Pakistan: Tote und Verletzte bei Anti-"Hebdo"-Protesten

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Gedenken an die ermordeten Redakteure
Gedenken an die ermordeten Redakteure

Satirische Beiträge, die Religionskritik enthalten, bringen stark religiöse Menschen häufig auf die Palme. Besonders heftig scheint das auf jene zuzutreffen, die sich der fundamentalistischen Auslegung des Islams zugehörig fühlen. Aus deren Reihen kommt es immer wieder zu blutigen Übergriffen gegenüber Religionskritiker:innen. Wenn eine Zeitschrift mit hoher Reichweite etwa den islamischen (vermeintlichen) Propheten Mohammed durch den Kakao zieht, dann sind Ausschreitungen und Mordaufrufe gegenüber den Verantwortlichen keine Seltenheit. Im Fall von Charlie Hebdo kam es vor sieben Jahren auch tatsächlich zur Ermordung eines Großteils der Redaktion. Im Jahr 2021 gab es aufgrund zulässiger und notwendiger Religionskritik dieser Satirezeitschrift erneut Tote und Verletzte – diesmal wieder in Pakistan.

Im Januar 2015 stockte der Weltöffentlichkeit aufgrund eines islamistischen Anschlags wieder einmal der Atem. Zwei schwer bewaffnete Terroristen stürmten das Gebäude, in dem sich die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo befand, und töteten zwölf Menschen. Doch das war nicht das einzige Blutvergießen in diesem Zusammenhang. Als Reaktion auf deren Veröffentlichung einer Mohammed-Karikatur kam es in vielen Ländern zu heftigen Ausschreitungen. Allein im zentralafrikanischen Niger sind zehn Menschen bei Protesten ums Leben gekommen. Gezielt wurde dabei Jagd auf Menschen zum Beispiel in Bars gemacht und auch französische Flaggen sowie Kirchen sind in Brand gesteckt worden. Die französische Botschaft sah sich ob der aufgeheizten Stimmung in diesem Land mit einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung dazu gezwungen, den Landsleuten zu empfehlen, zuhause zu bleiben.

Die Zeitschrift ist dafür bekannt, satirisch verpackt Religionskritik zu üben und beim Veralbern von religiösen Autoritäten keine Religion oder deren Galionsfiguren außen vorzulassen. Infolge der Ermordung der französischen Redakteur:innen entbrannte eine lang anhaltende Debatte über Satirefreiheit und welche Varianten der Aufklärung über Religion legitim sind. Ein weiterer bedauerlicher Höhepunkt war dabei die Enthauptung eines Lehrers einer nahe Paris gelegenen Schule auf offener Straße. Dieser hatte in einer Unterrichtsstunde zuvor anhand von Mohammed-Karikaturen über Glaubens- und Meinungsfreiheit zusammen mit seinen Schüler:innen debattiert.

Die Redaktion der Satirezeitschrift entschied sich jedoch dazu, sich auch weiterhin nicht von solchen religiös motivierten Anschlägen einschüchtern zu lassen und setzte ihre Arbeit trotz der erschwerten Umstände fort. Ende 2020 zog Charlie Hebdo erneut ein hohes Maß von Aufmerksamkeit auf sich, indem sie etwa den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan karikierten. Dieser kommentierte das Veröffentlichte als "widerwärtigen Angriff" und nannte die Urheber:innen "Schurken". Auch der damalige stellvertretende türkische Kulturminister Serdar Cam reagierte empört und wertete die Redakteur:innen von Charlie Hebdo als "Bastarde" und "Hundesöhne" persönlich ab, statt auf die in Textform beigefügte inhaltliche Kritik einzugehen oder die harmlosen Zeichnungen zu ignorieren.

Der Vorfall intensivierte die Spannungen zwischen Paris und Ankara weiter. Nicht zum ersten Mal verdeutlichte der französische Präsident Emmanuel Macron, dass sich sein Land nicht einschüchtern lasse und er entschieden den Standpunkt vertritt, dass Meinungsfreiheit auch Religionskritik und entsprechende Satire umfasse. Erdoğan empfahl seinem französischen Kollegen hingegen, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, da dieser eine angeblich durch diese Satire zum Ausdruck gebrachte Islamfeindlichkeit nicht erkenne. In vielen Ländern, in denen der Islam die vorherrschende Religion ist wie etwa dem Iran, Ägypten oder Pakistan, stößt die säkulare und laizistische Auffassung des französischen Staatsoberhaupts auf erhebliches Unverständnis.

Insbesondere Pakistan macht in diesem Kontext auf sich aufmerksam. Mehrere Beispiele vermögen dies zu veranschaulichen: Nachdem ein politischer Führer festgenommen wurde, der die Ausweisung eines französischen Botschafters aufgrund von Bildnissen des vermeintlichen Propheten Mohammed forderte, mussten pakistanische Sicherheitskräfte einschreiten, um den darum entstandenen gewaltbereiten Mob aufzulösen. Zwei Polizist:innen und drei weitere Menschen kamen dabei ums Leben. Als Charlie Hebdo zum Prozessbeginn gegen mutmaßliche Helfer:innen beim Anschlag 2015 die damaligen Mohammed-Karikaturen wiederveröffentlichte, sind im Herbst 2020 tausende Pakistaner:innen zu antifranzösischen Demonstrationen auf die Straßen gegangen.

Im Oktober 2021 kam es erneut zu Protesten, die blutig endeten. In Pakistan starben infolge von Ausschreitungen bei einer der sogenannten Anti-Blasphemie-Demonstration vier Polizeibeamt:innen und mindestens 263 wurden verletzt. Auch unter den Demonstrant:innen kam es zu Toten und Verletzten. Die Aktivist:innen einer verbotenen islamistischen Gruppierung waren dabei mit Pistolen und Maschinengewehren bewaffnet und ließen es auf eine direkte Konfrontation ankommen. Zuvor hatten diese verdeutlicht, dass sie den Umgang der eigenen Regierung mit den Karikaturen der Satirezeitschrift weder akzeptieren noch tolerieren können. Zur Not seien sie bereit, einen hohen Blutzoll zur Erreichung ihrer Ziele zu zahlen. Weite Teile der pakistanischen Gesellschaft unterstützen deren Vorgehen gegen angeblich verwerfliche Blasphemie. Welch aufklärerischen Nutzen diese hat, wollen sie partout nicht erkennen.

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