Veranstaltungsbericht

Hamed Abdel-Samad: "Wir müssen auch abweichende Meinungen zulassen"

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Hamed Abdel-Samad

Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad sprach an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz über sein neues Buch "Integration. Ein Protokoll des Scheiterns". Nach einem kurzen Vortrag stellte sich der Autor einer emotional und kontrovers geführten Debatte

Schon zu Beginn zeigte sich, dass die Zuhörer mit keiner gewöhnlichen Veranstaltung an einer Universität zu rechnen hatten. Da Abdel-Samad durch seine Islamkritik und die darauf folgenden Morddrohungen unter Personenschutz steht, verzögerte sich der Veranstaltungsbeginn durch Taschen- und Personenkontrollen um eine halbe Stunde. 

In dem überfüllten Hörsaal lauschten dann aber ungefähr 340 Personen dem Vortrag mit anschließender Fragerunde. Der Autor betonte, dass es gerade in den Räumen einer Universität erstrebenswert sei, eine kontroverse Debatte zu wagen und wandte sich damit vor allem an jene Gäste des Vortrags, die sich über seine Thesen empören. Nicht alle kamen diesem Wunsch nach: Mehrfach wurde der Versuch unternommen, den Vortrag durch Zwischenrufe zu stören. Nach einigen Minuten verließen mehrere Personen als Ausdruck ihres Protests den Saal.

Davon recht unbeeindruckt skizzierte der Politologe zunächst, dass laut offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit die Integration vor allem bei einer Gruppe scheitere: Jugendliche mit türkischen oder arabischen Wurzeln haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit im Bildungssystem und Arbeitsmarkt zu versagen als gleichaltrige Herkunftsdeutsche oder Jugendliche mit beispielsweise ostasiatischen Migrationshintergründen. 

Das Scheitern der Integration hat mehrere Gründe

Abdel-Samad sprach von Parallel- bzw. Gegengesellschaften in Deutschland, die die eigene Integration in die Mehrheitsgesellschaft ablehnen und aktiv dagegen arbeiten. Verantwortlich für diese Integrationsverweigerung und die fehlende emotional-affektive Bindung sei auch der Islam. So würden religiös motivierter Sexismus und Intoleranz multipliziert und zu verfestigten Strukturen führen. Viele Muslime in Deutschland seien dermaßen indoktriniert, dass sie nur noch fähig seien, aus kollektivistischer Sicht zu argumentieren. 

Integration scheitere allerdings auch daran, dass Grenzen von beiden Seiten gewollt seien. Struktureller Rassismus der Herkunftsdeutschen spiele den Akteuren in die Hände, die einen muslimischen Opfermythos schaffen möchten. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sende zwar wichtige Appelle für die Integration, bemächtige sich aber keinerlei Mechanismen, die Integration zu kontrollieren und zu formen. Symbolische Maßnahmen wie Markus Söders Forderung, Kreuze in allen bayerischen Behörden aufzuhängen, seien vielmehr Ausdruck der eigenen Rat- und Orientierungslosigkeit. 

Die anschließende Fragerunde wurde sehr hitzig und zum Teil persönlich geführt. Auf die Frage eines bekennenden AfD-Sympathisanten, ob es denn keine Partei wie die AfD bräuchte, um dem politischen Islam in Deutschland entgegenzuwirken, betonte Abdel-Samad, dass die AfD, ähnlich wie die deutschen Islamverbände, nur ihre eigene Parallelgesellschaft bewerbe und somit nicht konstruktiv zur Problemlösung beitrage. Dennoch sei es wichtig die Meinungsfreiheit ernst zu nehmen und auch abweichende Meinungen zuzulassen. "Sonst wird es gefährlich!", mahnte Abdel-Samad. 

Einige Muslime im Raum warfen dem Islamkritiker Eindimensionalität und Wirklichkeitsverfälschung vor, konnten jedoch im Gegensatz zum Autor zur Untermauerung ihrer Aussagen keine wissenschaftlichen Fakten liefern. Trotz der emotionalen Debatte schaffte Hamed Abdel-Samad es, die Debatte durch Ruhe und Besonnenheit in zivilisierte Bahnen zu lenken und unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen zu lassen.