Glaubensgemeinschaften und Endzeit-Visionen

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Die Zeugen Jehovas missionieren in Berlin-Spandau. (2015)
Die Zeugen Jehovas missionieren in Berlin-Spandau.

Vor 25 Jahren vollzogen Dutzende von Sonnentemplern in der Schweiz Selbstmord. Wer nicht freiwillig mitmachte, wurde umgebracht. Sie nannten es: den endzeitlichen Transit zum Planeten Sirius.

Die Vorstellung von der Endzeit und der Apokalypse beflügelt die Phantasie der Menschheit seit Jahrhunderten unheilvoll und erzeugt bei sensiblen Gläubigen manchmal auch heute noch traumatische Ängste. Diese manifestieren sich bei gelegentlichen Endzeitdramen, für die heute vor allem sektenhafte Glaubensgemeinschaften verantwortlich sind.

Ein beispielloses apokalyptisches Ereignis erlebte die Schweiz vor 25 Jahren, als die Anhänger der esoterischen Sekte der Sonnentempler den Transit zum Planeten Sirius antraten, bei dem insgesamt 74 Anhänger den Tod fanden. Viele folgten ihrem Guru Jo Di Mambro freiwillig, die Zweifler wurden umgebracht.

Wie lässt sich das Phänomen des Endzeitglaubens erklären?

Religionen und Glaubensgemeinschaften haben unsere Kultur, unsere Geistesgeschichte und unser Bewusstsein über Jahrhunderte entscheidend geprägt. Sie waren in früheren Epochen Hüter des Wissens und der Bildung.

Fehlentscheide und Machtmissbrauch

Vor allem aber hatten sie die Deutungshoheit über kulturelle und wissenschaftliche Phänomene und Erkenntnisse. Dass sie dabei fatale Fehlentscheidungen trafen und ihre Macht missbrauchten, ist heute nachweisbar.

Unheil richteten die Religionen früher auch mit ihren ethischen und moralischen Dogmen an. Mit dem religiösen Konstrukt von Sünde, Hölle und Satan, das in praktisch allen Religionen zu finden ist, schürten sie bei den Gläubigen Ängste, wenn auch in unterschiedlichen Spielformen.

Diese Furcht war ein Instrument der Disziplinierung und Unterdrückung. Die Potenzierung dieser Angst gipfelte in der Idee der Endzeit. Wobei die christlichen Kirchenführer eine besonders perfide Variante ersonnen hatten: Beim Jüngsten Gericht nach der verheerenden Apokalypse sollten die Sünder und Ungläubigen verdammt werden.

Tief im kollektiven Bewusstsein

Die Angst vor der Endzeit, die in der Johannes-Offenbarung besonders brutal beschrieben wird, hat sich über die letzten zwei Jahrtausende ins kollektive Bewusstsein eingegraben.

Zwar emanzipieren sich heute dank Bildung und Säkularisierung breite Bevölkerungskreise von diesen traumatischen Ängsten, doch strenggläubige und hochsensible Gläubige lassen sich immer noch von den apokalyptischen Visionen in ihren Bann ziehen.

Heute sind es vor allem sektenhafte Gruppierungen und Freikirchen, die den Glauben an die Endzeit weiterhin kultivieren. Viele freikirchliche Gemeinden sehnen sich die Endzeit förmlich herbei und behaupten, wir würden in den letzten Tagen leben.

Sie klopfen die Bibel nach apokalyptischen Hinweisen ab und stellen Zeitrechnungen an. Und siehe da: Viele Pastoren und Prediger glauben, dass sich die Heilsgeschichte rund 2.000 Jahre nach dem Erscheinen von Jesus erfüllen wird.

Endzeitgemeinschaft der Zeugen Jehovas

Die Mutter aller Endzeitgemeinschaften sind die Zeugen Jehovas, die sich ebenfalls auf die Bibel berufen. Sie haben schon mehrfach Endzeitdaten genannt und die Gläubigen in Angst und Schrecken versetzt. Doch bisher mussten ihre Prophezeiungen stets unter der Kategorie "Pleiten, Pech und Pannen" archiviert werden.

Irgendwann werden sich aber alle Prophezeiungen erfüllen. Entweder fahren wir Menschen die Welt dereinst selbst an die Wand – ein durchaus realistisches Szenario – oder das Ende unseres Planeten wird in etwa vier Milliarden Jahren kommen. So jedenfalls haben es Astrophysiker berechnet. In beiden Fällen wird aber Gott seine Finger nicht im apokalyptischen Spiel haben.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.