Kolumne: Sitte & Anstand

Reif & Hellmann: Fußballmoderatoren am Rande des Anstands

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Fußball-Moderatoren haben gerade eine große Zeit. Diese Woche stehen sie mal selber im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Das Problem ihres Jobs ist ja schon immer: Sie sind super gern in den Medien. Aber die Stars, das sind immer die anderen.

Wenn Fußball-Moderatoren selber Beachtung finden wollen, haben sie meist nur eine Chance: ihren Job richtig schlecht zu machen. Was bei ihnen gar nicht so unüblich ist. Die Zahl der gehassten und verspotteten Länderspiel-Kommentatoren ist immens, und wenn man mal in der 60. Minute aufmerkt als Fan, denkend: "Der hat ja immer noch keinen Scheiß gelabert", dann hat der Mann oder die Frau einen guten Job gemacht. Und der Fan weiß ganz sicher den Namen nicht.

In den vergangenen Tagen nun konnte man zwei Mal beobachten, wie Fußballmoderatoren die Aufmerksamkeit ganz auf sich zogen. Sie taten es, indem sie über das mediokre Grundrauschen ihres Jobs hinauswuchsen. Und richtig krasse Voll-Fails in die Welt setzten. Der ehemalige Starmoderator Marcel Reif kann sich dabei vielleicht noch herausreden, dass er einen rechten Mackerwitz machen wollte, als er Bundesligafußballern empfahl, unbotmäßige Kollegen in der Kabine mit körperlichen Mitteln auf Linie zu bringen. ("Zu meiner Zeit war das so: Es gab eine innere Hygiene in der Kabine. Da macht man ein bisschen die Musik laut und dann wurde demjenigen mit relativ klaren, auch nonverbalen, Mitteln mitgeteilt, was geht und was nicht geht.")

Alternde Männer sind halt manchmal so, sie sehnen sich nach der Vitalität, die sie früher mal hatten, dann kracht das letzte bisschen Testosteron ins Sprachzentrum, das Sprachzentrum schwillt kurz an ... naja.

Die Normalisierung körperlicher Gewalt – verzeihlich? Wohl eher nicht, aber man mag dem TV-Rentner Reif zugute halten, dass sein juveniles Gequatsche ein Ausrutscher war. Bedenklicher ist dann, was sein Kollege Sebastian Hellmann sich kürzlich auf Sky erlaubte:

Er interviewte den erfolglosen Trainer von Hertha BSC, Bruno Labbadia, direkt nach einem verlorenen Spiel. Und während Labbadia sich aufzurichten versuchte, während er tapfer Rede und Antwort stand, drückte ihm der Sky-Mann mit kaum unterdrückter Journalistenfreude rein: Er habe gerade die Meldung erhalten, dass Labbadia entlassen sei. "Was macht das mit Ihnen?" Vor den Bildschirmen schrien die Menschen auf. Wie erbärmlich kann die Jagd nach sogenannten Nachrichten sein? Hier bekam man es mal direkt vorgeführt.

Viele Journalist/innen nahmen ihren Kollegen nachher in Schutz: Es sei seine "Aufgabe" gewesen, mit dieser Info bei der Hand, nun Labbadia zu "konfrontieren". Ja, warum denn? Welchen Informationswert soll das haben, dass man einem Mann dabei zusieht, wie er würdelos abserviert wird? Es geht einzig um das, was gern "Emotionen" genannt wird und woran die Sender verdienen wollen. Man will den nächsten Ausraster sehen, will Wut, Schweiß und Tränen, und wenn man die selbst provoziert hat, zuckt man hinterher mit den Schultern und versteckt sich hinter einer falsch verstandenen Professionalität: mein Gegenüber, das gefundene Fressen. Der Journalist, der immer stumpf dieser Logik folgt, ohne auch nur einen Moment des Zweifels, ist falsch im Job, denn Menschen sind ihm einzig Material.

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