Am kommenden Samstag (09. 12. 2017) wird im Berliner Kino Moviemento der Film "Food Evolution" des Wissenschaftsjournalisten Neil deGrasse Tyson gezeigt. Die Veranstaltung wird von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), dem Deutschen Konsumentenbund, der Giordano Bruno Stiftung (gbs), der Partei der Humanisten (PdH), der Partei der Humanisten - Landesverband Berlin und der SHBH (Säkularer Humanismus an Berliner Hochschulen) veranstaltet. Der hpd sprach mit dem Berliner Landesvorsitzenden der PdH, Georg Hille, über die Veranstaltung.
hpd: Wie steht die Partei der Humanisten (PdH) zur "Grünen Gentechnik"?
Georg Hille: Unsere (PdH) Haltung zur grünen Gentechnik ist die, dass wir einen großen Nutzen darin sehen und es keine bekannten biologischen Risiken dabei gibt. Das größere Problem (zum Beispiel hinsichtlich des Insektensterbens) ist die Form der intensiven Landwirtschaft und das wird alles zusammen mit Glyphosat gerne in einen Topf geworfen, quasi als Stellvertreter-Krieg zwischen "Öko" und "Chemie".
Das ist allgemeiner Konsens in der AG Klima, Position dazu käme dann im nächsten Positionspapier zum Thema Umwelt und Landwirtschaft, das wird aber leider nimmer vor dem Event fertig.
Weshalb zeigt Ihr die Dokumentation?
Die Aufführung und Diskussion der Dokumentation am Samstag unterstützen wir logistisch und finanziell, da wir eine riesige Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Gentechnisch veränderte Organismen (GMO) durch die Öffentlichkeit und dem wissenschaftlichem Kenntnisstand sehen. Wir möchten gerne zur Aufklärung beitragen und damit helfen, Ängste und Vorurteile abzubauen.
Im Moment ist der offenbare Alleingang des Landwirtschaftsministers in Sachen Glyphosat in aller Munde. Wie steht die PdH dazu?
Wir begrüßen natürlich, dass der CSU-Agrarminister Schmidt sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert (das unterstellen wir ihm einfach mal), aber natürlich sind auch oder gerade Politiker Regeln und Gesetzen und auch Absprachen verpflichtet.
Derzeit sieht es so aus, als sei der Schritt eher unnötig gewesen und hätte auf Dauer der Stimmung zwischen SPD und CDU geschadet und aktuelle Verschwörungstheorien befeuert - suboptimale Maßnahme. Zu Glyphosat selber hat die PdH ein Positionspapier veröffentlicht, aber prinzipiell existieren die Themen Glyphosat und GMOs auch unabhängig voneinander: es gibt genug GMOs, die nicht glyphosatresistent sind und gleichzeitig ist Glyphosat generell einfach ein in Deutschland zugelassenes Herbizid.
Werden wissenschaftliche Argumente in den derzeitigen Debatten nicht mehr gehört?
Die aktuelle Glyphosat-Debatte ist extrem emotional aufgeladen und unwissenschaftlich. Es wird häufig behauptet, Glyphosat sei verantwortlich für das Insektensterben, oder krebserregend – für beide Aussagen gibt es keinen wissenschaftlichen Rückhalt. Es wird behauptet, das BfR und andere Institutionen hätten in ihren Berichten bei Monsanto abgeschrieben, dabei sind Monsanto und co a.) verpflichtet, festgelegte Studien zur Gefahrenbestimmung von Wirkstoffen wie Glyphosat durchzuführen und es wird b.) in allen Berichten darauf hingewiesen, dass aus besagten Studien von Monsanto und co zitiert wird.
Gehör finden wissenschaftliche Argumente in sozialen Medien derzeit kaum, da werden völlig normale Menschen direkt als "gekauft" oder sonstwas verschrien... Leider springen auch immer wieder Medien und Parteien auf den Anti-Glyphosat-Zug auf, traurigste Beispiele für mich sind hierbei die Doku von Arte zum "Monsanto-Prozess" (einer Aktion von GMO-Gegnern von vor ein paar Jahren und kein richtiger Prozess) und die Positionierung von SPD und Grünen in der Frage.
Das ist unwissenschaftlich und Öl ins Feuer der Hysterie.
Speziell zu GMOs gibt es auch solche Horrorgeschichten, dass sich z.B. indische Baumwollbauern nach Einführung von Bt-Baumwolle (resistent gegen bestimmte Insekten) vermehrt umgebracht haben – kurzfristig mag da eine Korrelation (ein kausaler Zusammenhang ist da eher fragwürdig) bestanden haben, aber langfristig ist die Tendenz genau anders herum, aber inzwischen steht die Meinung und Zahlen interessieren plötzlich niemanden mehr bei den GMO-Gegnern.
