Die Kölner Silvesternacht 2015/16 hat die Republik nachhaltig verändert. Frauen, die sich in dieser Nacht auf dem Platz zwischen Dom und Hauptbahnhof aufhielten, waren in großer Zahl Opfer sexueller Übergriffe geworden, begangen von Gruppen junger Männer vornehmlich aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum. Vielfach wurden über die Sexualdelikte hinaus auch Eigentums- und Körperverletzungsdelikte verübt. Auch in anderen deutschen und europäischen Städten gab es derartige Vorfälle.
Seit dieser Nacht wird massiv aufgerüstet. Kaum eine Frau, die noch ohne Reizgasspray oder Elektroschocker aus dem Hause ginge, in den Handtaschen werden Pistolen, Schlagstöcke, Messer oder waffentaugliche Regenschirme mitgeführt. Vor allem aber Selbstverteidigungskurse haben Hochkonjunktur. An Volkshochschulen sind solche Kurse jeweils umgehend ausgebucht; aber auch in den Kampfsportvereinen, bislang eher orientiert an martialischen Selbstertüchtigungsbedürfnissen von Männern, werden extra Kurse für Frauen angeboten. Empfohlen von Sozialreferaten, Frauengleichstellungsstellen und Frauenbeauftragten, von Politikerinnen quer durch alle Parteien stellen Selbstverteidigungskurse für Mädchen und Frauen sich als umgehend notwendige Maßnahme dar, der vermeintlich ausufernden Gewalt von Männern - mit und ohne Migrationshintergrund - zu begegnen.
Die inzwischen flächendeckend angebotenen Selbstverteidigungskurse – ein Blick ins Netz zeitigt tausende entsprechender Angebote - stellen in erster Linie auf Techniken aus dem Repertoire fernöstlicher Nahkampfsysteme ab. Sammelbezeichnung für diese Kampfsysteme ist der japanische Begriff "Budo", was soviel bedeutet wie "Weg des Kriegers". Die bekanntesten der sogenannten "harten" Budo-Disziplinen, aus denen die Mehrzahl der einschlägigen Selbstverteidigungstechniken sich herleitet, sind Karate, Taekwondo und Kung-Fu. Es handelt sich hierbei um hochspezialisierte waffenlose Kampfsysteme, deren Wesentliches darin besteht, präzise und im Ernstfalle tödliche Stöße mit Händen und Füßen, aber auch mit Ellbogen, Knien und mit dem Kopf, mit konzentrierter Kraft und größtmöglicher Schnelligkeit gegen lebenswichtige Organe und Nervenzentren eines Gegners zu führen: Perfekt ausgetüftelte Systeme an Totschlagstechniken, die weltweit obligater Bestandteil der Ausbildung von Militär- und Polizeikräften sind.
"Ein Schlag muß genügen, den Gegner zu töten", wie es in einem häufig angeführten Zitat des südkoreanischen Armeegenerals Choi Hong-Hi heißt, der als "Vater des Taekwondo" verehrt wird. Jeff Speakman, weltweit bekannter Karatekämpfer: "Wir lernen, wie man Knie bricht, Gelenke zerschlägt und Augen eindrückt". Das Lehrprogramm der international führenden Kampfsportorganisation "Budo-Akademie Europa" gibt hierzu detaillierte Anweisungen: "Handkralle schlägt in den Kehlkopf des Angreifers, drei Finger der Hand fassen an die Luftröhre und drücken die Nerven zusammen. Die linke Hand fasst in die Haare und reißt den Kopf weit nach hinten. Die zusammengepreßten Finger drehen sich etwas und reißen im Ernstfall die Kehle auf".
Eindrücken des Kehlkopfs
Die einschlägigen Karate- und Kung-Fu-Bücher - hunderte davon sind heute auf dem Markt - überbieten sich in kampftechnischer Detailtreue. Didaktisch aufbereitet werden die einzelnen Schläge und Tritte Schritt für Schritt und illustriert mit Serienphotos zur Nachübung dargestellt: "Von hier nach links zur Seite rücken und Schlag mit der Faust zu den Hoden oder mit der Handkante zur Leber." In Lehrvideos werden "Selbstverteidigungstechniken" vorgeführt, die eigens hervorheben, dass "beim Angreifer ein bleibender Körperschaden, zum Beispiel Querschnittlähmung oder sogar Tod, eintritt". Detailliert wird etwa ein Fußtritt gegen den Hals eines bereits auf dem Boden liegenden Gegners demonstriert: "Entweder stoßen Sie von oben zum Kehlkopf, oder Sie setzen die Fußaußenkante auf den Kehlkopf und gehen über den Angreifer weg. So kommt es zum Eindrücken des Kehlkopfs. Es ist möglich, dass der Kehlkopf oder das Zungenbein dabei bricht". Besonderes Augenmerk wird in den Ratgebern auf das Verwenden von Alltagsgegenständen als Waffen gelegt: Autoschlüssel, Regenschirm, Kugelschreiber etc.: "Stich mit Nagelfeile ins Auge des Angreifers oder auch Hochstoßen ins Nasenloch".
Mögliche Bedenken hinsichtlich rechtlicher Konsequenzen werden in den Kursen, Lehrbüchern und Videos schnell zerstreut. Gebetsmühlenartig wird die sogenannte "Putativnotwehr" wiederholt, frau brauche sich nur darauf zu berufen, sich angegriffen gefühlt zu haben, und schon sei jedwede "Überschreitung der Grenzen der erforderlichen Verteidigung" gerechtfertigt; mithin der Einsatz von Budo-Kampftechnik in jeder noch so harmlosen Situation. Im übrigen gilt allemal die Maxime des Kampfkunstphilosophen Deshimaru-Roshi: "Erst denken und dann schlagen ist nicht die rechte Handlung".
Im Gefolge der Kölner Silvesternacht sind die Anmeldungen von Frauen zu Kampfsport- und Selbstverteidigungskursen nachgerade explodiert. In einer Vielzahl von Artikeln berichten die Teilnehmerinnen, dass und wie ihnen das Training zu ungeahnter Kraft und Selbstsicherheit verholfen habe: "Eine gewisse Überwindung kostete es mich", so die 24jährige Anke, "die Straßenkampftechniken zu trainieren. Ich stellte fest, dass mir als Frau eine ganze Portion Gemeinheit fehlte, wenn es beispielsweise darum ging, jemandem in die Augen zu stechen oder einen am Boden Liegenden unschädlich zu machen. Doch ich empfand es als besonders wichtig, solche Angriffssituationen immer wieder zu üben. Nur so konnte ich lernen, im Notfall handlungsfähig zu sein". Auch die 38jährige Renate wappnet sich seit einem Jahr durch Wehrsporttraining gegen männliche Übergriffe: "Zwar weiß ich nicht, was passieren würde, wenn ich einem richtigen Angreifer gegenüberstände, aber ich habe festes Vertrauen in meine Fähigkeit, mich angemessen zu verteidigen".
