Bernie Sanders, der parteiinterne Konkurrent von Hillary Clinton, stand für eine Politik im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. Nach dem Scheitern seiner Kampagne, aber noch vor der Wahl Trumps schrieb er ein Buch: "Our Revolution" ist Autobiographie, Kampagnenbericht und Programmatik zugleich.
Im Sommer 2016 erschienen mehrere Umfragen, die die Chancen der Präsidententschaftskandidaten der Demokraten gegen Donald Trump ermitteln wollten. Dabei zeichnete sich ein relativ klares Bild ab: Hillary Clinton würde knapp mit einem Vorsprung von um die zwei Prozent, Bernie Sanders hingegen mit einem Vorspruch von um die zehn Prozent gegen ihn gewinnen. Die Demokraten nominierten Clinton, was parteiintern nicht immer mit rechten Dingen zuging. Die Kandidatin gewann auch mehr Stimmen als Trump. Doch angesichts des besonderen Wahlsystems siegte dieser. Ob Sanders demgegenüber gewonnen hätte, lässt sich nicht sagen.
Gleichwohl machten die erwähnten Umfragen deutlich, dass er der überzeugendere Gegenkandidat gewesen wäre. Sanders blieb bis zum Nominierungsparteitag im Rennen. Dort gestand er seine Niederlage ein und rief zur Wahl von Clinton auf. Dafür warb Sanders fortan bis zur Selbstverleugnung, wollte er Trump doch als neuen US-Präsidenten unbedingt verhindern.
Noch vor dem Ergebnis der Wahlen hatte er ein dickes Buchmanuskript bei einem Verlag eingereicht. Es erschien jetzt als "Our Revolution. A Future To Believe In" und wirft einen Blick zurück auf seine Kandidatur, sein Leben und sein Programm.
In der Einführung macht Sanders deutlich, dass er nach der Kampagne optimistischer auf sein Land schaut als zuvor. Mit einem so großen Zuspruch insbesondere von jungen Menschen hatte er wohl selbst nicht gerechnet. Und dann betont Sanders, dass Clinton durch seine Erfolge gezwungen wurde, einige seiner Forderungen wie die nach der Kündigung von TTIP zu übernehmen. Auch die beschlossene Plattform der Demokraten enthalte viele progressive Forderungen. An diese sollte angeknüpft werden, doch der Wandel gehe nicht von "oben", sondern nur von "unten" aus. Diese Botschaft hatte auch Sanders Wahlkampf durchzogen. Sein 450 Seiten umfassendes Buch enthält auch viele Fotos, welche die Euphorie insbesondere vieler junger Menschen für den 74jährigen Senator aus Vermont dokumentieren.
Inhaltlich besteht "Our Revolution" aus zwei Teilen: "Running for President" enthält einige autobiographische Ausführungen, die über den persönlichen und politischen Lebensweg von Sanders informieren. Immerhin hatte er es als Unabhängiger geschafft, in Burlington Bürgermeister und später Senator seines Staates zu werden. Dann berichtet er über seine Kampagne, die Planung, die Erfolge, aber auch die Niederlagen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Mann in diesem Alter ein solches Programm noch auf sich nimmt.
Der zweite Teil "An Agenda For A New America: How We Transform Our Country" präsentiert noch einmal Sanders politische Forderungen, die einen Blick auf die politischen Verwerfungen in den USA werfen und dazu dann alternative Positionen präsentieren. Es geht um den Einfluss der finanziellen Oligarchie auf die Politik und den sozioökonomischen Niedergang der Arbeiter- und Mittelschicht, um die Probleme mit dem Bildungs-, Gesundheits- und Justizsystem, aber auch um die Bekämpfung des Klimawandels und eine Veränderung der Migrationspolitik.
