Indien

Oberster Gerichtshof kann sich nicht für oder gegen Hijab-Verbot entscheiden

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Schulkinder ohne religiöse Symbole in Bangalore, im indischen Bundesstaat Karnataka.

Anfang des Jahres hatte der südindische Bundesstaat Karnataka ein Verbot religiöser Symbole – wie zum Beispiel safranfarbene Schals oder Hijabs – in Bildungseinrichtungen erlassen. Nach zahlreichen muslimischen Protesten und Klagen sollte der Oberste Gerichtshof  Indiens entscheiden, ob das Verbot Bestand und womöglich Vorbildwirkung für andere Bundesländer haben könne; jedoch konnten sich die beiden Richter nicht einigen.

Zu Beginn dieses Jahres war das Tragen religiöser Symbole in Bildungseinrichtungen des indischen Bundesstaates Karnataka verboten worden. Das Verbot umfasst das Tragen von Schals und Stolas in der im Hinduismus heiligen Farbe Safran sowie das Tragen von Hijabs, religiösen Fahnen und ähnlichem. Das Verbot sollte Gleichheit und Integrität wahren sowie Störungen der öffentlichen Ordnung verhindern.

Da das Verbot auch das Tragen von Hijabs umfasst, löste die Entscheidung das Gegenteil von dem aus, was sie eigentlich bezwecken sollte: Muslimische Mädchen und Frauen protestierten für ihr Recht, die Kopfbedeckung nicht nur auf Schulhof und Campus, sondern auch im Unterricht tragen zu dürfen – insbesondere, wenn sie von Männern unterrichtet würden. Sie begründeten dies nicht nur mit dem Verweis auf die geringe Anzahl von Lehrerinnen, sondern vor allem mit ihrer gesetzlich verankerten Religionsfreiheit. Einige verließen gar die Bildungseinrichtungen. Nachdem sich zu den Protesten auch Klagen gesellten, sollten die Gerichte entscheiden. Wenn das Verbot in Karnataka als rechtmäßig angesehen wird, bestünde die Möglichkeit, dass sich andere indische Bundesländer dem Verbot religiöser Symbole in Schulen und Universitäten anschließen.

Der schließlich mit der Entscheidungsfindung betraute Oberste Gerichtshof von Indien hatte beiden Seiten – jenen, die das Verbot befürworten, sowie jenen, die es ablehnen – einige Wochen gegeben, um ihre Argumente einzubringen. Mitte Oktober sollte das Urteil mit Signalwirkung verkündet werden. Dazu kam es jedoch nicht, da die beiden Richter Hemant Gupta und Sudhanshu Dhulia sich nicht einigen konnten. Gupta sieht das von religiöser Seite vorgetragene Argument, dass aus weltanschaulichen Gründen an jedem Ort eine absolut freie Wahl der Bekleidung gelten müsse, kritisch und erklärte, dass eine Wahlfreiheit zu Ende gedacht auch die Freiheit, unbekleidet zu sein, umfasse. Dhulia hingegen lehnt die Argumentation des Bundesstaates Karnataka ab, die darlegt, dass der Koran Musliminnen das Tragen eines Kopftuches nicht vorschreibe. Für ihn ist die Frage, ob Schülerinnen und Studentinnen ihre Köpfe bedecken, schlicht eine persönliche Entscheidung. Für ihn steht die Bildung von Mädchen und Frauen, besonders in ländlichen Gebieten, an erster Stelle und eine Verbesserung ihres Lebens durch das Verbot erscheint ihm fraglich, da es möglicherweise dazu führen könnte, dass Mädchen überhaupt keine Schule mehr besuchen.

Nachdem beide Richter sich nicht einigen konnten und Gupta sich Mitte Oktober in den Ruhestand verabschiedete, sollen weitere Richterinnen und Richter zu ihrer Einschätzung befragt werden. Ein Termin zur Verkündung einer endgültigen Entscheidung über dieses brennende Thema, welches das Potential zu religiösen Unruhen in ganz Indien hat, steht noch nicht fest.

Medien jedoch schauen immer wieder in Richtung Iran. Dort sorgt aktuell die mutmaßliche Tötung einer jungen Frau durch die Moralpolizei, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht regelkonform getragen hatte, für massive Proteste. Mädchen und Frauen demonstrieren im Iran nicht nur gegen den Zwang, eine Kopfbedeckung tragen zu müssen, der Todesfall hat eine breite gesellschaftliche Protestwelle gegen das gesamte religiöse Regime des Landes ausgelöst. Es besteht die Annahme, dass das Thema "religiöse Verschleierung" in Indien zu einer ähnlichen Protestwelle führen könnte.

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