Verbreitet durch einschlägige Medien wird Frauennahkampftraining als nachgerade unabdingbar dargestellt. Umfänglich wird die allgegenwärtige Bedrohung beschworen, der Mädchen und Frauen unterlägen. Statistiken von Überfällen, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen werden angeführt, suggestive Szenen werden entworfen: "Stellt euch vor, ihr geht im Park spazieren und denkt an nichts Böses. Plötzlich springt jemand hinter dem Gebüsch hervor und bedroht euch". Nur die Frau, die Selbstverteidigungstechniken erlernt habe, sei gefeit. Selbstverteidigung müsse zum obligaten Unterrichtsfach in den öffentlichen Schulen werden, das Bayerische Kultusministerium hat, mit ausdrücklichem Segen des Erzbischöflichen Ordinariats, längst ein eigenes Pilotprojekt dazu gestartet.
Augen- und Hodenquetschen
In den Selbstverteidigungskursen werden verschiedene Faustschläge und Fußtritte erlernt und geübt. Sie richten sich, so eines der Lehrbücher, ausschließlich gegen "anatomische Bereiche des Körpers, in denen ein Minimum an Kraftaufwand einen maximalen Schaden verursacht". Folglich: "Kehle, Augen und Hoden sind die einzigen Körperteile, um die es geht". Vielfach orientiert sich das Selbstverteidigungstraining an der sogenannten "Conroy-Methode", einer Zusammenstellung der angeblich wirksamsten Verhaltensweisen für Frauen in Gewaltsituationen. Die Methode, detailliert beschrieben in einem Lehrbuch der amerikanischen Nahkampfexpertin Mary Conroy, basiert auf lediglich sieben Kampftechniken, aufgelistet nach "Bedeutung und Brauchbarkeit": 1. Augenquetschen mit dem Daumen. 2. Hodenquetschen. 3. Fingerstoß in die Augen. 4. Kniestoß in die Hoden. 5. Doppelhandschlag gegen das Genick (Folgetechnik). 6. Tritte (Folgetechnik). 7. Schreien. Die einzelnen "Taktiken" werden genau erläutert: "Um die Methode des Augenquetschens anzuwenden, müssen Sie den Kopf Ihres Angreifers fest zwischen beide Hände nehmen und dabei auf die Ohren drücken. Dann drücken Sie so kräftig wie möglich Ihre Daumen in seine Augenhöhlen. Anders hingegen die Technik des "Hodenquetschens": "Greifen Sie Ihrem Angreifer einfach zwischen die Beine nach dem Hodensack, packen seine Hoden, drücken kräftig zu und führen eine heftige Dreh- und Ziehbewegung durch." Außerordentlich wichtig sei es, das "Hodenquetschen mit voller Kraft zu üben. Deshalb schlagen wir vor, dass Sie zwei Golfbälle in eine Socke legen und diese an einen Türgriff binden. Üben Sie dann, aus verschiedenen Richtungen zuzupacken und zu zerren." Conroy-Anweisung für Gegenwehr, wenn eine Frau "ohne Vorwarnung festgehalten" wird: "1. Beginnen Sie jeden Gegenangriff mit einem gellenden Schrei - Ahhh. 2. Zwingen Sie den Angreifer durch Augenquetschen, Hodensackzerren, Schläge und Tritte zu Boden. 3. Versetzen Sie ihm solange weitere Tritte, bis er völlig außer Gefecht gesetzt ist." Um die Bewegungsunfähigkeit des Angreifers zu sichern, rät Conroy zur "Taktik des Kniebrechens": "Sobald Sie Ihren Angreifer mit der Technik des Augenquetschens, mit Schlägen und Tritten besinnungslos gemacht haben, rollen Sie ihn auf den Rücken, packen sein Bein fest mit beiden Händen und treten mit aller Wucht das Knie durch."
"Schäumt vor Wut"
Im deutschsprachigen Raum weit verbreitet ist das Kampfsystem Wing-Tsun, eine Variante des chinesischen Kung-Fu. Angeblich von einer "Kampfnonne" des Shaolin-Klosters namens Ng Mui entwickelt stellt Wing-Tsun sich eben deshalb als ganz besonders für Frauen geeignetes Kampf- und Selbstverteidigungssystem dar. Ziel ist die "bedingungslose Ausschaltung des angreifenden Objekts". Die Ausschaltungsschläge und -tritte dieses "raffiniertesten Kampfsystems der Welt" (Eigenwerbung) heißen "Adamsapfelschlag", "Hodentritt" und "Eierreissen". Wing-Tsun wird in Wochenendlehrgängen aber auch in fortlaufenden Kursen gelehrt. Auch das vom israelischen Militär entwickelte Nahkampfsystem des Krav Maga greift hierzulande um sich. Krav Maga kennt, eigenem Bekunden zufolge, keine Regeln: "Erlaubt ist, was den Gegner unschädlich macht".
Zunehmend wird auch sogenanntes "Model-Mugging" angeboten. Bei dieser Methode, entwickelt von dem amerikanischen Karatelehrer Matt Thomas, trainieren Frauen in simulierten Vergewaltigungssituationen mit einem gepanzerten Mann, der sie verbal und tätlich angreift. Auf diesen Mann wird nun mit größter Wucht eingetreten und eingeschlagen, in erster Linie, um das "typisch weibliche 'Nicht-verletzen-Wollen'" als das "größte Hemmnis für Frauen bei der Selbstverteidigung" abzubauen.
"Schäumt vor Wut und die Schlagkraft wächst", heißt es bei Wing-Tsun. Für Frauen wird Nahkampftraining als ideale Möglichkeit der Selbstfreisetzung beschrieben: "Aggressionen freien Lauf zu lassen ist für viele Frauen nicht selbstverständlich", so die 44jährige Yvonne. "Bereits im Kindesalter sollen Mädchen brav und vernünftig sein. Anfangs fiel es mir schwer, richtig zuzuschlagen. Der Sandsack im Trainingsraum war für mich eine gute Möglichkeit, um die Technik des Boxens und des Fußtretens zu üben. Es bot mir zudem die Gelegenheit, mit den eigenen, geweckten Aggressionen zu spielen und einfach richtig draufzuhauen". Ob freilich jenseits der wachsenden Aggressivität sich auch das angestrebte Sicherheitsgefühl einstellt, bleibt, entgegen aller Behauptungen, zu bezweifeln.
