Vor 25 Jahren vollzogen Dutzende von Sonnentemplern in der Schweiz Selbstmord. Wer nicht freiwillig mitmachte, wurde umgebracht. Sie nannten es: den endzeitlichen Transit zum Planeten Sirius.
Die Vorstellung von der Endzeit und der Apokalypse beflügelt die Phantasie der Menschheit seit Jahrhunderten unheilvoll und erzeugt bei sensiblen Gläubigen manchmal auch heute noch traumatische Ängste. Diese manifestieren sich bei gelegentlichen Endzeitdramen, für die heute vor allem sektenhafte Glaubensgemeinschaften verantwortlich sind.
Ein beispielloses apokalyptisches Ereignis erlebte die Schweiz vor 25 Jahren, als die Anhänger der esoterischen Sekte der Sonnentempler den Transit zum Planeten Sirius antraten, bei dem insgesamt 74 Anhänger den Tod fanden. Viele folgten ihrem Guru Jo Di Mambro freiwillig, die Zweifler wurden umgebracht.
Wie lässt sich das Phänomen des Endzeitglaubens erklären?
Religionen und Glaubensgemeinschaften haben unsere Kultur, unsere Geistesgeschichte und unser Bewusstsein über Jahrhunderte entscheidend geprägt. Sie waren in früheren Epochen Hüter des Wissens und der Bildung.
Fehlentscheide und Machtmissbrauch
Vor allem aber hatten sie die Deutungshoheit über kulturelle und wissenschaftliche Phänomene und Erkenntnisse. Dass sie dabei fatale Fehlentscheidungen trafen und ihre Macht missbrauchten, ist heute nachweisbar.
Unheil richteten die Religionen früher auch mit ihren ethischen und moralischen Dogmen an. Mit dem religiösen Konstrukt von Sünde, Hölle und Satan, das in praktisch allen Religionen zu finden ist, schürten sie bei den Gläubigen Ängste, wenn auch in unterschiedlichen Spielformen.
Diese Furcht war ein Instrument der Disziplinierung und Unterdrückung. Die Potenzierung dieser Angst gipfelte in der Idee der Endzeit. Wobei die christlichen Kirchenführer eine besonders perfide Variante ersonnen hatten: Beim Jüngsten Gericht nach der verheerenden Apokalypse sollten die Sünder und Ungläubigen verdammt werden.
Tief im kollektiven Bewusstsein
Die Angst vor der Endzeit, die in der Johannes-Offenbarung besonders brutal beschrieben wird, hat sich über die letzten zwei Jahrtausende ins kollektive Bewusstsein eingegraben.
Zwar emanzipieren sich heute dank Bildung und Säkularisierung breite Bevölkerungskreise von diesen traumatischen Ängsten, doch strenggläubige und hochsensible Gläubige lassen sich immer noch von den apokalyptischen Visionen in ihren Bann ziehen.
Heute sind es vor allem sektenhafte Gruppierungen und Freikirchen, die den Glauben an die Endzeit weiterhin kultivieren. Viele freikirchliche Gemeinden sehnen sich die Endzeit förmlich herbei und behaupten, wir würden in den letzten Tagen leben.
Sie klopfen die Bibel nach apokalyptischen Hinweisen ab und stellen Zeitrechnungen an. Und siehe da: Viele Pastoren und Prediger glauben, dass sich die Heilsgeschichte rund 2.000 Jahre nach dem Erscheinen von Jesus erfüllen wird.
Endzeitgemeinschaft der Zeugen Jehovas
Die Mutter aller Endzeitgemeinschaften sind die Zeugen Jehovas, die sich ebenfalls auf die Bibel berufen. Sie haben schon mehrfach Endzeitdaten genannt und die Gläubigen in Angst und Schrecken versetzt. Doch bisher mussten ihre Prophezeiungen stets unter der Kategorie "Pleiten, Pech und Pannen" archiviert werden.
Irgendwann werden sich aber alle Prophezeiungen erfüllen. Entweder fahren wir Menschen die Welt dereinst selbst an die Wand – ein durchaus realistisches Szenario – oder das Ende unseres Planeten wird in etwa vier Milliarden Jahren kommen. So jedenfalls haben es Astrophysiker berechnet. In beiden Fällen wird aber Gott seine Finger nicht im apokalyptischen Spiel haben.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.
9 Kommentare
Kommentare
mtths am Permanenter Link
Alles richtig -- bis auf die These, in "praktisch allen Religionen" sei das Konstrukt von Sünde und Co. zu finden. Der Zusatz "abrahamitisch" würde es klarer und richtiger machen.
EinLeser am Permanenter Link
Der Meinung war ich auch, bis ich die Darstellungen der Hölle im Riesen-Buddha von Monywa/Myanmar gesehen habe.
Glockenmann am Permanenter Link
Das Christentum hat auch als eine endzeitliche Religion angefangen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... aber ruettelt es nicht an der Glaubwuerdigkeit, wenn man sich so sehr irrt?"
Nicht, solange einem die Ausreden... pardon, die Exegesen nicht ausgehen. Schließlich geht es bei der absoluten Wahrheit nicht um profane Wahrheit, sondern um das Überleben der eigenen Wahnvorstellung...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
So funktioniert das schon immer, Angst machen und damit kassieren, ein simples aber wirkungsvolles Rezept.
doch kaum zurückhalten.
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
@Hugo Stamm
Wer sich mit der Johannesoffenbarung (Offenbarung der überhöhten Weisheit) informieren möchte, dem empfehle ich einfach mal folgendes zu googeln "Das Lamm entsiegelt die Offenbarung des Johannes). Wie gesagt: Es handelt sich um eine AUSGEDACHT Schrift - ein Steganogramm - ein Aufklärungsbuch.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wer sich die beiden Videos angesehen hat, kann nicht umhin meine Meinung dazu zu teilen.
Wahrscheinlich noch um vieles schlimmer, da deren Menschenopfer in die Millionen gingen.
Das Prinzip ist immer Macht über Menschen zu haben und diese manipulierbar zu machen.
Dagegen hilft nur < Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung > und das verhindern von Indoktrination im Kindesalter.
Jeder der heute noch sein neugeborenes Kind taufen lässt, gibt es in die Hand von solchen Leuten, die alles daran setzen dem Kind " Gottesfurcht " beizubringen, da sie damit verhindern wollen, dass dieses Kind als Erwachsener, deren Manipulationen durchschaut und ein demütiger und zahlungswilliger " Christ " wird.
Roland Fakler am Permanenter Link
Das Drama beginnt damit, dass man Kindern mit staatlicher Autorität weismachen will, dass es unsichtbare Geister gibt.
JensZ am Permanenter Link
Ähnlichkeiten in den Wirkmechanismen zu kontemporären säkularen Bewegungen bestehen natürlich nur rein zufällig.