Erlebnistag im KKL Luzern mit Zuflucht Kultur e.V.

Irgendwie "Idomeneo"

Die Produktion des "Idomeneo" beim Luzerner Sommer Festival bleibt weit hinter dem zurück, was man von Zuflucht Kultur e.V. nach der äußerst gelungenen "Zaide" (Januar 2017, München) hätte erwarten können. Auf musikalisch hohem Niveau schlägt der Versuch der Integration durch Kunst, so es einer gewesen sein soll, leider fehl.

Dass es irgendwie "Idomeneo" geben soll, lässt bereits die Vorankündigung vermuten. Im Programmheft, auf der Website und sogar der Eintrittskarte wird zu einem "Erlebnistag" beim Lucerne Festival geladen. Es sind zu hören: das BandArt Orchester, der Flüchtlingschor "Zuflucht", der Philharmonia Chor Stuttgart, Gordan Nikolic. Ganz unten im Programmheft, irgendwie verschämt: W. A. Mozart: Idomeneo.

Der Schauplatz von Mozarts "Idomeneo" ist Kreta nach Beendigung des Kriegs um Troja. Um die trojanische Prinzessin Ilia zu beeindrucken, schenkt Idamante, der Sohn des kretischen Königs Idomeneo, Ilias Volk (den kriegsgefangenen Trojanern) großzügig die Freiheit. Während Ilia aber irgendwie kein Interesse an Idamante zeigt, ist Elettra (Tochter des Feldherrn Agamemnon) ziemlich konkret hinter dem Prinzen her.

Auch Idomeneo hat es irgendwie nicht leicht: Die Heimreise nach Kreta gelingt nur, nachdem er geschworen hat, den Göttern den ersten Sterblichen zu opfern, der ihm an Land begegnet. Zufällig ist dies dann sein Sohn Idamante. Der Versuch, Idamante mit Elettra aufs griechische Festland zu verschiffen, um sich irgendwie vor seinem Schwur drücken zu können, misslingt. Die Tragödie scheint unausweichlich. Doch irgendwie üben die Götter Gnade und Idomeneo setzt Idamante als seinen Nachfolger ein. Ilia und Idamante werden außerdem heiraten, weil Ilia Idamanete ja doch irgendwie liebt. Soweit Mozart.

Schwierigkeit ist natürlich bei einem solchen Projekt, dass der "Idomeneo" im Gegensatz zur "Zaide" vollständig erhalten ist – dramaturgische Eingriffe sind schwieriger vorzunehmen. Zudem sind Kriegsgefangene dann doch irgendwie etwas anderes als Flüchtlinge.

Vielleicht liegt es daran, dass der Flüchtlingschor "Zuflucht" nicht Bestandteil der Geschichte wird, sondern sich irgendwie als ein Fremdkörper zwischen die musikalischen Nummern drängelt. Die Darsteller auf der Bühne werden befragt und erzählen, dass sie in Deutschland Opernsänger werden wollen oder wie wichtig Ihnen ihre Brille ist. Mitten im Gewirk von Mozarts Musik scheinen sie infantil und alles andere als handlungstragend. Mozart wird zum Vorwand, um einzelne Geschichten Geflüchteter episch auszustellen. Als tatsächlich Geflüchteter funktioniert auf der Bühne einzig Zaher Alchihabi in der Rolles des Arbace. Der gelernte Schauspieler aus Aleppo füllt die zur Sprechrolle gewandelte Partie einwandfrei durch überzeugende Bühnenpräsenz und setzt dadurch kleine künstlerische Highlights.

Selbst die Sängerinnen und Sänger schummeln sich irgendwie durch ihre Partien. Dem musikalischen Anspruch gerecht werden an diesem Abend nur Josefin Feiler als Ilia, Mohsen Rashidkhan als Gran Sacerdote und Tatjana Charalgina als Elettra. Letzterer wird dann leider am Ende die Bravour-Arie inszenatorisch entzogen: Bevor es richtig losgeht entleibt Elettra sich durch Pistolen-Schuss. Irgendwie schade. Und irgendwie wären Kürzungen an anderen Stellen sinnvoller gewesen. Um die Längen der Oper zu umschiffen und mehr Raum zu geben für das Thema Flucht.

Auch scheint man dem Libretto irgendwie nicht zu trauen. Es gibt Übertitel, jedoch seitlich außerhalb der Szene, auf ein Minimum reduziert.

Nicht irgendwie sondern wirklich großartig ist das Orchester BandArt, unter dem Konzertmeister und Künstlerischen Direktor Gordan Nikolić. Das gesamte Ensemble atmet als künstlerische Einheit mit Mozarts hoch anspruchsvoller Musik. Trotz historischer Instrumente einwandfreie Intonation. Besonders hervorzuheben sind die Trompeten.

Der Philharmonia Chor Stuttgart (Einstudierung Christoph Heil und Johannes Knecht) gestaltet seinen Part geradezu phänomenal! Mit großem Engagement und starkem Ausdruck übernimmt der Chor ganz im Sinne der griechischen Tragödie eine Kommentatoren-Funktion.

Irgendwie passt an diesem Abend manches einfach nicht zusammen. Und vielleicht ist Idomeneo auch irgendwie nicht das passende Werk, um sich mit dem Thema Flucht auf einer Opernbühne auseinanderzusetzen. Hoffen wir, dass das nächste Projekt ein glücklicherer Griff wird. Auf der Bühne sei jedem das Recht zugestanden, sich auch einmal zu irren.

Idomeneo