Paranoides Bedrohtseinsgefühl
Tatsache ist, dass die im Training simulierten Übergriffs- und Gewaltsituationen zunehmend die ganze Welt als feindselig erscheinen lassen: alles und jedes wird zur Bedrohung, wogegen nur weitere Aufrüstung zu feien verspricht. Eine Teufelsspirale: Ängste und Bedrohtseinsgefühle, aus denen heraus ein Mädchen oder eine Frau einen Karate- oder Selbstverteidigungskurs belegen, werden mit jedem eingeübten Fauststoß und Fußtritt noch verstärkt. Das Gefühl des Bedrohtseins in einer real bedrohlichen Situation wird zum neurotischen Gefühl des Allbedrohtseins. Krav Maga-Trainerin Nicole: "Überall, wo ich hingehe, was ich auch mache, ich werde provoziert und angegriffen"
Das Gefühl permanenter Bedrohung, dem sich Nahkampfpraktizierende ausgesetzt sehen, führt zu permanenter "Alarmbereitschaft", zu ständiger "Hochspannung" im Organismus. Nach der Teilnahme an einem Selbstverteidigungskurs geht eine Frau, die auf der Straße nach dem Weg gefragt wird, ganz reflexhaft erst einmal in die antrainierte Karate-Abwehrstellung: es könnte sich ja um einen Überfall handeln. Der harmlose Passant kann von Glück sprechen, wenn er nicht gleich ein Knie in den Unterleib gerammt bekommt. In den Umkleidekabinen der Kampfsportvereine werden denn auch die schauerlichsten Geschichten gehandelt: "Der Typ, der mich da angemacht hat, ein Kin-Geri (=Karate-Tritt) und hatte Rühreier in der Hose".
Die Angst der Frauen vor gewalttätigen Übergriffen ist nachvollziehbar und ernstzunehmen. Individuelle Aufrüstung mit Karate oder dergleichen kann allerdings nicht die Lösung sein. Es wäre dies so unsinnig - und fatal!, wie sich in den USA zeigt -, wie eine Aufrüstung mit Handfeuerwaffen. Die objektive Sicherheit sänke durch Steigerung des Gewaltpotentials, das subjektive Bedrohtseinsgefühl, das ohnehin in künstlich verzerrter Relation zur tatsächlichen Bedrohung steht, steigerte sich ins Paranoide.
Vielfach versteht Frauen-Selbstverteidigungstraining sich auch als "therapeutisches" Medium. Obgleich manch ansonsten eher friedfertig wirkende Frau im Zuge des Einprügelns auf einen Sandsack ein Maß an Blutrunst freisetzt, das den Anschein erweckt, als breche sich Haßenergie aus Jahrtausenden patriarchaler Unterdrückung ihre kathartische Bahn, trägt derlei Übung doch zu keinerlei Selbstbefreiung bei, sondern, ganz im Gegenteil, bedingt in der simplen Umkehrung der Gewaltverhältnisse gerade deren Fortschreibung.
Bestenfalls kann das Üben von Schlägen und Tritten als Unterstützung dienen im therapeutischen Prozeß der Bearbeitung traumatischer Widerfahrnisse, sprich: sexueller oder sonstiger gewalttätiger Übergriffserfahrungen in früher Kindheit bis hin zu solchen im Erwachsenenalter. Derlei Übung kann - qualifizierte therapeutische Begleitung vorausgesetzt - einen Schritt darstellen, Stärke zu spüren, körperlich erfahrbares Selbstbewußtsein zu entwickeln. Dabei kann es nicht darum gehen, Männern "in die Eier treten" zu lernen, obgleich verständlich und therapeutisch zunächst notwendig sein mag, wenn Frauen derlei Gewaltphantasien entwickeln. Auf dieser Stufe der Vergeltung - "Auge um Auge, Zahn um Zahn" - stehen zu bleiben, schreibt die Gewalterfahrung, gegen die es anzugehen gilt, indes in alle Ewigkeit fort. Es ändert sich lediglich die eigene Position innerhalb der Gewaltverhältnisse, diese selbst bleiben unverändert: Frau wird selbst zur Gewalttäterin.
Ob WingTsun- oder Krav Maga-Kenntnisse auf dem Kölner Domplatz geholfen hätten? Wenn eine Frau dem ersten, der sie da begrapscht hat, in die Eier getreten hätte?
32 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"detaillierte Anweisungen" also nicht nur in Kampfsportlehrprogrammen, sondern auch im hpd? Überflüssig, meine ich.
malte am Permanenter Link
"Die Angst der Frauen vor gewalttätigen Übergriffen ist nachvollziehbar und ernstzunehmen. Individuelle Aufrüstung mit Karate oder dergleichen kann allerdings nicht die Lösung sein."
Wenn Selbstverteidigung nicht die Lösung sein soll - wie sieht sie dann aus? Darüber schweigt der Autor sich dezent aus. Und als einziges Argument gegen den Kampfsport die nicht näher belegte Behauptung, durch das Training werde eine Art Paranoia erzeugt. Ein absolut verzichtbarer Artikel.
"Ob WingTsun- oder Krav Maga-Kenntnisse auf dem Kölner Domplatz geholfen hätten? Wenn eine Frau dem ersten, der sie da begrapscht hat, in die Eier getreten hätte?"
Vermutlich: ja. Zumindest wäre es die am nachhaltigsten wirksame Reaktion gewesen. Typen wie im Mob auf dem Domplatz brauchen klare Signale: Dass Frauen NICHT schwach sind, dass sie NICHT verfügbar sind. Was könnte das besser zum Ausdruck bringen als ein kräftiger Tritt in die Eier?
Stefan Wagner am Permanenter Link
Ich kann die Argumentation nicht nachvollziehen.
Wieso soll eine Person, die Kampftechnik gelernt hat, ängstlicher sein als zuvor? Ich denke im Gegenteil wird eine Frau, die sich zutraut sich zu wehren schon selbstsicherer auftreten.
Dass Notwehrexzess keine angemessene Strategie ist und ein Gegner, der so auf dem Boden liegt, dass man ihn auf den Rücken drehen könnte, um ihm das Knie zu brechen, auch einfach zurückgelassen werden kann - geschenkt.
"Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist auch eine Maxime der Rache, nicht der Notwehr.
Wieviele Frauen jetzt wirklich aufgerüstet haben weiß ich auch nicht - dazu hätte man die Zahl solcher Kurse vor Sylvester 2015 erheben müssen. Dass Volkshochschulen auch nur 1% der Frauen von ihren Kapazitäten trainieren könnten bezweifle ich auch. Auf 30 Mio. wehrfähige Frauen sind tausende Angebote auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bei 10 Kursen in Folge a 10 Teilnehmerinnen wären das dann hunderttausende Frauen.
