Zum heutigen "Welttag des Buches" hat die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) eine Liste mit den wichtigsten Büchern ihrer Mitglieder veröffentlicht. Das Besondere daran: Die in der gbs organisierten Autorinnen und Autoren haben selbst angegeben, welche ihrer Werke sie als besonders bedeutsam erachten.
Lesen ist, so der Kognitionswissenschaftler Stanislas Dehaene, die wohl "größte Erfindung der Menschheit", die zu einer wahren Revolution in unseren Köpfen geführt hat. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass diese alte Kulturtechnik unter Druck gerät. Zwar lesen die Menschen heute nicht weniger als in der Vergangenheit, aber sie lesen auf andere Weise, wie gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon betont: "Durch die Digitalisierung werden wir zunehmend auf das oberflächliche Lesen oberflächlicher Texte getrimmt, die oft nur noch aus Subjekt, Prädikat und Objekt sowie einem passenden Bildchen bestehen. Und das hat verheerende Auswirkungen auf unser Weltverständnis und Denkvermögen."
Zwar habe das Beispiel "Donald Trump" gezeigt, "dass man selbst mit einem Textverständnis von maximal einer DIN-A4-Seite US-Präsident werden kann", aber zu einem "adäquaten Weltverständnis und adäquaten Problemlösungen" führe dies mit Sicherheit nicht, so der Philosoph: "Ein adäquates Weltbild verlangt eine hinreichend komplexe Argumentation, die in dieser Form nur in einem Buch zum Ausdruck kommen kann – und eben nicht in einer Talkrunde bei Markus Lanz oder in einem Sharepic auf Instagram!"
Die gbs-Basisbibliothek
Um dem Trend zum "oberflächlichen Lesen oberflächlicher Texte" entgegenzuwirken, hat die Giordano-Bruno-Stiftung den "UNESCO-Welttag des Buches" zum Anlass genommen, um auf ihrer Website eine Liste der wichtigsten Bücher ihrer Mitglieder zu veröffentlichen. Die "gbs-Basisbibliothek" ist alphabetisch nach Autor(inn)ennamen sortiert, wobei die jeweiligen Verfasser(innen) ihre im Stiftungskontext wichtigsten Bücher in eine Rangfolge von Platz 1 bis Platz 5 gebracht haben.
Auf diese Weise erfährt man nun, wie die Autorinnen und Autoren der Stiftung – von Hamed Abdel-Samad und Andreas Altmann über Ralf König und Volker Sommer bis zu Esther Vilar und Franz Josef Wetz – ihre Werke selbst einschätzen. In diesem Zusammenhang kann es für Leserinnen und Leser durchaus zu Überraschungen kommen, denn mitunter finden sich die bekanntesten Bücher der Autor(inn)en gar nicht in deren persönlicher "Top 5".
In der gbs-Basisbibliothek werden allerdings nicht nur Bücher der aktuellen, sondern auch der bereits verstorbenen Beiratsmitglieder aufgeführt. Da diese naturgemäß nicht mehr zu ihren Veröffentlichungen befragt werden können, hat ein Redaktionsteam der Stiftung die Auswahl der betreffenden Titel vorgenommen. "Insbesondere bei Autoren wie Max Kruse oder Franz M. Wuketits, die mehr als 50 Bücher geschrieben haben, war es nicht leicht, die wichtigsten fünf Werke zu bestimmen", sagt gbs-Sprecher Schmidt-Salomon. "Da wir die beiden sehr gut kannten, denke ich jedoch, dass sie mit unserer Auswahl einverstanden gewesen wären."
Eine Gebrauchsanweisung für Bücher
Begleitend zur Veröffentlichung der "gbs-Basisbibliothek" hat Michael Schmidt-Salomon einen Videobeitrag mit dem Titel "Lesen statt Glotzen: Eine Gebrauchsanweisung für Bücher" (siehe unten) aufgenommen, der zwar satirisch angelegt ist, aber ein ernstes Thema anspricht: "Da mich der Niedergang der Buchkultur und die damit einhergehende Verflachung der Debatte schon lange beschäftigt, hatte ich die Idee zu einer 'paradoxen Intervention' – und zwar wollte ich versuchen, die Leute mithilfe eines Videos dazu zu bringen, weniger Videos zu schauen und dafür öfter mal ein Buch in die Hand zu nehmen. Sicherlich wird diese Intervention nicht allzu viel bewegen, aber immerhin hat es Spaß gemacht, den Clip zu produzieren."
Der Ratschlag, mit dem das Video endet, wird notorischen Büchermuffeln wohl nicht gefallen, bringt jedoch die Idee des "UNESCO-Welttags des Buches" gut auf den Punkt: "Das Lesen eines Buchs ist durch nichts zu ersetzen – außer: durch das Lesen eines Buchs!"
Erstveröffentlichung auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung.
9 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ungewohnt locker und teils verschmitzt ist MSS da il dem schönen Video (erinnert etwas an Ralph Caspers von Quarks, oder?).
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Tolles Video!
