Der Mord an Patrice Lumumba vor 60 Jahren

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Patrice Lumumba auf der "Congolese Round Table Conference" 1960 in Brüssel
Patrice Lumumba

Kaum jemand kennt noch den Ministerpräsidenten des Kongo, der am 17. Januar 1961, also vor 60 Jahren, ermordet wurde. Einzig das Mischgetränk, das seinen Namen trägt, ist Touristen, die irgendwann mal auf den Balearen oder den Kanaren weilten, bekannt. Dabei sollte an einen bedeutenden Politiker nicht nur in einer Bar erinnert werden.

Patrice Émery Lumumba war ein kongolesischer Politiker und von Juni bis September 1960 erster Premierminister des unabhängigen Kongo. Das Land hatte gerade erst die Unabhängigkeit von Belgien erreicht, als Lumumba auf einer Konferenz in Brüssel (1960) sagte:

Wir erlebten "... [erniedrigende] Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger waren. Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten."

Wie überall in dieser Zeit flossen die Rohstoffe der Kolonien in die sogenannten "Mutterländer" und billige Arbeitskräfte gab es auch reichlich. Im Kongo gab und gibt es an landwirtschaftlichen Rohstoffen: Kautschuk, Maniok, Zuckerrohr Kaffee, Baumwolle, Palmöl; und an mineralischen Rohstoffen: Uran, Kupfer, Gold, Zinn, Zink, Cobalt, Tantal, Diamanten, Mangan, Uran, Germanium.

Afrika galt für Europa damals als "das Land der unzivilisierten Neger". Die dort entstandene Gedankenwelt interessierte (und interessiert) kaum jemanden.

Kautschukgewinnung und der Kongogräuel

Das Königreich Belgien war "Kolonialmacht" von Belgisch-Kongo. Dabei war die beispiellos grausame Form der Kautschukgewinnung für Belgien zugleich eine der wirtschaftlich effektivsten zwischen den Jahren 1876 – der persönlichen Annektion des Kongos durch Leopold II., König von Belgien – und dessen Tod im Jahr 1909.

1844 hatte Charles Goodyear ein Patent für die Vulkanisierung von Gummi erhalten. Der Bedarf an diesem Rohstoff war seitdem stetig gewachsen. So wurden jedem kongolesischen Dorf Lieferquoten und -fristen auferlegt. Als Gewähr für die Ablieferung des wertvollen Rohstoffes wurden die Frauen als Geiseln genommen. Kamen die Männer zu spät oder lieferten nicht genügend Kautschuk ab, wurden die Frauen getötet. Oft starben die Frauen allerdings bereits vorher durch die Entbehrungen in der Geiselhaft. Auch Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung.

Wer nicht genug Kautschuk lieferte, dem wurde die rechte Hand abgehackt. Zudem bewirkte der Druck auf die Bauern, ständig Kautschuk zu sammeln, dass diese immer weniger dazu kamen, ihre eigenen Felder zu bestellen. So verhungerten in manchen Gegenden 60 bis 90 Prozent der Bevölkerung oder verließen ihre Dörfer, um sich dem Zugriff des Staates zu entziehen.

Man schätzt, dass in dieser Zeit rund 10 Millionen Kongolesen umgekommen sind, das heißt die Hälfte der damaligen Bevölkerung.

Kongowirren und der Tod Lumumbas

Patrice Lumumba war von Juni bis September 1960 erster Premierminister des völlig unvorbereiteten unabhängigen Kongo (zuvor Belgisch-Kongo, 1971 bis 1997 umbenannt in Zaïre, heute Demokratische Republik Kongo). Als Wortführer der Unabhängigkeitsbewegung wurde er im Oktober 1959 verhaftet, gefoltert und am 25. Januar 1960 jedoch freigelassen, um noch an der Kongo-Konferenz am "Runden Tisch" in Brüssel (19. Januar bis 21. Februar 1960) teilzunehmen.

Patrice É. Lumumba (1960)
Patrice É. Lumumba (1960), Foto: Harry Pot (ANEFO) – cropped from GaHetNa (Nationaal Archief NL) 910-9740, 

CC-BY 4.0

Die belgische Regierung sah Lumumba später aber bald als eine Gefahr an, da er die reichen Bergbau- und Plantagen-Gesellschaften verstaatlichen wollte. Der belgische Staat übte auf die Medien Druck aus, um das Image Lumumbas zu ruinieren. Die Presse bezeichnete ihn als Kommunisten und Anti-Weißen-Rassisten.