Erwin Schmid am Permanenter Link
Gewaltspirale stoppen durch sozial verträgliche Be "fried" igung der menschlichen Bedürfnisse in einem demokratischen Erkenntnis- und Entscheidungsprozess.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Wirkungsvoller als die aufgeführten Kampf- und Totschlagtechniken ist das von Rüdiger Lenz entwickelte Nichtkampf-Prinzip.
ursula hollwedel am Permanenter Link
Ach ja? Also Hausarrest für Frauen, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit?
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Das Nichtkampf-Prinzip betrifft Männer und Frauen. Es geht doch nicht um Hausarrest!
pavlovic am Permanenter Link
Ich habe selbst habe zwei Jahre lang die friedlichste unter den Kampfsportarten "Aikido" als Hochschulsport betrieben bis ich nicht eine heftige Knieverletzung erlitt.
Als langjähriger Mobbing-Berater bei einer Gewerkschaft beobachte ich mit Schrecken die um sich greifende RTL-Erniedrigungs-Kultur bei der "sadistischer Spaß" vorgelebt wird. Fast noch schlimmer finde ich die kaum steigerbare Unkultur in Talkshows bei der niemand mehr ausreden kann, Moderatoren einem ständig ins Wort fallen und mit Fragen an der Grenze des erträglichen operieren. Schon seit vielen Jahren schaue ich daher keine Talkshow mehr. Und schalte bei den langweiligen Politiker-Reden sofort weg, denn es tauchen fast nur rhetorische Floskeln auf, die jeder halbwegs gebildete Mensch durchschaut. Der Hauptgrund für diese Niveaulosigkeit liegt an der Einführung des Privatfernsehens durch Helmut Kohl, damit hat man die Gestaltung des öffentlichen Raums - wenn man Fernsehen als solches definiert - sich aus der Hand nehmen lassen und der Quote überlassen. Dies geschah von konservativer Seite hauptsächlich um die linksliberale Medien-Hochheit zu brechen. Nach dem gleichen System wurde der Focus dem Spiegel an die Seite gestellt oder in Hessen der private Hörfunk-Sender FFH dem Hessischen Rundfunk - auch damals "Rotfunk" genannt - an die Seite gestellt, bis man es nicht schaffte die Rundfunkräte unter der Ära Koch und Bouffier massiv umzugestalten.
Thomas Baader am Permanenter Link
"die armen Leute die aus Geldnot meinten einen Überfall machen zu müssen"
Na, da kommen einem ja die Tränen. Die armen Unterprivilegierten, die sich nicht anders zu helfen wissen, als in einer Tankstelle jemandem mit der Waffe vor der Nase rumzufuchteln...
Betrachten wir doch mal die Opferseite. Ich kenne persönlich jemanden, die als junge Frau Anfang 20 in einer Tankstelle gearbeitet hat, als ein maskierter Mann reinkam, sie anbrüllte, ihr eine Pistole vors Gesicht hielt und wieder mit dem Geld verschwand.
Also nix passiert, mögen manche Gemüter nun denken.
Fehlanzeige. Die junge Frau hat diese Momente der Todesangst nicht gut verkraftet. Sie musste ihre Arbeit in der Tankstelle aufgeben, weil sie jedes Mal Angstzustände kriege, wenn ein neuer Kunde hereinkam. Was dann folgte, war eine Jahre andauernde Therapie.
Angesichts dessen, was ein Tankstellenüberfall psychisch beim Personal anrichten kann, halte ich es für völlig unangebracht, die Täter mit derartigen Formulierungen zu verhamrlosen - auch dann, wenn man damit die Trittwütigkeit mancher Kampfsportler kritisieren will.
pavlovic am Permanenter Link
Ja, die Opferseite sollte nicht nur berücksichtigt werden, sondern auch gewürdigt werden. Für deren Unterstützung wird viel zuwenig getan.
Unechter Pole am Permanenter Link
Die Gewalt trifft nicht nur Frauen. Viel häufiger werden Männer Opfer von Gewaltverbrechen.
Paul am Permanenter Link
Warum sollte Frau an Sylvester den Bahnhof oder den Domplatz in Köln meiden, nur weil sich dort eine Klientel aufhält, denen es an Selbstbeherrschung mangelt, die Frauen ohne Kopftuch und männliche Begleitung als Frei
MartinT am Permanenter Link
Der Sinn solcher Kurse ist - damals wie heute - potentiellen Opfern (und das sind nicht nur Frauen!) das nötige Selbstvertrauen und ein par Grundtechniken zu geben, damit sie in Ernstfall überhaupt widerstand leisten.
Ja, solche Kenntnisse hätten geholfen, da in modernen Kursen vermittelt wird Gefahrensituationen zu erkennen und ihnen aus dem Weg zu gehen. Wenn das nicht funktioniert lernt man Techniken zur De-eskalation und "sanfte" Techniken, wie sie z.B. die Polizei anwendet (verbiegt man jemandem der einen Anfaßt den Daumen ist die Situation oft schon vorbei und der hat keine Lust mehr) und wenn es mal nicht reicht läßt man sich nicht alles gefallen und hat damit gute Chancen dem zu entgehen. Ich kann jedem Menschen nur empfehlen einen solchen Kurs gemacht zu haben.
Was sich geändert hat ist die *gefühlte* Bedrohung, aber das ist doch ein Problem der Medien, nicht der Kursanbieter? Wenn jeder von uns so einen Kurs besucht hätte und *alle* sich bemühen würden: Ärger aus dem Weg zu gehen und gefährliche Situationen zu de-eskalieren bevor man zuschlägt, dann würde sich nie wieder jemand Prügeln... (oder versuchen durch eine Jeans erfolglos nach Hoden zu greifen während er/sie Ellenbogenhiebe ins Gesicht bekommt).
Peter Schmidmeister am Permanenter Link
Wenn es der Staat nicht schafft, friedlich feiern wollende Frauen zu beschützen und diese trotzdem auf die Domplatte gehen möchten, dann sind diese Frauen gut beraten, wenn sie den einen oder anderen Schlag beherrsche
Thomas Baader am Permanenter Link
Der Autor hat ein paar richtige Punkt, schießt dann aber deutlich über das Ziel hinaus.
Richtig ist, dass manche Kampfsportschulen Techniken vermitteln, die übertrieben hart sind, und beim Training fiktive Situationen durchspielen, bei denen der tödliche oder verkrüppelnde Schlag des Opfers gegen den Angreifer eindeutig nicht mehr vom Recht auf Selbstverteidigung gedeckt wäre. Einem bereits am Boden liegenden Gegner darf man nun mal nicht als Mittel der Selbstverteidigung den Kehlkopf eindrücken.
