Kritik der Migration – von links

Der österreichische Publizist Hannes Hofbauer formuliert in seinem Buch "Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert" einige kritische Überlegungen, die gegen eine linke Idealisierung der Migration gerichtet sind und dabei die sozioökonomischen Folgen in der gesellschaftlichen Wirkung stärker thematisieren. Dies geschieht nicht aus einer politisch rechten Auffassung heraus, beklagt der Autor doch eine Fixierung auf Identitätspolitik und Ignoranz der sozialen Frage, was aber alles auch ein wenig zu freihändig und unsystematisch geschieht – gleichwohl verdienen die Ausführungen weitere Beachtung und Reflexionen.

Aus linker Blickrichtung gilt Migration als "gut", aus rechter Blickrichtung gilt sie als "schlecht". Beide Auffassungen sind einseitig bis falsch. Denn Migration ist erst mal nur. Eine Einschätzung bedarf der Kriterien und Maßstäbe, wobei die Gesellschaft ebenso wie die Migranten differenziert betrachtet werden sollten. Dabei muss sich eine Kritik der Migration nicht gegen Migranten richten. Eine solche Denkperspektive findet man bei Hannes Hofbauer in seiner "Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert". Der Publizist setzt sich darin kritisch mit politisch linken Vorstellungen auseinander, ohne dies aber in einem politisch rechten Zusammenhang zu tun. Gleich im Vorwort heißt es bei Hofbauer: "Die mediale und politisch dominierende Darstellung von Migration als Zeichen von Weltoffenheit und Diversität prallt … zunehmend auf die Wirklichkeit der gesellschaftlichen und politischen Kosten." Und weiter schreibt er: "Die politische Linke wiederum schwankt zwischen Schockstarre und der Übernahme liberaler Postulate" (S. 7).

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Was damit genau gemeint sein soll, wird indessen erst nach gut zwei Drittel des Gesamttextes deutlich. Zunächst geht der Autor auf Begrifflichkeiten ein und erörtert die unterschiedlichen Migrationsursachen. Danach wirft er einen Blick auf die europäische Migrationsgeschichte und deren Zäsuren. Anschließend werden die Arbeitsmigration "von der Besiedlung Amerikas bis zum Gastarbeiterimport" (S. 53) sowie die Folgen der EU-Osterweiterung nach 1989/91 thematisiert. Erst dann folgt ein ausführliches Kapitel über "Die große Wanderung der Muslime" (S. 135), wobei die Formulierung nicht nur hier etwas schief wirkt. Zwar ging es dabei überwiegend um Muslime, die aber nicht als Anhänger eines bestimmten Glaubens migrierten, hatten sie doch dafür ganz unterschiedliche Gründe von dem Hilfebedürfnis angesichts politischer Verfolgung über den Schutz vor den Kriegsfolgen bis zum Wunsch nach wirtschaftlicher Sicherheit. Erst danach geht der Autor auf die gesellschaftlichen Auswirkungen der Migration im politischen wie ökonomischen Sinne ein.

Da heißt es zunächst: "Massenhafte zwischenstaatliche Migration ist Ausdruck sozialer Missstände, und zwar sowohl in den Herkunfts- als auch in den Zielländern" (S. 184). Und danach bemerkt der Autor: "Für viele Unternehmensbranchen bedeutet Migration nichts anderes als die Mobilisierung von Arbeitskräften, die billig zu haben sind. Kapitalvertreter würdigen Migration dementsprechend als positiv, begleitende Medien erfinden dazu eine passende Ideologie und sprechen von 'Weltoffenheit’"(S. 185). Und genau entlang dieser Grundeinschätzung kritisiert Hofbauer dann auch die politische Linke: Der Integrationsansatz sei gescheitert, man gestehe sich dies nicht ein, das Gleichheitsideal sei aufgegeben worden, eine Identitätspolitik stehe der "Kapitalherrschaft" nicht im Wege. Denn: "Wenn ungehindert Migration und offene Grenzen als fortschrittliches Gesellschaftsbild verkauft werden, deckt sich diese – pseudo-fortschrittliche – Sicht mit den Interessen global agierender Konzerne" (S. 236). Für den Autor besteht eine "Identitätsfalle", und die Linke ist darin hinein getappt.

Auch wenn manche Formulierungen wie etwa die vom "großen muslimischen Ansturm" (S. 220) etwas merkwürdig klingen, gehört Hofbauer nicht zur politischen Rechten. In Deutschland würde der österreichische Publizist wohl der "Wagenknecht-Linken" nahestehen. Unabhängig davon, ob man dies gut oder schlecht findet, lohnt die Beschäftigung mit seinen Positionen. Diese sind häufig ein wenig zu freihändig und unstrukturiert vorgetragen worden. Auch lässt der Autor es mitunter in seinen Formulierungen gegenüber den Migranten an Sensibilität vermissen. Er macht aber durchaus berechtigt auf einige soziale Folgen aufmerksam, welche wiederum politische Konsequenzen haben. Dabei stellt Hofbauer darauf ab, dass die Fixierung auf Identitätspolitik durch die Linke wichtige Themenfelder unbesetzt gelassen hat. Das, was er "die Rechte" nennt, ist dabei, die soziale Frage mit dem Migrationsthema diskursiv zu verkoppeln. Hofbauer ist nicht der erste Publizist, der auf diese Problematik aufmerksam macht. Es bedarf aber wohl vermehrt solcher Stimmen.

Hannes Hofbauer, Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert, Wien 2018 (ProMedia-Verlag), 271 S., 19,90 Euro