Die Evolutionstheorie hat in den USA zwar besonders viele Feinde, die Zahl ihrer Unterstützer wird aber immer größer. Die dahinterstehenden Gründe sind auch für das Bildungssystem in Deutschland relevant.
2007 lehnten in den USA circa 53 Prozent der LehrerInnen der naturwissenschaftlichen Fächer die Evolutionstheorie ab. Im Vergleich mit anderen westlichen Ländern standen die USA damit verhältnismäßig schlecht da. Im Laufe der vergangenen Jahre hat jedoch ein deutlicher Wandel stattgefunden: Eine neue Studie zeigt, dass die Akzeptanz der Evolutionstheorie zunimmt. So waren es 2019 bereits 66 Prozent aller US-LehrerInnen, welche die Evolution als Erklärung für den Ursprung des Lebens akzeptierten. Der Kampf gegen den Kreationismus in den USA kommt in Fahrt, aber hat noch einen langen Weg vor sich.
Die stärkere Bedeutung der Evolutionstheorie spiegelt sich auch in der Unterrichtspraxis wider: LehrerInnen unterrichten inzwischen die Evolutionstheorie häufiger und widmen dem Thema im Schnitt fünf Unterrichtsstunden mehr. Im Vergleich zu 2007 bekommen dadurch etwa 116.000 SchülerInnen, die zuvor ausschließlich mit kreationistischen Inhalten in Kontakt kamen, zusätzlich auch die Evolution vermittelt. Außerdem werden rund 418.000 weniger SchülerInnen einem Unterricht ausgesetzt, in dem die Evolution und der Kreationismus als gleichwertige Positionen vermittelt werden. Stattdessen wird ihnen nun allein die Evolutionstheorie unterrichtet.
Insgesamt profitieren damit weit über eine halbe Million US-SchülerInnen vom wachsenden Stellenwert einer seriösen wissenschaftlichen Welterklärung. Es ist daher davon auszugehen, dass sich mehr und mehr junge US-AmerikanerInnen von einer kreationistischen Denkweise abwenden.
Was wir von den USA lernen können
Der primäre Grund für die positive Entwicklung in den USA ist nicht – wie man vielleicht annehmen könnte – der Generationswechsel der LehrerInnen oder eine voranschreitende Säkularisierung. Sie ist vielmehr darin begründet, dass die Lehrpläne angepasst wurden und es mehr Fortbildungsangebote für kommende und praktizierende Lehrkräfte gibt. Jüngere LehrerInnen vermitteln die Evolution vor allem deshalb, weil mehr Collegekurse dieses Thema aufgreifen. Mittlerweile richten sich mehr Bundesstaaten nach den bundesweiten Bildungsstandards, die die Evolution als Thema ab der Grundschule empfehlen.
Da auch in Deutschland die Evolution nicht den Stellenwert hat, den sie eigentlich haben könnte, müsste es mehr Kurse und Fortbildungen für angehende und praktizierende Lehrkräfte geben. Es sollten zudem hochwertige Unterrichtsmaterialien wie die vom Bildungsprojekt Evokids Einzug in die Schulbücher finden und aktiv zur Verfügung gestellt werden. Die Evolutionstheorie könnte damit bestenfalls schon ab der Grundschule vermittelt werden, bevor religiöse Schöpfungsmythen an Kinder herangetragen werden.
Darüber hinaus sollten Wissenschafts- und Bildungsorganisationen sich weiterhin für den Ausbau des Evolutionsunterrichts aussprechen, wie sie es auch in der Vergangenheit bereits getan haben. Nicht zuletzt sollten Politik und Gesellschaft solche LehrerInnen unterstützen, die wegen weltanschaulich neutraler Unterrichtsinhalte von religiöser Seite unter Druck gesetzt oder gar angefeindet werden.
Mehr Unterrichten bedeutet nicht besseres Verstehen
Ein Wermutstropfen der Studie aus den USA ist, dass es sich um rein quantitative Ergebnisse handelt, die nichts über die Unterrichtsqualität aussagen. Dass mehr Lehrkräfte die Evolution vertreten und unterrichten, bedeutet nicht, dass sie diese auch verstehen. Zwar haben deutsche StudentInnen des gymnasialen Lehramts ein höheres Wissen über die Evolution als US-LehramtsstudentInnen. Doch auch hierzulande gibt es erhebliche Defizite: Die Evolutionstheorie ist zwar insgesamt akzeptierter, aber sie kommt in deutschen Schulen und Universitäten zu kurz. Es ist daher nicht überraschend, dass es bei deutschen StudienanfängerInnen große Wissens- und Verständnislücken gibt. Dieses Problem gilt es jetzt diesseits und jenseits des Atlantiks anzugehen.
11 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Die Evolutionstheorie könnte damit bestenfalls schon ab der Grundschule vermittelt werden, bevor religiöse Schöpfungsmythen an Kinder herangetragen werden." - Letzteres passiert allerdings schon daheim und
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Endlich mal eine erfreuliche Nachricht zu einer zarten Entwicklung in den USA. Ja, es ist richtig, das Thema Evolutionstheorie wird auch an deutschen Universitäten zum Teil nur in kleinen Ausschnitten, z. T.
Das Interesse am Thema Evolution ist nach unserer Erfahrung sehr groß. Wir bieten an der FU eine Veranstaltung unter dem Titel: Evolution: Konzepte und Anwendungen an. Darin behandeln wir die Geschichte der EvoTheorie, das dahinter stehende Denkprinzip und auch wie man in der Bionik mit evolutionären Algorithmen gänzlich neuartige, medizinisch relevante, Moleküle generieren kann.
