Heute vor sechs Monaten begann Putin seinen Krieg gegen die Ukraine. Neue Propaganda-Handbücher des Kreml verschieben nun das Narrativ von einem Nazi-Befreiungskampf, den die russische Armee angeblich in der Ukraine führt, hin zu einem Krieg gegen Atheisten und Ungläubige.
Im Juli hat die russische Regierung unter Wladimir Putin zwei neue Propaganda-Handbücher veröffentlicht. Darüber berichtete die lettische Nachrichtenseite Meduza.io. Die Schriften "empfehlen" kremltreuen Medien und Personen des öffentlichen Lebens, zwei religionsgeschichtliche Ereignisse zu nutzen, um Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als einen Präventivschlag gegen den gottlosen Westen, aber auch gegen ukrainische Satanisten zu rechtfertigen, die rituell Menschen opferten.
Das erste dieser Ereignisse ist die Taufe der Rus im Jahr 988. Kiew war damals Sitz eines Großreiches. Es hieß "Kiewer Rus" und wird als Vorläuferstaat von Belarus, der Ukraine und Russland angesehen. Der damalige Großfürst Wladimir I. ließ sich aus politischen Gründen taufen. Danach veranlasste er die Massentaufe der gesamten Bevölkerung. Diese Zwangskonvertierung eines ganzen Volkes markiert den Beginn der russisch-orthodoxen Kirche und ihrer Verankerung als Staatsreligion.
Die Wiedererlangung eines solchen Großreiches in Allianz mit dem russisch-orthodoxen Patriarchat propagiert Putin nicht zum ersten Mal. Neu scheint jedoch, dass neben dem historischen Narrativ zunehmend auch Motive eines Heiligen Krieges gegen Ungläubige ins Feld geführt werden. In Bezug auf das, was 988 in der Kiewer Rus geschah, steht in der Propaganda-Empfehlung des Kreml:
"Der orthodoxe Glaube lehrt Mitgefühl, Nächstenliebe und Toleranz gegenüber anderen. Diese Werte wurden zur Grundlage der russischen Zivilisation und ermöglichten es Russland, Hunderte verschiedener Völker zu vereinen. Heute haben sich Angehörige aller ethnischen Gruppen Russlands erneut gegen die Gottlosen […] zusammengeschlossen."
Das zweite Ereignis, auf das sich die neue Kremlpublikation bezieht, ist die Schlacht an der Newa im Jahr 1240. Damals wehrte der Großfürst Alexander Newski einen Angriff von schwedischen, norwegischen und finnischen Truppen ab. Die Schlacht, zu der es nur russische Quellen gibt, ist in der Literatur mitunter zu biblischen Proportionen mit göttlichem Einfluss übersteigert. 1547 wurde Newski von der russisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen.
Mit diesem Bild vor Augen erklärt die aktuelle russische Propaganda-Empfehlung ihre "spezielle Militäroperation" in der Ukraine zu einem Präventivschlag gegen den Westen. Dieser wolle über die Ukraine nach Russland einfallen:
"Das strategische Ziel des vereinten Westens hat sich seit Jahrhunderten nicht verändert. [Sie wollen] die Schwächung, die Zerstückelung und die komplette Zerstörung Russlands."
Russland propagiert den Krieg gegen die Gottlosen
Die beiden Ereignisse von 988 und 1240 werden in der russischen Propaganda-Empfehlung zum Hintergrund für eine religiös gerechtfertigte "Militärintervention" in der Ukraine. Die Gottlosen dort werden als "Vergewaltiger, Diebe und Mörder" charakterisiert. Eben weil sie an nichts glaubten, wähnten sie sich von jeglicher moralischen Verantwortung befreit.
"Für Ukro-Nazis gibt es keine Moral; sie denken nicht in solchen Begriffen, weil sie wirklich gottlos sind. Sie haben keine Angst vor den göttlichen Strafen, die ihnen für ihre Gräueltaten drohen. Viele der Ukro-Nazis sind offene Satanisten und Anhänger hasserfüllter Kulte."
Erste Staatsmedien und Einzelpersonen greifen die neuen Narrative bereits auf.