In unserer globalisierten Welt sollte die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern verschiedener Nationen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Doch weltweit kooperieren Menschen eher mit ihren eigenen Landsleuten als mit Ausländern. Das ergab die Studie eines internationalen Forscherteams um Angelo Romano und Matthias Sutter vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern.
Mit dem Slogan "America first" zog Donald Trump 2017 als Präsident ins Weiße Haus ein. Zwei Drittel der US-Amerikaner unterstützten seinen Kurs, der nationale Interessen in den Vordergrund der Politik rückte. Mit ihrer Fokussierung auf das eigene Land stehen die Amerikaner nicht allein. In einer groß angelegten Studie mit mehr als 18.400 Teilnehmenden aus 42 Nationen untersuchte ein internationales Forscherteam, ob und wie sehr Menschen in einem Kooperationsspiel die eigenen Landsleute bevorzugen. Die Bandbreite der Länder reichte dabei von Schweden, Pakistan und Südkorea bis Bolivien, Nigeria und Neuseeland.
Das Ergebnis war eindeutig: In 39 der untersuchten Staaten kooperierten die meisten Teilnehmenden deutlich mehr mit Angehörigen der eigenen Nation als mit denen anderer Länder. In den übrigen drei Staaten (Polen, Peru und Hong Kong) gab es ebenfalls einen sichtbaren Zusammenhang zwischen der Bereitschaft zu kooperieren und der Zugehörigkeit zur gleichen Nationalität. Die Tendenz, die eigenen Landsleute zu bevorzugen, war dabei unabhängig davon, ob die Teilnehmenden anonym entscheiden konnten oder ihr Verhalten öffentlich gemacht wurde. Auch die Nationalität des Spielpartners oder der Spielpartnerin und die kulturelle Verschiedenheit spielte keine Rolle.
Unterschiede innerhalb einzelner Nationen
Allerdings beobachteten die Forscher durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Testpersonen. So variierte die Bereitschaft, mit Ausländern zu kooperieren, innerhalb einzelner Nationen deutlich mehr als im Durchschnitt der verschiedenen Länder. Bei Frauen war sie größer als bei Männern, besser Gebildete tendierten mehr dazu als schlechter Gebildete.
Keinen Unterschied machten dagegen die Religionszugehörigkeit, bestimmte Umweltbedingungen, aus denen sich ein stärkerer nationaler Zusammenhalt ergeben könnte, oder die Qualität staatlicher Institutionen. Die Motivation für das Verhalten war nach den Erkenntnissen des Forscherteams weniger eine generelle Ausländerfeindlichkeit, als vielmehr das, was man wissenschaftlich "Ingroup Bias" nennt. Das heißt, grundsätzlich solidarisieren sich Menschen eher mit anderen, wenn sie sich als Gruppe verbunden fühlen, in diesem Fall als Angehörige derselben Nation.
Kooperation mit Unbekannten
Für die Untersuchung ließen die Forscher die Teilnehmenden eine Variante des sogenannten Gefangenendilemmas, eines Standardexperiments der Spieltheorie, durchspielen: Dabei agieren die Versuchspersonen im Zweierteam. Beide bekommen eine kleine Summe Geld zur Verfügung und müssen entscheiden, wie viel sie davon behalten und wie viel sie dem unbekannten Mitspieler weitergeben – ohne zu wissen, wie der andere handelt. Die abgegebene Summe wird dabei verdoppelt, das heißt von einem großzügigen Gegenüber profitiert man doppelt.
Das bestes Ergebnis für beide kommt zustande, wenn sie kooperieren und ihr gesamtes Geld weitergeben. Der Einzelspieler kommt jedoch am besten weg, wenn er egoistisch handelt und sein Geld behält, während der Mitspieler ihm das ganze Geld abgibt. Das schlechteste Ergebnis für die zwei ist, wenn beide ihr Geld komplett behalten. Ob und wie viel Geld man dem unbekannten Gegenüber gibt, ist daher eine Frage des Vertrauens und des Zusammenhalts. Beides ist offensichtlich innerhalb einzelner Länder deutlich stärker ausgeprägt als zwischen verschiedenen Nationen.
Angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel oder der Corona-Pandemie ist die weltweite Verbreitung nationaler Egoismen eine schlechte Nachricht. Schließlich muss die Menschheit über Grenzen hinweg zusammenarbeiten, um die Probleme dauerhaft in den Griff zu kriegen. "Während hohe Kooperationsraten innerhalb von Staaten durchaus wünschenswert sind, müssen wir uns in der Zukunft noch stärker mit der Frage beschäftigen, wie wir Kooperation zwischen Fremden unabhängig von der Nationalität fördern können", meint Matthias Sutter und sieht entsprechend großen Forschungsbedarf in dieser Richtung. (mpg)