Die Hebamme Sandra Eltzner darf aufgrund ihres Kirchenaustritts nicht länger an einem katholischen Krankenhaus beruflich tätig sein. Doch dagegen wehrt sie sich juristisch, unter Berufung auf den Kündigungsschutz und die gesetzlich garantierte Diskriminierungsfreiheit. Der Trägerverbund des betreffenden Krankenhauses, bestehend aus der katholischen St. Paulus-Gesellschaft und der Caritas, wertet hingegen den religiösen Verkündungsauftrag der Angestellten höher als etwa das Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit seiner Angestellten. Der Fall liegt mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof.
Aufgrund der vielen Skandale rund um die katholische Kirche entschied sich eine Hebamme aus Nordrhein-Westfalen, zusammen mit aktuell Hunderttausenden jährlich, der Kirche dauerhaft den Rücken zu kehren. Der Hauptgrund war für die lange Zeit am katholischen St. Johannes-Hospital in Dortmund Angestellte der systematische Kindesmissbrauch durch Geistliche und die träge Aufarbeitung von selbigem. Denn als Hebamme habe sie sich schließlich dem Kinderschutz verschrieben und könne es nicht länger mit ihrem Gewissen vereinbaren, eine Institution als Mitglied zu stützen, die diesem zuwider handele. Doch diese Reflexion und ihr entsprechendes Handeln hatte weitreichende berufliche Konsequenzen.
Die für 20 Jahre am genannten Krankenhaus beschäftigte Hebamme Sandra Eltzner hatte sich 2014 dazu entschieden, vorübergehend selbständig zu arbeiten. Im Jahr 2019 kehrte sie dann an ihren alten Arbeitsplatz zurück – allerdings diesmal ohne Mitglied einer Kirche zu sein. Einige Tage nach Unterzeichnung ihres Arbeitsvertrags erhielt sie Nachfragen aus der Verwaltung, ob sie denn nicht wieder in die Kirche eintreten könne, was von ihr mit der Begründung der schleppenden Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Missbrauchsfälle abgelehnt wurde. Daraufhin entschied sich die Personalabteilung des Krankenhauses, ihren Arbeitsvertrag noch in der Probezeit einseitig aufzulösen.
Da das St.-Johannes-Hospital allerdings auch Hebammen beschäftigt, die nicht zuvor auf dem Papier katholischen Glaubens waren und in der Jobausschreibung auch nicht verlangt wird, dass Angestellte der katholischen Kirche angehören müssen, wollte Eltzner diese Entscheidung nicht akzeptieren. Seit 2019 klagt sie nun dagegen. Zunächst wurde ihrer Klage, bei der sie sich auf das Kündigungsschutzgesetz beruft, vom Arbeitsgericht in erster Instanz stattgegeben, später wurde sie jedoch vom Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz abgewiesen. In dritter Instanz ging der Fall an das Bundesarbeitsgericht (BAG), welches sich dazu entschied, das Verfahren vorerst auszusetzen und auf europäischer Ebene ein Vorabentscheidungsersuchen einzuleiten.
Der zuständige Europäische Gerichtshof (EuGH) muss nun die Frage zur Auslegung des Rechts der Europäischen Union beantworten, bevor der Fall wieder an das BAG zurückgehen kann. Konkret geht es dabei um eine vermutete Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer:innen, bei der in diesem Fall der Schutz vor Diskriminierung wegen der Religion missachtet worden sein soll. Die katholische Kirche, vertreten durch die Caritas, ist hingegen der Ansicht, dass eine Hebamme bei ihrer Arbeit am Patienten für die Werte des Evangeliums einzustehen habe und ein Kirchenaustritt als Loyalitätsverstoß zu werten sei.