Auf der anderen Seite aber ist es falsch, deshalb den Kampfsportarten pauschal jeden Nutzen abzusprechen. Wenn ein guter und verantwortungsbewusster Lehrer Techniken beibringt, wie man einer gefährlichen Situation entkommt bzw. den Gegner vorübergehend kampfunfähig macht, ist daran nichts Verkehrtes.
Dass Kampfsporttraining paranoid oder ängstlich macht, lässt sich meines Wissens nicht mit entsprechenden wissenschaftlich erhobenen Befunden belegen. Und solange das nicht der Fall ist, weiß ich nicht, was eine solche Behauptung auf einer Website soll, die sich der Rationalität und nicht der Junk Science verschrieben hat.
Um eines klarzustellen: Wenn meine Tochter in eine entsprechende Situation geriete, würde ich ihr auch empfehlen, sich WÄHREND DER SITUATION (aber eben nicht danach!) ohne Rücksicht zu wehren. Und das wäre dann auch tatsächlich vom deutschen Recht gedeckt.
Ich erinnere mal an absurde Situationen wir in Dänemark: Da hat eine junge Frau vor einigen Monaten verhindert, dass sie vergewaltigt wurde, indem sie den Angrteifer mit Pfefferspray abwehrte. Danach wurde gegen sie ermittelt, denn Pfefferspray ist in Dänemark illegal. Ohne Pfefferspray aber wäre sie jetzt wohl ein Vergewaltigungsopfer, möglicherweise sogar tot! Sorry, aber man KANN nun mal gerechtfertigte Selbstverteidigung nicht kriminalisieren. Diesen Unterschied sollte der Autor schon sehen.
Claudia am Permanenter Link
Menschen die Kampfsport betreiben (Karate, Taekwondo, Boxen etc.), sind in ihrem Alltag weitaus häufiger in gewalttätige Konflikte verwickelt, als Menschen, die meinetwegen Volleyball oder Eiskunstlauf betreiben.
Im Übrigen stellen sich potentielle Angreifer vermutlich darauf ein, zunehmend auf wehrsportgeübte Frauen zu treffen: sie gehen selbst in einen Kampfsportverein und lernen, effizient zuzuschlagen und zuzutreten; oder sie bewaffnen sich einfach selbst mit Reizgas oder Elektroschocker. Sie haben als Angreifer den Vorteil des "ersten Schlages".
ps: Was hätte es einer Frau in der Kölner Silvesternacht 2015/16 geholfen, einem der Angreifer in den Unterleib zu treten? Wäre sie unbeschadet aus der Umzingelung durch 20, 30 oder mehr gewaltbereite junge Männer entkommen? Oder anders gefragt: Hätten sich all die LeserbriefschreiberInnen, die hier für das individuelle Faustrecht eintreten, getraut (oder es für sinnvoll gehalten), einem dieser Männer mit einem gezielten Schlag die Nase zu brechen? Ungeachtet der Frage, ob dieser Angreifer es "verdient" hätte?
Thomas Baader am Permanenter Link
Um ihre Frage zu beantworten: Ja, es gibt Situationen, in denen Kampfsportkünste nichts nützen. Ob die Silvesternacht dazu gehört, kann ich nicht beurteilen.
Es gibt aber auch das Gegenteil. Natürlich finden Sie auch Beispiel dafür, dass eine Frau dank Kenntnisse in Selbstverteidigung einer Vergewaltigung entronnen ist.
Eine Gegenfrage: Gibt es auch eine verlässliche Quelle zu der Behauptung, dass Menschen, die Kampfsportkenntnisse haben, häufiger in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt sind?
Ilse Ermen am Permanenter Link
In der Tat ein überflüssiger Artikel, wie die meisten Kommentator_innen meinen.
Also Mädels, bitte trainieren!
Ilse Ermen am Permanenter Link
P.S. Schaut Euch doch den ägyptischen Film: Kairo 678 (deutschen Titel kenne ich nicht) von Mohammed Diab an, der erzählt davon, wie Frauen sich wehren.
Gerd Gerbert am Permanenter Link
Stufe Eins.
Thomas Baader am Permanenter Link
"Würde sie vor Gericht nicht noch wegen Unverhältnismäßigkeit verklagt werden?"
Nicht unbedingt. Und falls doch: Lieber vor Gericht verklagt als vergewaltigt und/oder ermordet.
Es mag einige abweichende Urteile geben (die auch in der Presse zu finden sind), aber eigentlich gilt:
§ 33 Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
In einer Situation, in der Sie (zu Recht) von schierer Todesangst beherrscht sind, ist von Ihnen nicht zu erwarten, über Verhältnismäßigkeit zu philosophieren.
Ein paar Beispiel (reale Fälle):
- Eine Juwelierin erschießt den Räuber (übrigens in den Hinterkopf). Sie erhält eine Bewährungsstrafe - wegen unterlassener Hilfeleistung und Vertoß gegen das Waffengesetz, nicht wegen der Tötung. Die wird vom Gericht als Notwehr anerkannt und bleibt somit straffrei.
- Ein Jugendlicher wird - mit Schlägen - von einem anderen angegriffen. Der Angegriffene zieht ein Messer und sticht panisch zu. Einer der Stiche ist tödlich. Die Staatsanwaltschaft erhebt noch nicht einmal Anklage, die Notwehrsituation war zu offensichtlich.
Thomas am Permanenter Link
Liebe Claudia,
Sie sprechen mir aus der Seele. Die USA, ein Land in dem der Besitz und Gebrauch von Handfeuerwaffen zur Verteidigung von Leib und Leben legal ist, hat unter den zivilisierten, demokratischen Staaten dieser Erde eine der höchsten Mordraten je 100.000 Einwohner. Frauen leben durch "Aufrüstung" also keinesfalls sicherer, im Gegenteil.
Wozu diese "Aufrüstung" aber in jedem Fall führt, ist eine Reaktion der Gegenseite, da bin ich ebenfalls ganz Ihrer Meinung. Der Angreifer oder die Angreiferin stellt sich auf Gegenwehr ein und wird umso heftiger und brutaler vorgehen. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft zur "Selbstverteidigung" in den Konflikt zu gehen - eine einzige Gewaltspirale.
Ein weiterer, und in meinen Augen der gravierendste Nebeneffekt dieser "Aufrüstung ist jedoch die Spaltung der Gesellschaft. Als Mann bin ich es mittlerweile wirklich leid, ständig als Triebtäter oder potenzieller Vergewaltiger verunglimpft zu werden.
