Rezension

Kritische Einführung zur Identitätspolitik aus journalistischer Sicht

Die beiden Journalisten Jan Feddersen und Philipp Gessler legen mit "Kampf der Identitäten. Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale" eine kritische Einführung zum Thema vor. Das Buch enthält nicht unbedingt viele neue Erkenntnisse, liefert aber wichtige Detailinformationen wie Einschätzungen für die eskalierende Kontroverse.

Auch in Deutschland ist die Identitäts-Debatte schon längst angekommen, wovon nicht nur einschlägige Artikel in den Feuilletons zeugen. Auch im Kulturbereich, in der Politik oder an Universitäten kann man solchen Zusammenhängen kaum entgehen. Wer dazu nach einer Einführung sucht, ist mit dem Buch "Kampf der Identitäten. Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale" gut bedient. Geschrieben haben es der gegenwärtige taz-Redakteur Jan Feddersen und der frühere taz-Redakteur Philipp Gessler. Dieser Hintergrund und der Untertitel machen schon deutlich: Es handelt sich um eine Darstellung und Kommentierung aus einer bestimmten Perspektive. Demnach geht es den Autoren um einen kritischen Blick, der indessen nicht allgemein gegen das Engagement für Minderheiten, aber gegen dessen besondere Folgewirkungen und Implikationen gerichtet ist. Für Feddersen und Gessler ist dabei die "Identitätspolitik von links" gegenwärtig "die mächtigste Quelle einer kulturellen Neusortierung zumindest in der westlichen Welt" (S. 8).

Und genau diese Auffassung wollen sie in ihrem Buch begründen. Es beginnt mit einer Definition des Gemeinten, die nun angesichts der Komplexität des Themas gar nicht so einfach ist: Identitätspolitik sei "der Name für einen politischen Ansatz und ein Theoriegebäude, die in erster Linie diskriminierte Gruppen der Gesellschaft in den Blick nehmen und deren Lage vermessen, ihre Anerkennung (oder Sichtbarkeit) erhöhen wollen" (S. 29). Gemeint sind ethnische, geschlechtsbezogene, kulturelle oder religiöse Minderheiten, welche Bezugspunkte einschlägigen Engagements sind. Das Engagement für diese gilt entsprechend als Identitätspolitik, wobei deren Aktivisten nicht nur einschlägige Diskurse forcierten, sondern auch die jeweiligen Themen bestimmen wollten. Welche Auswirkungen dies hat, machen dann die Ausführungen zur Identitätspolitik an verschiedenen Orten deutlich: die Hochschulen, der Kulturbereich und die Medien. In Deutschland wie in den USA ließen sich einschlägige Verwerfungen mit absonderlichsten Wirkungen feststellen.

Dies machen die Autoren an zahlreichen Beispielen deutlich, wozu etwa die Entlassung von renommierten Journalisten aufgrund von falsch verstandenen Statements gehöre. Gleichzeitig weise die Identitätspolitik viele innere Widersprüche auf. Dazu zählten etwa die Auffassungen, dass die Betroffenen letztendlich primär Position beziehen müssten oder es eine Essenz in als rein geltenden Gruppen geben würde. Es geht außerdem um "das schiefe Konstrukt" der Rede vom "Antimuslimischen Rassismus". Auch die Empörung über angebliche und tatsächliche "kulturelle Aneignung", etwa wenn Dreadlocks von Weißen getragen werden und es sich hier doch irgendwie um Rassismus handele, ist ein Thema. Danach geht es um die gesellschaftlichen Folgen, also "Cancel Culture", "Opferkonkurrenz" und "Sprechverbote". Und schließlich verweisen die Autoren auf die blinden Flecken, etwa den "Antisemitismus" angesichts des Desinteresses für diskriminierte Juden, oder die "Klassenfrage" bezüglich der Missachtung von sozialen Verwerfungen.

Am Ende werden noch Thesen vorgetragen: Sie lauten etwa "Wir sind gegen Stammesdenken – und für Universalismus" (S. 208), "Grundrechte sind universell, nicht für Weiße konstruiert" (S. 211) oder "Farbenblindheit ist nicht nur das Ziel, sondern auch der Weg" (S. 216). Damit wird die Besinnung auf "linke Ideale" aus dem Untertitel zwar nur kurz, aber doch als Gegensatz zur Identitätsfixierung in deutlicher Zuspitzung vorgetragen. Das Buch liefert in der Gesamtschau den Kennern der Materie nicht unbedingt viel Neues, es kann als kritische Einführung bei aller Komplexität des Themas aber durchaus empfohlen werden. Viele Beispiele machen das Gemeinte anschaulich, wobei immer die Belege und Zitatnachweise fehlen. Das ist für das Buch mehr als nur bedauerlich, mindert es doch dessen praktischen Nutzen. Man wird auch nicht mit neuen Einsichten konfrontiert, werden doch bekannte Fälle und Statements vorgetragen. Aber die komprimierte Ausrichtung dient dann eben auch als kritische Einführung zur inhaltlichen Orientierung.

Jan Feddersen/Philipp Gessler, Kampf der Identitäten. Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale, Berlin 2021 (Ch. Links-Verlag), 252 S., 18 Euro.

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