Im Leitbild des St. Johannes-Hospitals mit dem Titel "einfach gut sein" stehen einige Werte, wofür es eintreten will: "Herzlichkeit und Wohlwollen" sowie "Einfühlsamkeit und Sensibilität" finden sich dort neben Schlagworten wie "mit Liebe, die Gott schenkt" und "mit Mut, der aus dem Glauben kommt". Einige davon werden neben der Passage "durch verständnisvolles Miteinander" unter Anbetracht der aktuell laufenden Klage aber wohl eher klein geschrieben. Und folgender Satz auf der Webseite des Krankenhauses ist demnach auch mehr als Drohung, denn als Großmütigkeit aufzufassen: "Wir arbeiten in Loyalität mit den Zielen und christlichen Werten des Klinik-Verbunds. Damit stellen wir das Wohl unserer Gemeinschaft über die Interessen Einzelner und ziehen berufsgruppen- und standortübergreifend an einem Strang." Denn zur Not müssen offenbar als lästig empfundene Grundwerte wie Selbstbestimmung und Religionsfreiheit – die auch die Freiheit von Religion oder einschlägigen Institutionen beinhaltet – dem Wohl der christlichen Gemeinschaft geopfert werden, wenn einer Mitarbeiterin guten Gewissens gekündigt wird, weil diese schlicht aus einer Kirchenorganisation ausgetreten ist.
13 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Macht nur so weiter katholische Kirche, ihr grabt euch damit euer eigenes Grab, Sturheit
( Dummheit ) kommt vor dem Fall.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Mit Dummheit meine ich natürlich die Unfähigkeit über das eigene Denken zu reflektieren und lernfähig zu bleiben, sowie die Einsicht in die eigene Fehlbarkeit.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Also das große Problem ist doch, ob sich die weltliche Gerichtsbarkeit die Grundlagen der Verfassung durchsetzen kann.
Über die Haltung der katholischen Kirche erfährt man wieder, dass ihr die anvertrauten Menschen vollkommen egal sind und für sie nur die Institution zählt.
Bei der evangelichen Kirche ist die Denke wohl genau andersherum, wie man an der Lindner-Hochzeit erfahren konnte. Also die Kirche braucht man nicht, aber die weltlichen Herrscher benutzen sie gerne.
Fazit: Also gäbe es einen Gott, gäbe es keine Menschen. Gibt es Menschen, dann gibt es keinen Gott.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Korrektur
Über die Haltung der katholischen Kirche erfährt man wieder, dass ihr die anvertrauten Menschen vollkommen egal sind und für sie nur die Institution zählt.
Bei der evangelischen Kirche ist die Denke wohl genau andersherum, wie man an der Lindner-Hochzeit erfahren konnte. Also die Kirche braucht man nicht, aber die weltlichen Herrscher benutzen sie gerne.
Fazit: Also gäbe es einen Gott, gäbe es keine Menschen. Gibt es Menschen, dann gibt es keinen Gott.
A.S. am Permanenter Link
Bin anderer Ansicht: Gott und Religion sind Priester-gemacht bzw. von Priestern erfunden.
Roland Weber am Permanenter Link
Kirchlicherseits gilt durchaus: In der Not frisst der Teufel auch Fliegen!
Dass der Staat letztlich die gesamte (klitzekleine Ausnahme bei Kindergärten nur rund 90%) Finanzierung dieser Einrichtungen trägt, wird bekanntlich hartnäckig ignoriert und „Kirchenrecht“ zugrundegelegt.
Ist der Prozess aufgrund des früheren Arbeitsverhältnissen für die Klägerin damit gewonnen? - Nein, möchte ich wetten!
Denn dieser Nicht-Eintritt hat durchaus "bekennenden Charakter", wie man in der Personalstelle feinfühlig erkannt hat - und zwar gegen die Kirche und eben ihre Art der Missbrauchsbekämpfung. Ob zu Recht oder Unrecht - da wird sich jedes weltliche Gericht heraushalten. Eine demonstrative Nicht-Mitgliedschaft könnte jedoch werbewirksam um sich greifen!