Zuvor hatte Lumumba bei einem Besuch bei US-Präsident Dwight D. Eisenhower nicht die gewünschte Unterstützung erhalten und es wurde auch der US-Seite klar, dass Lumumbas Politik die Interessen amerikanischer Unternehmen gefährden würde, die am belgischen Monopol der Mineralausbeutung in der Provinz Katanga beteiligt waren. Einige Wochen später wurde von Mitarbeitern der Joint Chiefs of Staff bei einer informellen Konferenz mit Vertretern von Central Intelligence Agency (CIA), State Department und Department of Defense die Ermordung Lumumbas vorgeschlagen.

Der Kalte Krieg war auf dem Höhepunkt und der Widerstand gegen Lumumba konnte mit der Behauptung gerechtfertigt werden, dass Lumumba beabsichtige, das Land dem Einflussbereich der Sowjetunion zuzuführen.

Die folgenden Ereignisse wurden unter dem Begriff "Kongo-Wirren" bekannt. Staatspräsident Joseph Kasavubu verbündete sich mit Unterstützung der USA mit Oberst Joseph Mobutu (der sich später Mobutu Sese Seko nannte), einem früheren Weggefährten Lumumbas. Patrice Lumumba wurde am 5. September 1960 auf Drängen der USA aus seinem Amt als Ministerpräsident entlassen. Lumumba erklärte daraufhin Kasavubu für abgesetzt. Einen Tag später machte das kongolesische Parlament Lumumbas Entlassung wieder rückgängig. Am 12. September 1960 veranlasste Kasavubu die neuerliche Entlassung und beauftragte den neuen Oberkommandierenden der Armee, Mobutu, mit der Verhaftung Lumumbas. Dieser lieferte ihn an Moïse Tschombé aus, den Präsidenten der abtrünnigen Provinz Katanga. Die Regierung Tschombés gab am 13. Februar 1961 bekannt, dass Lumumba von gegen ihn feindlich eingestellten Einwohnern getötet worden sei. Die genauen Umstände von Lumumbas Tod waren der Allgemeinheit lange Zeit unbekannt.

Erst eine am 23. März 2000 eingerichtete Untersuchungskommission des belgischen Parlaments rekonstruierte die Ereignisse um Lumumbas Tod und legte am 16. November 2001 ihren Abschlussbericht vor – vierzig Jahre nach der Tat!

Demnach wurden Lumumba und seine Begleiter von Mobutus Männern gefangen genommen, per Flugzeug zu Moïse Tschombé nach Katanga verschleppt und dort in eine Waldhütte gebracht. Lumumba und seine Gefolgsleute Joseph Okito und Maurice Mpolo wurden gefoltert. Danach erschienen seine politischen Gegner Tschombé, Kimba und belgische Politiker, beschimpften die Gefangenen und bespuckten sie. Am 17. Januar 1961 wurden Patrice Lumumba und seine zwei Getreuen von katangischen Soldaten unter belgischem Kommando erschossen und zunächst an Ort und Stelle vergraben. Um die Tat zu vertuschen, wurden die Leichen wenige Tage später exhumiert. Lumumbas Leichnam wurde zerteilt, mit Batteriesäure aufgelöst, die von einer belgischen Minengesellschaft bereitgestellt worden war, und seine letzten sterblichen Überreste schließlich verbrannt.

In ihrem Schlussbericht kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der belgische König Baudouin von den Plänen zur Tötung Lumumbas wusste und dieses Wissen nicht an die Regierung weitergab.

Fest steht, dass die belgische Regierung Lumumbas Gegner im Kongo logistisch, finanziell und militärisch unterstützte. König Baudouin wird eine Mitschuld zugeschrieben, da er unter Umgehung der politischen Instanzen seine eigene postkoloniale Politik betrieben hat (wie wohl auch schon sein Uronkels Leopold II.). Als Folge dieses Berichts entschuldigte sich immerhin der damalige belgische Premierminister Guy Verhofstadt bei der Demokratischen Republik Kongo.

Patrice Lumumba wurde mit seinem Tode im gesamten Afrika südlich der Sahara zu einem politischen Mythos. So wurde folgerichtig von 1961 bis 1992 die Russische Universität der Völkerfreundschaft in Moskau, an der viele Afrikaner studierten, nach Lumumba benannt.

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