Keine Einigung im Streit um Nudelmessehinweisschilder

"Das grenzt an Prozessbetrug"

Die Frage wurde an das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur weitergeleitet, das für das Straßenwesen nicht mal entfernt zuständig ist, dem jedoch zugetraut wird, beurteilen zu können, wann es sich bei einer Gemeinschaft mit gemeinsamen Glaubensgrundsätzen um eine Religionsgemeinschaft handelt. Die damalige Kultusministerin Sabine Kunst, Schwester der evangelisch-lutherischen Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, kam – offenbar mithilfe einer kurzen Internetrecherche durch Mitarbeiter des Ministeriums – zu dem Urteil, dass es sich bei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters "um eine Religionsparodie ohne ernsthafte religiöse Substanz" handle. Ein Gutachten bei Fachkundigen in Auftrag zu geben, hielt die Ministerin nicht für notwendig. Und das, obwohl es Theologen und Religionswissenschaftler gibt, die der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters attestieren, dass sie eine Religionsgemeinschaft ist.

Rüdiger Weida konnte die Vertreter des Landesbetriebs Straßenwesen im Gespräch am 9. Dezember 2014 beruhigen. Da sich die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. selbst nicht als Religionsgemeinschaft, sondern als Weltanschauungsgemeinschaft versteht, sei die Klärung dieser Frage unerheblich, denn auch Weltanschauungsgemeinschaften stünde das Recht zu, Hinweisschilder aufzustellen. Das überzeugte Vorstandsmitglied Heyne und die anderen Vertreter des Landesbetriebs Straßenwesen. Es wurde daher vereinbart, dass Weida eigene Masten aufstellen und an diesen die Nudelmessehinweisschilder anbringen darf. Eine mündliche, zivilrechtlich bindende Vereinbarung, der eine formale schriftliche Bestätigung folgen sollte. Um die christlichen Gemüter der Stadt zu beruhigen, bot Bürgermeister Tabbert Weida an, die Nudelmessehinweisschilder bis zum Aufstellen eigener Masten an Masten der Stadt Templin anzubringen. Mit dem Aufstellen eigener Masten wollte Weida bis zum Erhalt der formalen schriftlichen Bestätigung der Vereinbarung warten. Diese erhielt er jedoch nie.

In der Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) am Mittwoch bestritt das Land Brandenburg nun, dass in dem Gespräch am 9. Dezember 2014 eine zivilrechtliche Vereinbarung darüber getroffen worden sei, dass Weida die Nudelmessehinweisschilder an eigenen Masten aufhängen dürfe.

Für Rechtsanwalt Rath, der die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters vertritt, grenzt diese Aussage an Prozessbetrug. Er prüft derzeit eine Strafanzeige. Rath führt die Aussage auf die "schikanösen Eingriffe von oben" zurück. Gemeint sind Einflussnahmen durch höhere politische Ebenen auf den Landesbetrieb Straßenwesen, für die der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters tatsächlich Belege vorliegen. Bereits frühzeitig hatte die Kirche den Bürgermeister von Templin als Zeugen für das Gespräch vom 9. Dezember 2014 benannt. Vom Gericht war er jedoch zu dem Verhandlungstermin am Mittwoch nicht geladen worden.

Überhaupt war die Vorsitzende Selbig sehr bemüht, der Klärung aller inhaltlichen Fragen möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen. Vor allem die Frage nach dem weltanschaulichen Status der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters vermied sie wie der Teufel das Weihwasser.

Nachdem beide Parteien zu Protokoll gegeben hatten, dass sie keine Möglichkeit für eine gütliche Einigung sähen, sollte laut Ladung eigentlich die mündliche Verhandlung folgen. Da der Vorsitzenden ihrer Auffassung nach jedoch ausreichend viele Informationen vorlagen, brach sie die Verhandlung an dieser Stelle ab und beraumte für den 13. April einen Verkündungstermin an. An diesem Tag wird sie den Parteien entweder kundtun, dass sie weitere Verhandlungstage für notwendig hält oder – und das ist die wahrscheinlichere Variante – ihr Urteil verkünden. 

Das kaltschnäuzige Abbügeln des Verfahrens durch Richterin Selbig ist für Rechtsanwalt Rath keine Überraschung. "Schon als die Kirchen 2014 interveniert haben, war klar, dass das Ganze so ablaufen würde. Richter haben Angst, sich die Finger zu verbrennen und ein Gutachten in Auftrag zu geben, bei dem rauskommen könnte, dass es sich bei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt, der dieselben Rechte zustehen, wie allen anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland."

Egal, was Richterin Selbig am 13. April verkünden wird, für Rüdiger Weida und die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ist es auf jeden Fall ein Sieg. "Entweder wir werden endlich mit anderen Weltanschauungsgemeinschaften gleichgestellt und dürfen unsere Schilder aufhängen", sagt Weida, "oder wir haben weiterhin die Möglichkeit, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, welche Privilegien Religionsgemeinschaften in Deutschland haben". Dass er in die nächste Instanz gehen wird, falls ihm das Landgericht nicht Recht gibt, steht für Weida außer Frage.

Hintergrund

Die Lehre vom Fliegenden Spaghettimonster entstand 2005 in den Vereinigten Staaten. Als der Physiker Bobby Henderson davon erfuhr, dass fundamentalistische Christen im US-Staat Kansas forderten, gleichberechtigt zur Evolutionslehre müsse im Biologieunterricht auch der Kreationismus gelehrt werden, hatte er eine wundersame Erscheinung, während ihm vor Empörung die Nudeln im Halse stecken blieben. Henderson offenbarte sich der einzig wahre Gott: das Fliegende Spaghettimonster (FSM). In einem Brief an das Schulministerium von Kansas verlangte Henderson daraufhin, dass nicht nur der Kreationismus der Christen, sondern auch die Lehre des FSM im Biologieunterricht gelehrt werden müsse.

Beim Schulministerium von Kansas hatte Bobby Henderson keinen Erfolg, dafür jedoch umso mehr im Internet. Im Handumdrehen verbreitete sich die Lehre vom FSM im weltweiten Netz und führte in verschiedenen Ländern der Welt zur Gründung von "Pastafari"-Gemeinden, wie sich die Anhänger des FSM selbst bezeichnen.

Kritiker betrachten die Lehre des FSM als Religionsparodie. Für Pastafari ist der Glaube an das Fliegende Spaghettimonster hingegen die einzig wissenschaftliche Religion. Ein Glaube, der zu stetem Zweifel verpflichtet – an der Religion im Allgemeinen und der eigenen im Besonderen – und der dieselben Privilegien fordert, wie andere Glaubensrichtungen. Dazu gehören auch Gottesdiensthinweisschilder.

Satirische Mittel sind nach dem Glauben der Pastafari bei der Ausübung und Verbreitung ihrer Religion ausdrücklich erlaubt. Sie unterscheiden sich hierbei nicht von großen Religionsgemeinschaften wie beispielsweise der katholischen Kirche. Diese nutzt offenbar ebenfalls satirische Mittel: Ihrem Religionsstifter, der die Auffassung vertrat, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelange, huldigt sie, indem sie einen weltweiten Wirtschaftskonzern betreibt und in Prunkbauten Gottesdienste von Männern in goldgewirkten Kleidern abhalten lässt.