Ich bin Ehemann, Vater, Bruder, Sohn, Kollege und habe Frauen IMMER mit dem allergrößten Respekt behandelt - so wie die allermeisten Männer in diesem Land das auch tun! Ich möchte weder in Sippenhaft genommen werden noch eine vermeintliche Erbschuld abtragen, nur weil ich ein Mann bin.
In diesem Zusammenhang ist es für mich der reinste Sexismus, den Tritt zwischen die Beine eines Mannes als ein in allen Lebenslagen adäquates, unproblematisches Mittel darzustellen und allenthalben die Herabsenkung der Hemmschwelle zu fordern und so zu tun, als sei die Anwendung bei jeglichem subjektiven Bedrohungsempfinden einer Frau, vollkommen in Ordnung.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Sexualstraftäter/-täterinnen gehören hart bestraft. Doch das sollte in meinen Augen nun mal Aufgabe von Polizei und Justiz bleiben.
Gabriele Wruck am Permanenter Link
Sie führen als Argument gegen Selbstverteidigungskurse die höhere Mordrate in den USA an, die Sie ohne Umweg auf den dort deutlich verbreiteteren Besitz und Gebrauch von Handfeuerwaffen zurückführen.
Frauen, die Selbstverteidigung üben, denken dabei nicht in erster Linie an Mord. Sondern an die Wahrung ihrer Würde und ihrer Gesundheit, die es wiederum ohne die Würde nicht geben kann. Es ist besser zu sterben, als sich kampflos in ein solches, dann auch noch ungeahndetes „Schicksal“ zu fügen.
Die Empfehlung, bei der sogenannten Bestrafung auf Polizei und Justiz zu warten, ist blanker Hohn. Das ist, wie am Südpol auf die Badesaison zu warten. Selbst wenn es an wenigen Tagen gehen würde, ist dann kein Strand da. Wegen der Unschuldsvermutung genügt es, wenn die Verteidigung des Täters einen Restzweifel streut. Bei einem Verbrechen, das in der Regel ohne Zeugen stattfindet (wenn man mal von den vielen traumatisierten Kindern absieht; jüngstes BEKANNT GEWORDENES Beispiel hier: http://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/830003/zwei-frauen-vor-augen-eines-kindes-vergewaltigt-1 ), ist das Standard. Um den meist ergebnislosen Verfahren mit extra ausführlichen, retraumatisierenden Vernehmungen, bei denen das Ganze noch mal schööön ausgebreitet wird, und den die Opfer durch ihre unerträgliche Belanglosigkeit nur noch mehr verhöhnenden Urteilen zu entgehen, zeigt kaum eine Frau eine Vergewaltigung an.
Jede Statistik zu Vergewaltigungen ist deshalb haltlos. Bestenfalls kann man von angezeigten Vergewaltigungen reden, aber wozu? Der Punkt ist doch:
Wenn wir es nicht selbst machen, macht es keiner!
Dem Richter sind die Hände gebunden, denn es gibt keine Beweise. („Sie hat gesagt, sie will es auch. Jetzt will sie sich an mir rächen, weil ich Schluss gemacht habe.“) Was soll der Richter da machen? Zeugen gibt es sowieso nicht. Wenn es tatsächlich mal Zeugen gibt, verduften sie gerne schnell. („Ich will keinen Ärger.“) In Heide/Dithm. ist in den 90er Jahren sogar eine junge Frau in der Fußgängerzone vergewaltigt worden, am hellichten Nachmittag, die Passanten schlenderten einfach weiter, keiner hat ihr geholfen. („Wir dachten, es wäre ein Streit.“)
Und selbst wenn es Videoaufnahmen und rechtsmedizinische Eindeutigkeiten gibt, fällt das Urteil, abgestützt auf ein psychologisches Gutachten, das dem Täter attestiert, vorher drei Bier getrunken und schon am Morgen in schlechter Stimmung aufgewacht, ja vielleicht sogar im Schulalter ein Schlüsselkind gewesen zu sein, so aus, dass der Täter dem Opfer gleich nochmal dreckig ins Gesicht lachen kann. Falls er ausnahmsweise tatsächlich in Haft kommt, wird er wegen guter Führung und Sozialprognose beizeiten wieder entlassen.
Das Vorhandensein von Nachkommen und einem festen Arbeitsplatz dient in Deutschland ernsthaft als Hinweis darauf, dass jemand keine weitere Vergewaltigung begeht. Nein, das ist ja auch logisch. Wenn in meinem Kühlschrank genügend Gemüse und Getränke liegen und meine Lieblingsmannschaft seit Jahren erfolgreich in der ersten Liga spielt, ist doch völlig klar, dass ich mit meinem Auto niemanden zu Tode rase…
Warum ist meine Fähigkeit, mich im Ernstfall zu wehren, für Sie eine Beleidigung und Verunglimpfung als Triebtäter? Ich soll also wehrlos sein, falls jemand vorbeikommt, der mich nicht angehen will? Würden Sie sich freiwillig und wider besseres Wissen abhängig machen von der Gönnerhaftigkeit anderer? Und warum sollen die, die sich wehren, schuld an der Gewalt sein?
Wenn Sie kein Täter sind, dann sind Sie keiner. Dann müssen Sie sich diesen Schuh nicht anziehen. Punkt.
Nur leider kann ich das von außen nicht sehen. Meine Lebensrealität (und das ist kein Vorwurf an Sie sondern ich trage Ihnen an, um des Verständnisses und der Auflösung Ihrer Sorge willen meine Perspektive einzunehmen) ist: Ich weiß nicht, wer hier als Nächstes ein Täter ist und wer nicht. Deshalb muss ich jederzeit bereit sein, einen Angriff abzuwehren.
Ich verstehe nicht, warum darauf so empfindlich reagiert wird. Die Feuerwehr trainiert doch auch für den Ernstfall. Und obwohl bekannt ist, dass es Feuerwehrleute gibt, die extra Brände legen, um endlich mal der Held im Einsatz sein zu können, bezeichnet niemand ernsthaft die Feuerwehr als abzuschaffendes Übel, das die Brandspirale hochschraubt. Oder wollen Sie eine Bundeswehr, die beim Einmarsch welcher anderen Armee auch immer nach Hause rennt und die Gardinen zuzieht, damit die Gewaltspirale sich nicht dreht? Das wäre nämlich das Pendant zu: Wenn das Frauchen nicht vergewaltigt werden will, dann soll es doch zu Hause bleiben.
Mein Bruder lebt seit vielen Jahren in Kanada, seine Kinder haben in der Schule Selbstverteidigung, als laufenden Kurs. Der ist optional, wird aber von den meisten belegt.
