Anfang 2022 war die Zahl der Organspenderinnen und -spender in Deutschland um ein Drittel eingebrochen. Bis jetzt hat sich die Situation kaum gebessert. Dabei trat am 1. März ein neues Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in Kraft. Doch das Projekt der letzten Bundesregierung stockt und hat Mängel. Bürgerinnen und Bürger müssen selbst aktiv werden.
Jeder kann in die Situation kommen, auf eine Organtransplantation angewiesen zu sein. Laut einer Umfrage, die Anfang 2022 von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durchgeführt wurde, stehen auch 84 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger einer Organspende nach dem eigenen Tod positiv gegenüber. Gleichzeitig sehen über 60 Prozent in der Organspende auch einen Weg, um dem eigenen Leben über den Tod hinaus keinen jenseitigen, sondern einen ganz praktischen Sinn zu geben.
Doch zwischen dem Wunsch, altruistisch zu sein, und jener Handlung, sich tatsächlich als Organspender oder -spenderin auszuweisen, klafft eine gewaltige Lücke; denn ebenfalls Anfang 2022 verzeichnete die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) den stärksten Rückgang an Organspenderinnen und -spendern seit Jahren. Zum Vergleich: In Deutschland stehen rund 8.500 Menschen auf den Wartelisten für ein Spenderorgan. Doch bereits 2021 fanden sich gerade einmal 2.905 transplantierfähige Organe, die postmortal entnommen werden konnten. Diese geringe Spenderzahl war nun Anfang 2022 noch einmal um knapp 30 Prozent eingebrochen. DSO-Vorstand Axel Rahmel bezeichnete diese Entwicklung als "dramatisch". Besserung ist kaum in Sicht.
Auf hpd-Nachfrage erklärte die DSO nun zur aktuellen Lage: "Im Vergleich des gesamten ersten Halbjahres 2022 mit dem Vorjahreszeitraum liegen die Organspendezahlen mit minus 17,1 Prozent (...) noch immer deutlich unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2021."
Dabei war bereits am 1. März ein neues Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in Kraft getreten. Es soll die Auseinandersetzung mit dem Thema befördern. Beschlossen wurde es noch von der letzten Bundesregierung. Doch das Gesetz zeigt Mängel und die Umsetzung stockt.
Organspende-Informationen werden jetzt systematisch abgeschirmt
Das neue Gesetz setzt einerseits auf eine verstärkte ergebnisoffene Beratung durch Hausärzte und auf Aufklärung in Erste-Hilfe-Kursen. Die Einführung eines neuen Online-Organspenderregisters, in das sich Bürgerinnen und Bürger selbst ein- und austragen können, wurde allerdings aufgrund der coronabedingten Mehrbelastung in den Kliniken auf 2023 verschoben. Seit dem 1. März sind auch die Meldeämter dazu verpflichtet, Bürgerinnen und Bürger auf den Organspendeausweis anzusprechen und ihnen Informationsmaterial anzubieten. Wie im aktuellen Magazin diesseits (ab Seite 64) nachzulesen ist, hatte sich der Verfasser dieses Textes diesbezüglich bereits in einem Selbstversuch auf das eigene Meldeamt begeben. Wichtigstes Fazit: Während alle anderen Informations-Broschüren offen im Foyer des Rathauses ausliegen, befinden sich nun einzig die Organspende-Informationen abgeschirmt in den Räumen der Meldestelle.
"Grundsätzlich erwarten wir von dem Gesetz auch nur beschränkt Rückenwind", erklärt die DSO auf hpd-Nachfrage und teilt damit die noch immer aktuelle Einschätzung des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD). Weiter erklärt die DSO: "Wichtig ist aus unserer Sicht, dass der Zugang zu dem zukünftigen Register niederschwellig und für jeden so einfach wie möglich umsetzbar sein sollte. Denn nur wenn ein Großteil der Bevölkerung sich in dem Register einträgt, kann daraus ein positiver Effekt für die Organspende entstehen."
Bürgerinnen und Bürger müssen aktiv werden und selbst für Aufklärung sorgen
Informationen zur Organspende gehören dorthin, wo sie die Menschen auch erreichen. Gemeint sind die Auslagen in Wartezimmern, Rathäusern, Gesundheitsämtern, öffentlichen Bibliotheken und anderen Einrichtungen. Für engagierte Mitarbeitende bedarf es nur eines einzigen Anrufs (0800 90 40 400) oder einer E-Mail an die BZgA, um das Infomaterial hier zu erhalten.
Gleichzeitig handelt es sich beim Organspendeausweis auch nicht um ein amtlich ausgestelltes Dokument, wie es bei einer Vermittlung durch die Meldeämter suggeriert wird. Die BZgA bietet ihn online zum Selbstausfüllen an. Im Grunde genügt aber schon ein handgeschriebener Zettel in der Geldbörse, um sich im Ernstfall als Organspenderin oder -spender auszuweisen. Über Hintergründe und die richtigen Formulierungen informiert die BZgA auf organspende-info.de, aber auch die Hausärztin und der Hausarzt sowie der HVD im Rahmen seiner "Zentralstelle Patientenverfügung".