Noch ein Argument, was mich persönlich betrifft: Beim Lesen eines Buches kann ich selbst das Tempo bestimmen, mit dem ich es lese. Ich bin ein Genussleser. Ich zerkaue gerne Sätze, nehme so deren Inhaltsstoffe intensiver auf und habe einen längeren Nachgeschmack. Ich kann so z.B. nur einen Satz lesen und danach spazieren gehen, um darüber nachzudenken. Oder ich lese schneller. Wie beim Essen: Fastfood geht schnell rein und schnell raus. Erlesene Speisen lässt man sich munden, genießt sie und hat mehr davon. Und noch was: Ich verbrauche beim Lesen beim Strom! Meine gesamte Bibliothek verbraucht keine einzige Kilowattstunde. Und Bücher - hier bin ich wieder beim Essen - duften so herrlich nach... Buch! Meine ältesten Bücher stammen aus dem 17. Jh. Einmal schnuppern...
So gibt es Literatur für jede Situation. Und sie hilft auch beim Abnehmen: Nichts verbraucht mehr Kalorien als intensives Lesen und dabei verstehen wollen. Und bei nichts vergesse ich meine nächste Mahlzeit häufiger als beim Lesen guter Bücher. Sie fesseln, erhellen, bilden, erfreuen und lassen mich eintauchen in fremde Welten, von denen ich ohne Bücher nie erfahren hätte. Welten in der Tiefe, weit unterhalb der Oberfläche, die von sogenannten sozialen Netzwerken und Fast Food-Texten verstopft ist...
Conni am Permanenter Link
Aber sehr geehrter Herr Kammermayer,
Auch die "Herstellungskosten" von 35,3 bis 92,6kWh für ein Buch aus Papier, je nach Qualität, sollte man nicht vergessen( Herstellung eines E-Readers kostet 36,5kWh). In der Schweiz werden für die Papier-Buchproduktion von einem Jahr 750 000 Bäume gefällt!
In einem E- Reader kann ich eine ganze Bibliothek haben, ich brauche sie nicht beleuchten, nicht heizen, keine Miete dafür bezahlen und kann sie auf Reisen mitnehmen.
So sehr, wie wir unsere Bücher auch lieben...ganz ohne Strom gehts nicht. Und an den Strom für den Staubsauger, mit dem ich meine vielen Bücherregale öfters entstauben muß, haben wir noch garnicht gedacht!
Viele Grüße und weiterhin viel Spaß und tiefe Gedanken beim Lesen!
Ihre Conni
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nein, ich lese selten bei künstlichem Licht (wenn, dann nur in der dunklen Jahreszeit und dann hat man sowieso Licht an). Ich genieße das haptische eines Buches, seinen Geruch, seine Stofflichkeit. Einfach alles.
Ich brauche das nicht. Ich kenne die Handy-Gebirge in Afrika. Daher habe ich auch kein Handy. Da muss ich nicht zu einem "E-Reader"-Gebirge beitragen...
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nachtrag für Mathematiker:
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Ich kaufe ja Bücher (oft genug antiquarisch) nicht als Wanddeko. Das sind Arbeitsmittel. D. h. ich nutze durchschnittlich jedes Buch sicher um die 150 Stunden. Mit Ihrem "E-Reader" hätte ich dann 255 kWh an Strom verbraucht. Da könnte ich es mir sogar leisten, extra wegen des Lesens eine LED-Schreibtischlampe anzumachen und wäre in der Umweltbilanz immer noch verantwortungsbewusster als ein Leser elektronischer Medien.
D. h. ich spare mir nicht nur ein überflüssiges Elektronikteil (mit dubioser Herkunft der Rohstoffe und aufwändiger Herstellung, Verpackung, Transport etc.), mit fragwürdiger Endlagerung auf Elektronik-Gebirgen, sondern ich spare auch noch jede Menge Strom, wenn man nicht nur mal kurz reinliest in ein Buch und es danach nie mehr liest. Ich vermute, auch das Downloaden eines solchen "E-Books" verbraucht Strom (allein das Streamen von Filmen verbraucht so viel Strom, wie 50 % der europäischen Haushalte zusammen).
Alles in allem also eine katastrophale Umweltbilanz für Iiehh-Buks, vom unvergleichlichen Mehrwert eines realen Buches abgesehen...
Frohmut Menze am Permanenter Link
Das Anschauen eines Videos von Michael Schmidt-Salomon ist durch nichts zu ersetzen - außer durch das Anschauen eines Videos von Michael Schmidt-Salomon - oder das Lesen eines seiner Bücher.
Conni am Permanenter Link
Eine wunderbare Laudatio, die Herr Schmidt-Salomon da auf die Welt des Buches hält, aber die Technik des Videos ist grottenschlecht und von vorgestern. Dringend verbesserungsbedürftig!
Viele Grüße
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Die Technik des Videos interessiert mich ehrlich gesagt einen Scheiß. Seine optische Wirkung ist brillant, witzig, modern. Das zählt!
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Roland Fakler am Permanenter Link
Seid nicht böse, aber MSS hat ja schon mit der Kritik angefangen. Es gibt leider Bücher, die man nicht hätte so ernst nehmen sollen.
Also sucht euch Nahrhaftes und Erbauliches und keine Bücher, die das Hirn verstopfen und die Welt zerstören.