Und auch in unserer Schulzeit (POS) bestand unser Sportunterricht der 9. Klasse aus Judo, verpflichtend für alle, wodurch auch das zarteste Häschen endlich mal ein Gefühl für sein physisches Potential bekam. Und natürlich verschwindet auf diese Weise der Glaube, dass Kämpfen nichts für Mädchen sei. Das Erlernen (und bis heute konsequente Üben) praxistauglicher Kampftechniken war eine der wichtigsten Erfahrungen in meinem Leben! Und es hat meine Lebensqualität gerettet. Als wenig später mein Heimweg von der Bahn 3km durch den Wald führte und ich nach dem Aussteigen regelmäßig auf die kopierten Zettel „gesucht wird“ mitsamt den Fotos der gleichaltrigen Mädchen blicken musste, wäre sonst jeder Gang ein Horrorgang gewesen. Es war auch so nicht lustig, denn ständig auf Alarm zu sein, ist ja kein Spaß. Dennoch gibt es immer wieder Gelegenheiten, in denen ich auf Alarm schalte. Vernünftigerweise.
Wenn du attackiert wirst, dann oft so, dass flüchten gar keine Option ist. Dann kannst du nur noch kämpfen. Und dann ist es gut, wenn du es KANNST.
Thomas am Permanenter Link
@ Frau Wruck: Puuh, ziemlich harter Tobak ihr Post. Es fällt mir schwer darauf noch eine adäquate Antwort zu finden. Vielleicht soviel: Jede Vergewaltigung ist eine zuviel, das sind wir uns vollkommen einig.
Warum ich auf Ihre Äußerungen so empfindlich reagiere? Hamburgs Grünen-Vize Michael Gwosdz hatte im Januar 2016 ALLE Männer als potenzielle Vergewaltiger bezeichnet. Stellen Sie sich bitte mal vor, er hätte etwas ähnlich diffamierendes über Frauen geäußert, er wäre mit Sicherheit nicht mehr im Amt.
Sobald wir den Respekt und die Wertschätzung für einander verlieren und geistigen Brandstiftern die Bühne überlassen, verlieren wir alle - Männer UND Frauen.
Jana Richter am Permanenter Link
"Ich bin dankbar dafür, dass wir in Deutschland vor Willkür und Selbstjustiz geschützt sind."
"Die Empfehlung, bei der sogenannten Bestrafung auf Polizei und Justiz zu warten, ist blanker Hohn." - Ich kenne keinen Satz, der meine Erfahrungen in der Arbeit mit Gewaltopfern treffender beschreiben würde!
Gabriele Wruck am Permanenter Link
„Jede Vergewaltigung ist eine zuviel“ – Warme Worte. Könnten von einem Politiker sein.
Warum steht es für Sie „außerhalb unserer demokratischen Grundordnung“, wenn ich nach jahrelanger Kenntnisnahme der hiesigen Praxis nicht mehr mit einer angemessenen Reaktion des Staates rechne? Ihr treuherziger Glaube an die deutsche Polizei und Justiz in allen Ehren, aber was ich beschrieben habe, ist die annähernde praktische Unmöglichkeit, das Verbrechen Vergewaltigung auf rechtsstaatlicher Basis zu ahnden. Es ist das klassische Aussage-gegen-Aussage-und-im-Zweifel-für-den-Angeklagten-Dilemma.
Meine einzige Möglichkeit, den Täter dranzukriegen, besteht in der sichergestellten Verteidigung meiner selbst, also in der konkreten Situation. Dann gibt es auch keinen Zweifel bezüglich der Adresse. Hierzu muss auch kein „Faustrecht für Frauen“ eingeführt werden, denn ich HABE bereits das Recht, jemanden, der mich körperlich attackiert, mit meiner Faust und anderem bekanntzumachen. Und dieses Recht haben auch nicht allein Frauen, sondern jeder Mensch, auch Sie.
Daran ändert auch die sexistische Bemerkung des Hamburger Grünen-Vizes nichts. Denn tatsächlich sind nicht nur Männer, sondern alle Menschen potentielle Vergewaltiger. Ich vermute, dass Michael Gwosdz mit seiner Bemerkung aber auch nur das zum Ausdruck bringen wollte, was ich in meinem vorangegangenen Kommentar im Absatz „Nur leider …“ erklärt habe.
Anderes Bsp.: Wenn ich in einer Stadt ein Restaurant eröffne, sind erstmal alle Bewohner der Stadt gleichermaßen potentielle Gäste für mich. Damit habe ich doch nicht behauptet, dass alle Bewohner der Stadt meine Gäste sind. Ich sage damit nur, dass ich mir bezüglich jedes einzelnen Bewohners der Stadt eine gewisse Wahrscheinlichkeit ausrechnen kann, dass er mal mein Gast sein wird. Und da ich bis auf wenige Ausnahmen über die meisten Leute nichts weiß, kann ich auch keinen Unterschied machen, wer wahrscheinlich eher vorbeikommt und wer eher nicht. Sie verstehen? Ein Link zum genauen Wortlaut der Äußerung wäre hilfreich, um mich wirklich dazu äußern zu können.
Und was ist denn Ihr Vorschlag? In Ihrem ersten Kommentar haben Sie noch vehement gegen die böse „Aufrüstung“ gewettert, im Kommentar darauf waren Sie mit der Selbstverteidigung und der geeigneten Vorbereitung darauf einverstanden.
Gleichzeitig geht für mich aus Ihren Worten hervor, dass Sie Frauen anempfehlen, ihre Demütigung und Verletzung einfach so hinzunehmen. Das ist inakzeptabel.
Sie regen sich wegen einer Verdächtigung auf und verlangen gleichzeitig von anderen, reale Gewalt zu akzeptieren.
Thomas am Permanenter Link
http://m.spiegel.de/kultur/gesellschaft/a-1129326.html
Hallo Frau Wruck,
ich sage es gern noch einmal: jede Vergewaltigung ist eine zu viel UND jeder Mensch hat selbstverständlich das recht sich dagegen mit dem ihm/ihr zu Verfügung stehenden Mitteln zu wehren. Und wenn ihnen ein Selbstverteidigungskurs dabei das Gefühl von mehr (Selbst-)Sicherheit gibt, bitteschön - auch wenn ich persönlich "Aufrüstung" für kontraproduktiv halte.
Aber das zuvor Gesagte kann für mich eben alles nur auf Basis unserer demokratischen Rechtsordnung erfolgen!
Warum ist das Vertrauen in Polizei und Justiz so wichtig? Weil wir sonst ganz schnell in eine "wir-gegen-die-Situation" geraten - einen Krieg der Geschlechter - den keiner von uns gewinnen kann und der auch keinem nützt.