Nach der Vorführung der Dokumentation diskutieren die Doktorandin am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie Mercedes Diez Cocero, der ehemalige Vorsitzende des Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen Professor Dr. Joachim Schiemann, der emeritierte Professor für Agrarökonomie an der Humboldt Universität Professor Dr. Dr. h.c. Harald von Witzke und GWUP-Vorsitzender Amardeo Sarma über die Chancen und Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen sowie den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Spiegel der öffentlichen Meinung.
Der hpd wird von der Veranstaltung berichten.
6 Kommentare
Kommentare
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Die Diskussion um GMOs und Glyphosat wird sicher oft unsachlich geführt. Leider sind da auch die PdH und (wie schon mehrfach gezeigt) Amardeo Sarma von der GWUP keine Ausnahme.
Die Entscheidung von Minister Schmidt hat selbstverständlich überhaupt nichts mit einer Orientierung an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun, sondern folgte ausschließlich dem Druck des Bauernverbandes, der sich bekanntermaßen seit vielen Jahren fast ausnahmslos für die großindustriell betriebene konventionelle Landwirtschaft einsetzt, die zweifellos der Hauptverursacher für das dramatische Artensterben (nicht nur bei den Insekten) ist.
Das Umweltministerium hatte dagegen durchaus gute Gründe, sich gegen eine Genehmigungsverlängerung auszusprechen.
Glyphosat hat ziemlich sicher einiges mit dem Massensterben der Insekten zu tun. Der Einsatz auf großer Fläche, im Ackerbau, im Grünland, Forstwirtschaft, Obstbau, Baumschulen, auf Grünanlagen, in Privatgärten usw. führt (mit anderen Faktoren) zu einem überall sichtbaren Schwund der Pflanzendiversität. Dem folgt zwangsläufig ein Schwund an Bienen, Tagfaltern, Schwebfliegen und anderen Insekten.
Natürlich haben das Insektensterben und die allgemeine Verödung der Landschaft, das Verschwinden artenreichen Grünlandes usw. noch andere Ursachen (u.a. andere Pestizide wie die Neonicotonoide, Überdüngung, Grünlandumbruch, zu häufige Mahd, Maisanbau, Verlust von Wegrainen und anderen "Restbiotopen", Rückgang der Brachen, etc.), und allein mit einem Glyphosatverbot wäre noch nicht viel gewonnen. Die Diskussion wird leider oft zu eingeengt geführt.
Die Behauptung, es gebe keine wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen Glyphosateinsatz und Artensterben, ist zumindest irreführend. Mit Laboruntersuchungen lässt sich dieser Zusammenhang in der Tat nur begrenzt herstellen. Es wurden aber bereits (obwohl es sich um ein Herbizid handelt) subletale Wirkungen von Glyphosat auf Insekten nachgewiesen, sowie teratogene Wirkungen auf Fische und Amphibien. Aktuelle Untersuchungen der Uni Rostock legen zudem den Verdacht nahe, dass die Glyphosat-Rückstände im Boden mit den bisherigen Messmethoden deutlich unterschätzt werden.
Wie sich der Glyphosateinsatz im Landschaftsmaßstab auswirkt, ist nur sehr schwer und allenfalls durch sehr langfristig angelegte Analysen nachweisbar. Tatsächlich wurde eine solche Analyse bisher nirgends durchgeführt. Klar ist, dass die Biodiversität auf ökologisch bewirtschafteten Flächen im Durchschnitt deutlich höher ist als auf konventionell bewirtschafteten. Aber auch hier sind die Ursachen natürlich multifaktoriell und nicht allein auf den Faktor Glyphosat reduzierbar. Wie groß der Anteil des „Faktors Glyphosat“ am Insektensterben ist, wird sich wohl nie genau quantifizieren lassen.
Dennoch spricht sehr viel dafür, den Glyphosateinsatz wenn schon nicht ganz zu verbieten, so doch zumindest erheblich einzuschränken, z.B. durch bundesweit gültige nationale Regelungen, die
- Glyphosat in öffentlichen Parks, Gärten und Spielplätzen verbieten
- Glyphosateinsatz vor der Ernte (zur Sikkation) verbieten
- Glyphosat für den Privatgebrauch verbieten
- die "Grünlanderneuerung" (sprich: Grünlandzerstörung) durch Glyphosateinsatz verbieten
- bundesweit einen Mindestabstand von 5 m zu allen Gewässern (auch denen 3. Ordnung) beim Glyphosateinsatz vorschreiben usw.
Dazu besteht jetzt trotz der EU-weiten Genehmigungsverlängerung jederzeit die Möglichkeit, und es ist sehr zu hoffen, dass die zukünftige Regierung diesen Schritt gehen wird. Das allein wird aber den Rückgang der Biodiversität nicht stoppen. Die Landwirtschaft muss sich grundlegend ändern, und zunächst ist dazu eine weitreichende Reform der GAP notwendig.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ihr Kommentar gefällt mir sehr gut, und er erweckt bei mir den Eindruck, dass Sie zu diesem Thema einiges an Kompetenz besitzen. Danke schön!