Gegen eine völlig andersartig Gläubige (Islam; Buddhismus; Hinduismus etc.) hat man dagegen nichts einzuwenden, da deren Beschäftigung ja nur als ein Signal für Toleranz verkauft wird. Das muss man sich unter Umständen eben zwangsläufig leisten. Aber die Mitgliedschaft aufkündigen und dann kirchlich arbeiten, dass geht nicht.
Das Schmankerl für Hartgesottene: Da die katholische Kirche keinen Austritt kennt - egal, ob dieser verwaltungstechnisch vollzogen wurde oder nicht, wäre die Hebamme ja dummerweise immer noch eine Katholikin. Und erst mit dieser Sichtweise wird es ja richtig spannend: Sie kündigen ja somit einer Katholikin - aus kirchlichen Gründen!
Klaus Bernd am Permanenter Link
Der Fall erleuchtet mal wieder, was man unter „christlichen Werten“ zu verstehen hat: Kadavergehorsam und Heuchelei.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Dazu passt die heutige Meldung auf vaticannews:
Kern dieser Reform: „die private Lebensgestaltung, „insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre“ der Beschäftigten, solle keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten, falls diese nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre stehe.“
Graulichs Bedenken:
„Wenn nun aber keine der Sittenlehre der Kirche entsprechenden Ansprüche mehr an die Mitarbeiter gestellt werden – wozu braucht es dann noch ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht?“
Schön dass es im Vatikan einen Befürworter gibt, das kirchliche Arbeitsrecht ganz abzuschaffen statt es NUR zu reformieren Die Voraussetzung, dass die Kirche kein Recht hat, ihre Sittenlehre den Mitarbeitern der Caritas aufzuzwingen, ist ja wohl erfüllt !
A.S. am Permanenter Link
Ist denn noch niemandem aufgefallen, wie egoistisch die Religionsgemeinschaften handeln?
Der Kirche - wie auch anderen Religionsgemeinschaften - geht es nur um sich selbst. Statt mit individuellem Egoismus haben wir es mit gebündeltem Egoismus zu tun, dessen Zielrichtung von den religiösen Führern vorgegeben wird.
Gunnar Glitscher am Permanenter Link
So ist es!
Der dümmliche Hochmut, mit dem kirchlicher Traditionsfetischismus auch heutzutage noch das natürliche Ruhebedürfnis von Glockenlärmgeplagten ignoriert, ist ein gut hörbares Beispiel für menschliche Rohheit im Namen herbeigeschwurbelter Dreifaltigkeit.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Wie lange wollen wir noch damit warten, dieser Horrororganisation die Zähne zu ziehen?
Udo Endruscheit am Permanenter Link
In Anbetracht des "Chefarzt-Urteils" des EuGH, mit der das kirchliche Arbeitsrecht de facto stark auf "Verkündigungsbeauftragte" im engsten Sinne beschränkt wurde, haben die Arbeitgeber nach meiner
Wenn sie nicht völlig beschränkt sind, dürften sie das auch wissen. Was dann impliziert, dass dieser Fall mehr ist: eine gezielte Schikane mit Machtdemonstartion gegenüber der Hebamme. Mich schaudert, wenn ich mal wieder daran denken muss, dass ich ggf. sozialen Einrichtungen dieser Nächstenverachterorganisation ausgeliefert sein könnte. Der ganze Primat der Kirchen und kirchlichen Organisationen im Sozialbereich gehört gebrochen. Dann lieber Einbrecher bei der polizeilichen Beratung zum Schutze von Haus und Wohnung engagieren.
szf am Permanenter Link
Eigentlich wäre die Lösung ja ganz einfach: Angestellte mit Verkündungsauftrag müssen aus Kirchensteuern bezahlt werden, wohingegen Personen, deren Lohn aus öffentlichen Geldern, von Krankenkassen u.ä.