Aber auch in der Technik hat die Evotheorie ihre Bedeutung, die kleinen Winglets an den Flügelenden sind das Resultat der Evolutionsstrategie (Ingo Rechenberg von der TU Berlin hat daran großen Anteil).
Noch eine Bemerkung zur der dem Artikel vorangestellten Abbildung, die hat nun gar nichts mit Evolution zu tun. Der Mensch stammt nicht vom Schimpansen ab, sondern er hat nur einen gemeinsamen Vorfahren mit ihm.
Dennoch,möchte den hpd nur ermuntern mehr zum Thema Evolution in vielen Bereichen vorzustellen. Wie das Westerwald Beispiel zum Evolutionsweg zeigt, ist das bitter nötig.
SG aus E am Permanenter Link
Solange mir keine entsprechenden Verweise auf die Lehrpläne geboten werden, glaube ich nicht, dass in deutschen Schulen Kreationismus gelehrt wird.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Es wird Dir nicht aufgefallen sein, aber Religionsunterricht muss an deutschen Schulen, sofern sie nicht bekenntnisfreie Schulen sind, von Gesetz wegen angeboten werden.
Evolutionstheorie steht zwar in den weiterführenden Schulen im Lehrplan für Biologie, aber das heißt nicht, dass sie auch durchgenommen wird, denn nicht alles, was im Lehrplan steht, kommt auch dran. Und das gilt für alle Fächer.
SG aus E am Permanenter Link
Karl-Heinz Büchner schrieb: „Offensichtlich weißt Du nicht, was Kreationismus bedeutet.
Was Kreationismus bedeutet, kann man nachlesen:
„Kreationismus [...] bezeichnet die religiöse Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch buchstäblich so entstanden sind, wie es in den Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen und insbesondere in der alttestamentlichen Genesis geschildert wird.” (1)
Man beachte das Wort 'buchstäblich'.
SG aus E hatte geschrieben: „Solange mir keine entsprechenden Verweise auf die Lehrpläne geboten werden, glaube ich nicht, dass in deutschen Schulen Kreationismus gelehrt wird.”
Dazu aus dem Lehrplan Evangelische Religion des Landes Nordrhein-Westfalen:
3.2 „Wir leben in Gottes Schöpfung” (2):
Kompetenzerwartungen am Ende der Schuleingangsphase
„Die Schülerinnen und Schüler [...] wissen, dass Christen Gott als Schöpfer bekennen [...]”
Kompetenzerwartungen am Ende der Klasse 4
„Die Schülerinnen und Schüler [...] unterscheiden naturwissenschaftliche Erkenntnisse und biblische Deutungsperspektiven zur Entstehung der Welt [...]”
Die islamische Perspektive findet sich hier: (3)
Wo also finden Sie Kreationismus im Religionsunterricht in Deutschland?
—
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Kreationismus
(2) https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplannavigator-grundschule/evangelische-religionslehre/lehrplan-ev.-religion/kompetenzen/index.html
(3) https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_gs/klp_rel_islam/LP_Islamischer_Religionsunterricht_GS_Endfassung.pdf
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Kreationisten mögen die vielen Rassen von Hunden, Katzen, Tauben ... anschauen. Schon Darwin schrieb von "Natürlicher Zuchtwahl".
Christian am Permanenter Link
Nach meinem Kenntnisstand sagt die Evolutionstheorie sehr wohl aus, dass der Mensch vom Affen abstammt, nämlich in dem sich Affen durch Mutation zum Menschen weiter entwickelt haben, so dass das obige Bild passend ist
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Ja Christian,
Ihr Kenntnisstand ist schon richtig. Aber, dass das Genom des Schimpansen (Pan troglodytus) fast zu 100% mit dem Homo sapiens übereinstimmt, ist ja gerade auch ein Argument für den gemeinsamen Vorfahren. Der Schimpanse übrigens hat eine ganz andere Lebensweise, bewegt sich gerne auf allen Vieren fort, etc. als H.sapiens. Also wie kann man abstammen von einem Organismus, der noch lebt.
Wie der gemeinsame Vorfahre nun genau aussah, ist im Detail leider nicht mehr zu erkennen.
Um den Vorgang der Abstammung in einem weitaus kleineren Rahmen zu verdeutlichen, folgendes Beispiel: Geschwister stammen von ihren Eltern ab, sie haben ihre Eltern als gemeinsamen Vorfahr, aber die Geschwister selbst stammen nicht voneinander ab, obwohl sie oft ein sehr .ähnliches Aussehen haben, allerdings gibt es bei ihnen auch winzige Unterschiede in der DNA-Sequenz. Darauf beruht ja der genetische Nachweis in der Forensik (Gerichtsmedizin).
Übrigens zur obigen Abbildung: Die hat ein Freund von Charles Darwin, Thomas Huxley, in die Welt gesetzt. Er wollte damit nur einen anatomischen Vergleich zwischen Schimpansen und dem Menschen darstellen und nicht eine direkte Ahnenreihe aufstellen. Das Bild wird häufig verwendet und führt eben zu den von Ihnen genanntem Mißverständnis.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Die korrekte und weniger verwirrende Antwort heißt: Mensch und Schimpanse haben sich vor ca. 5 - 7 Mio. Jahren aus einem gemeinsamen Vorfahren getrennt weiterentwickelt, der weder Mensch noch Schimpanse war.
Christian am Permanenter Link
Kann es sein, dass dieser gemeinsame Vorfahre zufällig Gott hieß?
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Das kann ich Dir sagen, wenn Du mir eine DNA-Probe von "Gott" lieferst.
Dauert 2 h