Dutzende US-Kliniken führen keine Abtreibungen mehr durch

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Der US-Supreme Court.
Der US-Supreme Court

Noch nicht einmal mehr vergewaltigte Frauen und Mädchen können in den USA auf einen sicheren Schwangerschaftsabbruch hoffen. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat seine aus der Trump-Ära stammende konservative Mehrheit genutzt, um die Möglichkeiten zur Abtreibung massiv einzuschränken. Wieder einmal haben mehrheitlich alte, weiße Männer mit einem Faible für religiöse Weltanschauungen darüber entschieden, was Frauen mit ihrem Uterus machen dürfen und was nicht. Mindestens 43 US-Kliniken haben einer Studie zufolge seither ihren Betrieb in diesem Bereich eingestellt.

Am 24. Juni mussten Frauenrechtler:innen in den USA einen herben Rückschlag hinnehmen. Mit dem Urteil des Supreme Courts of the United States (SCOTUS) von diesem Tag wurde die bis dahin bestehende Regelung durch Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 respektive Planned Parenthood v. Casey aus dem Jahr 1992 nichtig gemacht. War es vorher noch landesweit möglich, bis zur 28. beziehungsweise 24. Schwangerschaftswoche einen Abbruch vorzunehmen, so ist dies nun offiziell nicht mehr oder allenfalls enorm eingeschränkt möglich. In der Begründung heißt es von den mehrheitlich konservativen Richter:innen: "Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung." Die überstimmten demokratischen Richter:innen konnten dagegen nur anmerken: "Nach dem heutigen Tag werden junge Frauen mit weniger Rechten aufwachsen als ihre Mütter und Großmütter hatten."

Da es kein umfassendes Bundesgesetz zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen in den USA gibt, können die einzelnen Staaten auf der Grundlage dieses Urteils nun Änderungen vornehmen. Und einige haben ihre Gesetzgebung auch bereits entsprechend angepasst: In 13 Bundesstaaten ist es nun entweder ganz oder ab der sechsten Schwangerschaftswoche verboten, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Absehbar ist, dass sämtliche der 26 konservativ geführten Bundesstaaten das Abtreibungsrecht verschärfen werden. In Oklahoma ist es legal nicht mehr möglich, eine Abtreibung vorzunehmen, sobald der Herzschlag eines Fötus festgestellt werden kann. Auch in Missouri hatte der Justizminister verkündet, dass sein Staat das erste Land sein werde, in welchem Abtreibungen wirksam und generell ein Ende gesetzt werde.

Die neue Regelung hat fatale Konsequenzen. So wurde etwa einem vergewaltigten zehnjährigen Mädchen aus Ohio die Abtreibung verweigert. Es musste dazu in den benachbarten Bundesstaat Indiana reisen. Menschen, denen hierfür die finanziellen Mittel fehlen, werden faktisch zur Austragung gedrängt. Joe Biden hatte den Zwang, dass ein Vergewaltigungsopfer das Kind im eigenen Staat austragen muss, als das Extremste bezeichnet, was er sich in diesem Kontext vorstellen könne. Medizinisches Personal aus Indiana berichtet zwar seit einigen Wochen von einer deutlichen Zunahme von Abtreibungspatient:innen, was für eine schlichte Verlagerung der Orte der Durchführung spräche. Doch damit könnte auch dort bald Schluss sein. Mit der republikanischen Mehrheit im Senat und durch das SCOTUS-Urteil sind nun alle notwendigen Voraussetzungen gegeben, um das Abtreibungsrecht in Indiana massiv zu verschärfen. Das gilt auch als wahrscheinlich, denn aktuell wird ein entsprechendes Vorhaben bereits diskutiert.

Eingeschränkte Reproduktionsrechte bald in der Hälfte der USA bittere Realität – in starkem Kontrast zum weltweiten Trend

All dies beschneidet gebärfähige Menschen massiv in ihren Grundrechten und treibt einige von ihnen dazu, im Fall der Fälle eine Abtreibung illegal, unter fragwürdigen Umständen oder mit heiklen Mitteln durchzuführen. Eine ganze Reihe von Kliniken hat nun angekündigt, dass sie keine Abtreibungen mehr durchführen könnten. Insbesondere jene, die auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisiert waren, mussten entweder schließen oder sich ein anderes medizinisches Betätigungsfeld suchen. Allein in Texas sind 23 Kliniken davon betroffen und in Oklahoma und Alabama jeweils mindestens fünf, wie eine Studie des Guttmacher-Instituts aufzeigt.

In anderen Ländern geht hingegen der Trend eher zu mehr Rechten für Frauen. Neuseeland etwa hat Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Dort ist es seit zwei Jahren möglich, im Zweifelsfall bis zur 20. Woche eine Schwangerschaft vorzeitig zu beenden. Doch nicht nur das – wer in Neuseeland vor Kliniken gegen Abtreibungen protestiert, muss mit einer Geldstrafe rechnen. In Argentinien, Spanien, Kolumbien oder den Niederlanden ist es je nach Land von der 14. bis hin sogar zur 24. Schwangerschaftswoche möglich, eine Abtreibung vorzunehmen; in Deutschland immerhin bis zur 12. Woche – nach einer verpflichtenden Beratung.

Gesetzgebungen, von denen Frauenrechtler:innen in den USA aktuell nur träumen können. Da die Mitglieder des SCOTUS auf Lebenszeit in ihr Amt gewählt werden, könnte es noch viele Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis die aktuelle Regelung wieder gekippt wird. Bis dahin sind lediglich Begrenzungen der Tragweite der "Entscheidung Gottes" – wie Donald Trump das Urteil nennt – durch die Legislative und Exekutive sowie durch Proteste der Zivilgesellschaft möglich.

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