Ottokar am Permanenter Link
ich muss schon sagen, dass mich die Aussagen von Herrn Hille von der "Partei der Humanisten" sehr irritiert haben. Stehen diese in direktem Gegensatz zu den Ausführungen in den Nachdenk-Seiten (NDS).
Nehme ich dann noch die gesamte Politik unserer Groko als Maßstab, dann ergibt sich für mich eine Indizienlage gegen CDU/CSU bis SPD die erdrückend dafür steht wie feindlich diese Regierung ihrer Bevölkerung gegenüber ist.
War die Handlungsweise von Schmidt kein abgekartetes Manöver, dann hat Merkel nichts im Griff, war sie ein abgekartetes Manöver? Dann müssen wir mal drüber reden.
Ich bitte alle sich die NDS und BUND-Seiten durchzulesen um die Aussagen von Herrn Hille zu sortieren. Hier der Hinweis:
13. Mai 2016 um 15:13 Uhr | Verantwortlich: Jens Berger, Nachdenk-Seiten
Die Glyphosat-Zulassung könnte zu einer Nagelprobe für die Europäische Union werden
Wenn sich Mitte nächster Woche der zuständige Fachausschuss der Europäischen Kommission trifft, um über die Wiederzulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat für weitere neun Jahre zu entscheiden, könnte dies ein politisches Erdbeben auslösen. Bereits jetzt kündigt sich – auch dank der SPD – an, dass es im zuständigen Fachausschuss der EU-Kommission keine qualifizierte Mehrheit für die Wiederzulassung geben wird. Die Kommission selbst ist jedoch nicht an das Votum des eigenen Fachausschusses gebunden. So droht aus dem Wiederzulassungsverfahren des laut WHO möglicherweise krebserregenden Glyphosats eine Posse deutscher Lobbyhörigkeit und ein Fanal antidemokratischer Prozesse auf EU-Ebene zu werden. Wenn Sie ein Zeichen setzen wollen, dann sollten Sie noch schnell die Petitionen von Campact und dem BUND mitzeichnen. Von Jens Berger
Thomas Baader am Permanenter Link
Die Verschwörungstheoretiker dürften bald hier im Kommentarbereich aufschlagen: Je sachlich-wissenschaftlicher ein Artikel, umso ideologisierter die Reaktion.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Vermehrung des Wissens ist immer gut. Solange dumme Slogans wie "Für genfreie Lebensmittel!" kursieren, brauchen wir viel mehr Information.
Als Laie denke ich mir: Gentechnik in der Landwirtschaft ist im Grunde eine stark beschleunigte Züchtung. Das erhöht die Risiken und Nebenwirkungen, ist aber nicht grundsätzlich schlecht oder gar böse.
Bei Herbiziden und Pestiziden bin ich da schon viel vorsichtiger. Erstens habe ich die Befürchtung, dass diese Gifte nicht so schnell verschwinden, sondern in den Nahrungskreislauf gelangen (hier könnte ich z.B. selbst gute Informationen brauchen), zweitens zeigt die Erfahrung, dass die Dosis ständig erhöht werden muss.
Wünschenswert wären sicher: Kleinräumige Landwirtschaft, große Sorten- und Artenvielfalt, häufiger Fruchtwechsel, Polykulturen (als Gegenteil von Monokulturen), Oasen von Naturlandschaft in der Kulturlandschaft. Dadurch würden Schädlinge eingebremst werden, und weniger Gift wäre nötig.
Ich habe die Befürchtung, dass Konzerne wie Monsanto nur überleben können, wenn die Produkte in großem Stil angebaut werden. Hunderte patentierte Getreidearten hätten am Weltmarkt wahrscheinlich keinen Platz. Ich halte aber hunderte Getreidearten für sehr sinnvoll. Wieder würden mir hier Informationen helfen.
Außerdem weiß ich nicht, ob Monsanto u.ä. überhaupt an Kleinbauern verkaufen. Aber ich halte kleinbäuerliche Betriebe für ökologisch viel sinnvoller als Großbetriebe.
Chemie hat in der Landwirtschaft einen wichtigen Platz (die "böse Chemie" ist wieder so ein Schlagwort, das mangelnde Information beweist). Eine chemische Bodenanalyse kann oft helfen. Das schreibe ich, um dem Vorwurf zu entgehen, ich wollte in eine landwirtschaftliche Idylle zurück, die so nie existiert hat.
Was ich aber tatsächlich will, ist eine landwirtschaftliche Kultur. Nicht eine landwirtschaftliche Industrie. Ja, ich bin konservativ.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Das größere Problem (zum Beispiel hinsichtlich des Insektensterbens) ist die Form der intensiven Landwirtschaft" - auf das Positionspapier bin ich schonmal gespannt.
Und dass das ebenfalls im hpd beleuchtet wird...