In das Buch sind viele Texte aus Wahlkampfreden eingeflossen. Bei der Lektüre erscheint einem Sanders von daher auch immer als Redner. Inhaltlich legt er im Buch wie während der Kampagne den Finger in die Wunde der US-amerikanischen Demokratie. Er war der einzige Kandidat der großen Parteien, der das Problem der wachsenden sozialen Ungleichheit thematisierte – nicht um damit Ressentiments gegen Minderheiten auszulösen, sondern einen tiefgreifenden Widerspruch in seinem Land deutlich zu machen. Worüber er sich aber kaum äußert ist die Frage, wie solche Forderungen institutionell und politisch umgesetzt werden können.
Wäre er Präsident geworden, so hätte er kaum etwas von den Forderungen realisiert. Dagegen stehen etablierte Machtstrukturen, die auch Obama ausgebremst hatten und Sanders noch mehr blockiert hätten. Er setzt mehr auf die Änderung der Kultur, nicht nur auf Wahlen. Die Grenzen unserer Vorstellungen sollten sich ändern. Entsprechend schließt das Buch mit: "The future is in your hands. Let’s get to work" (S. 447).
Bernie Sanders, Our Revolution. A Future To Believe In, New York 2016 (Thomas Dunne Books, St. Martin’s Press), 450 S., 27 US-$
6 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
man braucht im Leben soziale Kontakte, Freunde. Dann ein Dach über dem Kopf, Essen, Trinken, Medizinische Versorgung. Überfluss braucht niemand. Und die Welt wäre eine Andere.
Jan am Permanenter Link
Sehr weise. Nur -> Die meschliche Natur spielt da nicht mit.
David am Permanenter Link
hab die Arbeit vergessen, da kann man 1-2 Milliarden Jobs schaffen um die Natur zu erhalten und das sich menschen um sich gegenseitig kümmern und um die Tiere.
Unechter Pole am Permanenter Link
Sanders hätte meines Erachtens deutlich schlechtere Chancen als Clinton. Der Vorwurf "korruptes Establishment" ist in den USA bei weitem nicht so schwerwiegend wie der Vorwurf "Kommunist".
Adrian E. am Permanenter Link
Die Umfragen, gemäss welchen Bernie Sanders viel höhere persönliche Beliebtheitswerte hatte als Hillary Clinton und auch gegenüber Trump besser abgeschnitten hätte, sprechen da eine andere Sprache.
Was die Assoziationen mit "Sozialismus" betrifft, gibt es einen großen Unterschied zwischen den Generationen. Bei der ältesten Generation hätten eine solche Abschreckungstaktik möglicherweise etwas bewirken können, aber eine Umfrage unter jungen US-AmerikanerInnen zeigte, dass "socialism" sogar positiver gesehen wird als "capitalism".
Bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei war die demographische Variable, die am wichtigsten war, das Alter. Junge und mittlere US-AmerikanerInnen (je nach Staat z.B. bis 40) unterstützten mehrheitlich Bernie Sanders, während die ältere Generation mehrheitlich Hillary Clinton unterstützte.
Die Ergebnisse sind natürlich schwer vorherzusehen. Vielleicht hätte Donald Trump mit red baiting gegen Bernie Sanders bei älteren Wählern noch etwas mehr Stimmen bekommen können, aber bei jüngeren Wählern (bei denen mit Sanders vor allem die Wahlbeteiligung höher gewesen wäre als mit Clinton) und bei der Arbeiterklasse im rust belt, wo Sanders in den Vorwahlen sehr gute Ergebnisse erreichte, hätte Bernie Sanders sicher besser abgeschnitten als Hillary Clinton.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Wäre er Präsident geworden, so hätte er kaum etwas von den Forderungen realisiert. Dagegen stehen etablierte Machtstrukturen, die auch Obama ausgebremst hatten und Sanders noch mehr blockiert hätten."
Kann gut sein. Besonders, wenn er wie Obama zuletzt als 'lame duck' in beiden Häusern keine Mehrheiten realisiert hätte.