was ist mit denen, die sterben?

Wer bei einem gescheiterten Attentat von göttlicher Rettung spricht, muss zwangsläufig eine Erklärung dafür haben, weshalb andere sterben. Wurde Mahatma Gandhi im Januar 1948 von Gott vergessen, als er durch die Kugeln eines fanatischen Hindu-Nationalisten starb? War der Mord an John F. Kennedy im göttlichen Masterplan vorgesehen? Und warum hatte Martin Luther King Jr. keine schützende Hand über sich?

Die Vorstellung, dass göttlicher Wille Attentate verhindere – oder zulasse –, gerät schnell theologisch ins Schlingern. Wer überlebt, ist "auserwählt". Wer stirbt, offenbar nicht. Ein gefährliches Denken, das politische Figuren zu messianischen Heilsbringern stilisiert und von diesen ausgeübte Gewalt legitimieren kann. Gott soll also selektiv Attentate verhindern, aber nicht Hungersnöte, Naturkatastrophen und Kriege. Er schützt autokratische Präsidenten – aber nicht Kinder in Kriegsgebieten – oder ist das der Ausdruck eines perfiden Plans, der höhere Ziele offenbart?

Populistische Herrscher berufen sich nur allzu gern auf göttliche Fügung, um sich selbst zu erhöhen. Die Figur erscheint über jede Kritik erhaben. Kritik wird zur Blasphemie, Widerspruch zum Aufstand gegen den Himmel. Nicht durch Argumente, sondern durch sakrale Immunisierung wird der Politiker unantastbar. In dieser Logik sind Gegner keine abweichenden Stimmen mehr, sondern Feinde Gottes.

Für seriöse Medien ist es schwer, diesem politisch-theologischen Zynismus entgegenzutreten. Mit nüchternen Hinweisen auf Ballistik und Zufall lässt sich der Pathos göttlicher Auserwählung leider nur schwer entzaubern.„"

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