Vortrag im Forum der Giordano-Bruno-Stiftung

Der kultivierte Schimpanse

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Prof. Dr. Volker Sommer

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Prof. Dr. Volker Sommer

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Prof. Dr. Volker Sommer

Dem Menschen wird gerne eine Sonderstellung aufgrund seiner Kulturfähigkeit zugesprochen. Der bekannte Primatologe Volker Sommer erläuterte in einem Vortrag am Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung, dass es sich dabei um eine Vorstellung handelt, die aus evolutionsbiologischer Perspektive unhaltbar ist.

Während die Spezies Homo Sapiens als "kulturfähig" gilt, sind nicht-menschliche Tiere angeblich durch starre Instinkte festgelegt. Die weithin postulierte Sonderstellung des Menschen ist jedoch mit den Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung unvereinbar, wie Volker Sommer erklärte. Denn vermeintliche Alleinstellungsmerkmale können häufig auch bei unseren nächsten Verwandten, nämlich den großen Menschenaffen, beobachtet werden.

Der bekannte Primatologe veranschaulichte anhand vieler Beispiele, dass auch andere Menschenaffen kollektive Identitäten bilden, ein ausgeprägtes Sozialverhalten entwickeln und besondere Sitten und Gebräuche pflegen. So gibt es – ganz ähnlich wie bei Menschen – quasi-religiöse Nahrungstabus und soziale Gepflogenheiten, die je nach Lebensraum unterschiedlich ausfallen und an nächste Generationen weitergeben werden. 

Eine solche innerartliche Varianz illustrierte Volker Sommer an Bevölkerungen von Schimpansen, die sich hinsichtlich Nahrungserwerb und Werkzeugbenutzung stark voneinander unterscheiden können. Damit einhergehende Gruppenidentitäten schaffen auch bei ihnen Zughörigkeit und Ausgrenzung – und damit eine kulturelle Funktion.

Aufgrund einer gemeinsamen Evolutionsgeschichte ähneln sich Mensch und andere Menschenaffen sehr. Die Ähnlichkeit besteht allerdings nicht nur in der anatomischen "Hardware", wie Sommer betonte, sondern auch in der "Software", also den Gefühlen und dem Verhalten. Diese Einsicht ist selbst im 21. Jahrhundert für viele nur schwer zu akzeptieren.


Zur Person:

Volker Sommer ist Professor für evolutionäre Anthropologie am University College London (UCL). Als international führender Primatologe erforscht er in Asien und Afrika die Verhaltensökologie von Affen. Er gehört zu den Menschenaffen-Expertengruppen der IUCN – der "Internationalen Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen" im Rahmen der UNO. Einer breiteren Öffentlichkeit ist der engagierte Natur- und Tierschützer durch Fernsehsendungen sowie seine Bücher zu darwinischen Themen bekannt, z.B. "Lob der Lüge" oder "Menschenaffen wie wir". Als wissenschaftlicher Beirat der "Giordano-Bruno-Stiftung" setzt er sich für eine säkulare Weltsicht ein