"Die deutsche Politik zeigt sich immer betroffen, wenn im Iran oder in Saudi-Arabien vermeintliche 'Gotteslästerer' hingerichtet werden. Diese Reaktion wäre deutlich glaubwürdiger, wenn § 166 StGB aus unserer Rechtsordnung verschwunden wäre." – Zum 9. Jahrestag des Anschlags auf Charlie Hebdo hat die Westdeutsche Zeitung (WZ) ein lesenswertes Interview mit Michael Schmidt-Salomon veröffentlicht, in dem der gbs-Vorsitzende eine Kampagne zur Abschaffung des sogenannten "Gotteslästerungsparagrafen" ankündigt.
Am kommenden Donnerstag, dem 11.1.2024, wird zu diesem Thema eine erste Veranstaltung in Düsseldorf stattfinden, bei der Schmidt-Salomon u.a. Auszüge aus dem Plädoyer vortragen wird, das der Anwalt von Charlie Hebdo, Richard Malka, bei dem Prozess gegen die Komplizen der Attentäter vom 7. Januar 2015 gehalten hat. Malkas Text ist unlängst unter dem Titel "Das Recht, Gott lächerlich zu machen" im Alibri Verlag erschienen. Es handelt sich dabei, so Schmidt-Salomon, "um ein flammendes Plädoyer für die Meinungsfreiheit sowie für den aufrechten Gang, den es braucht, um die Werte der Freiheit gegen die militanten Feinde der Freiheit zu verteidigen."
Im Interview mit der WZ erklärte Schmidt-Salomon, dass sich das, was vor neun Jahren in Frankreich geschehen ist, im Sinne des § 166 folgendermaßen interpretieren lässt: "Die Zeichnungen, die im Satiremagazin Charlie Hebdo veröffentlicht wurden, animierten Islamisten dazu, Terrorakte zu begehen, die den öffentlichen Frieden massiv störten. Nach deutschem Recht hätten die überlebenden Mitglieder der Redaktion daher mit Geldstrafen oder gar mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren rechnen müssen." Dabei handele es sich allerdings um eine "katastrophale Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips": "Denn selbstverständlich wird der öffentliche Friede nicht durch Künstlerinnen und Künstler gestört, die auf dem Boden des Grundgesetzes Religionen satirisch aufs Korn nehmen, sondern durch religiöse Fanatiker, die es nicht gelernt haben, auf Kritik in angemessener Weise zu reagieren."
Mit Blick auf die schrecklichen politischen Verwerfungen, die etwa durch Koran-Verbrennungen in Schweden entstanden sind, sagt Schmidt-Salomon im Gespräch mit der WZ: "Als deutscher Schriftsteller habe ich natürlich große Probleme mit Bücherverbrennungen. Allerdings habe ich auch Verständnis dafür, dass Ex-Muslime die Empörung über das Leid, das ihnen unter dem Diktat des islamischen Faschismus widerfahren ist, auf diese Weise zum Ausdruck bringen. Und was ist schon die Verbrennung eines Buches in Relation zur öffentlichen Hinrichtung von Zehntausenden von Menschen, die rein gar nichts verbrochen haben?! Wir müssen uns in diesem Zusammenhang doch fragen: Wie groß sollen unsere Zugeständnisse an Regime sein, die in erschreckender Permanenz gegen Menschenrechte verstoßen? War Appeasement-Politik gegenüber Extremisten jemals erfolgreich? Ich meine, wir sollten an dieser Stelle nicht vor den militanten Feinden der Freiheit einknicken, sondern vielmehr das Profil der offenen Gesellschaft stärken. Die Abschaffung des alten Gotteslästerungsparagrafen wäre dazu ein erster Schritt."
Erstveröffentlichung auf der Website der gbs.