Was ich damit meine? Sehen Sie sich den beigefügten Link zu einer Kolumne von Margarete Storkowski auf Spiegel Online an. Ja, "nur" eine Kolumne in die sich viel hineininterpretieren lässt. Doch für mich kommt es einem Aufruf zu einem Verbrechen gleich.
Ich bin wahrlich kein Fan von Gauland oder Hocke aber das, was da indirekt gefordert wird, geht zu weit! Stokowski zerstört damit für mich nicht nur die Glaubwürdigkeit des Spiegel, sondern in allererster Linie die Glaubwürdigkeit IHRES Anliegen.
PS. Gwodosz und seine sexistische Bemerkung finden sie ganz leicht im Internet, wenn sie seinen Namen googlen.
Gabriele Wruck am Permanenter Link
Würden Sie vertrauensvoll eine Krankenversicherung wählen, die mit über 95%iger Wahrscheinlichkeit jede Kostenübernahme im Krankheitsfall mit guten Gründen aus dem Katalog ablehnen wird?
Die Stokowski-Kolumne habe ich gelesen. Und verstanden. Ich habe den Eindruck, auf Sie trifft nur Ersteres zu. Denn der Interpretationsrahmen ist doch relativ eng: Frau Stokowski kritisiert in ihrer Kolumne auf sehr sarkastische, überspitzende Weise die mit konstanter Boshaftigkeit immer wieder aufgestellte, zur Diskreditierung von Frauen schwer geeignete Behauptung, wir könnten mithilfe der Rechtslage nach Belieben mit den Männern verfahren. Das genaue Gegenteil ist aber in der Praxis der Fall, auch wenn auf RTL2 was anderes gesendet wird.
Ihre Interpretation gibt eher Aufschluss über Ihre eigene Grundhaltung. Ich bin wahrlich kein Nazi, aber… Was haben Gauland und Höcke mit der von Ihnen irrtümlich aus der Kolumne herausgelesenen Aufforderung zur Falschbehauptung zu tun? Ich möchte an dieser Stelle aus dem Kommentar von Anna (s.u. 11. Jan) zitieren: „Wer ist hier paranoid?“
Sie tun allen Ernstes so, als würden die, die sich wehren, den Krieg anfangen!
Unfassbar!
Doch diese Verdrehung der Tatsachen reiht sich schlüssig in Ihre sonstige Ignoranz des Problems ein: Wenn der Staat hier nichts machen kann, dann hast du eben Pech gehabt und sollst gefälligst dösig alles so hinnehmen, wie es ist.
Widerlich dazu Ihre ständigen Versuche, das Recht auf Selbstverteidigung in die kriminelle Ecke zu schieben. Jedenfalls, wenn Frauen es sich nehmen. Ich habe den Eindruck, dass Sie mich absichtlich missverstehen und mich mit Idealen zu belehren versuchen, damit Sie sich nicht mit der Realität auseinandersetzen und konkret werden müssen.
Denn auf meine Frage, was genau denn Ihr Vorschlag sei, wie wir uns in dem Krieg, den viele Männer grundsätzlich oder bei akutem Bedarf gegen uns führen, wappnen und ggf. handeln könnten, bleiben Sie eine konkrete Antwort schuldig. Sie halten "Aufrüstung" für kontraproduktiv? O.k. Nur dann nennen Sie auch eine produktive Alternative!
Genauso in Sachen Gwosdz-Link. Warum nennen Sie nicht einfach einen Link, der zu der Sie so empörenden Äußerung führt? Bei anderen Links klappt es doch auch, und ausgerechnet hier soll ich raten, auf welchen seiner sicherlich nicht wenigen Wortbeiträge Sie sich mit Ihrer Empörung beziehen?
Auf meine Hinweise, WIE die Äußerung möglicherweise gemeint sein könnte, gehen Sie ebenfalls nicht ein. Denn dazu müssten Sie ja die Perspektive von Frauen einnehmen. Vielleicht spüren Sie ja unbewusst, dass dieser Perspektivwechsel Ihrem blinden Vertrauen in Polizei und Justiz irgendwie abträglich wäre…
Thomas am Permanenter Link
Hallo Frau Wruck,
schade, ich hatte wirklich geglaubt, es ginge Ihnen um die Sache. Doch an einem fairen, respekvollen Diskurs scheint Ihnen offenbar nicht gelegen zu sein.
Ich bin weder zu dumm noch zu faul, um die Kolumne von Frau Storkowski zu verstehen. Nur interpretiere ich diese Kolumne anders als Sie und schließe entsprechend auch andere Schlussfolgerungen daraus.
Und über genau diese unterschiedliche Sicht auf die Dinge hätte es sich für mich zu reden gelohnt. Entsprechend hatte ich Ihnen auf Ihren Post geantwortet, weil ich dazulernen, weil ich andere Sichtweisen verstehen will.
Mir von Ihnen aber statt dessen u.a. Widerlichkeit in meiner Argumentation vorwerfen zu lassen, beendet für mich jede erwachsene Auseinandersetzung in der Sache.
Sie fragen nach meinem Vorschlag? Wir haben alle unsere Wahrheiten - sie die Ihre und ich die meine. Die Meinungen Andersdenkender ernst zu nehmen und zu reflektieren, wäre ein guter Anfang.
Wenn jeder aus seiner ganz persönlichen Wahrheit das Recht auf Selbstjustiz ableiten würde - so wie Sie das tun - dann wäre unsere Demokratie am Ende und ein friedliches Zusammenleben in unserem Land nicht mehr möglich.
Eine schreckliche Vorstellung für mich.
Jana Richter am Permanenter Link
"Obgleich manch ansonsten eher friedfertig wirkende Frau im Zuge des Einprügelns auf einen Sandsack ein Maß an Blutrunst freisetzt, das den Anschein erweckt, als breche sich Haßenergie aus Jahrtausenden patriarch
Doch.
Daniel Glaeser am Permanenter Link
Ich selbst trainiere seit über einem Jahrzent Taekwondo und habe auch schon eigene Übungsgruppen geleitet.
Anna am Permanenter Link
Überflüssiger Artikel! Wer ist hier paranoid? Die Frauen, die lernen möchten sich ggf. zur Wehr zu setzen? Oder der Autor, der angesichts brachialer Details aus Kampfsportübungen Urängste verspürt?
Auch wenn eine gewisse Nicole das so empfindet, es entspricht nicht der psychologischen Logik. Im Gegenteil: Wer sich zu wehren weiß, fühlt sich im Alltag sicherer.
Wer auf der Suche nach seriösen Selbstverteidigungskursen ist, dem sei empfohlen nach solchen zu suchen, in deren Credo steht, dass Selbstverteidigung gelernt wird, um Gewaltsituationen zu vermeiden.