Er ist ein ungewöhnlicher Fotokalender: Der mit dem Astronauten. Seit 2015 thematisiert der Protestonaut-Kalender verschiedene gesellschaftspolitische Themen. Im Fokus der 2026er-Ausgabe steht die Dunkelziffer, das Phantom außerhalb der Statistik, die Ninja-Kämpferin unter den Zahlen. Passend zum Titel sind alle Motive nach Einbruch der Dunkelheit entstanden und thematisieren unter anderem Angriffe auf Rettungskräfte, illegale Autorennen und ungeklärte Todesfälle.
"Das Wort Dunkelziffer begleitet mich schon seit meinem Volontariat", stellt Diplom-Politologe Alexander Hauk fest. Zusammen mit der Fotografin Sophia Hauk hat er dem Wort nun einen ganzen Kalender gewidmet. Für die Fotomotive und Texte haben die beiden Kalender-Macher nach Themen gesucht, bei denen es eine hohe Dunkelziffer gibt. In den vergangenen Monaten sind so diese Fotomotive entstanden: Cybermobbing und Internetkriminalität (Januar), illegale Müllentsorgung (Februar), Angriffe auf Rettungskräfte (März), Doping im Sport (April), illegale Autorennen (Mai), häusliche Gewalt (Juni), Baupfusch (Juli), Wilderei (August), Wohnungslosigkeit (September), Steuerbetrug (Oktober), ungeklärte Todesfälle (November) und K.o.-Tropfen (Dezember).
Eines haben alle Dunkelziffern gemeinsam: Nichts Genaues weiß man nicht. Und weil das so ist, kommt die neue Ausgabe fast ohne Zahlenangaben aus. "Abgesehen vom Kalendarium, sonst wäre es ja auch kein Kalender", so Alexander Hauk. Seit dem ersten Kalender unverändert geblieben ist der Astronaut, der auf jedem Kalendermotiv zu sehen ist und den die Macher Protestonaut (lat.: protestari – öffentlich bezeugen, gr.: –nautēs – Matrose) getauft haben.

Für die neue Ausgabe haben die Macher in den vergangenen Monaten zahlreiche Orte besucht, darunter das Rote Kreuz im bayerischen Mindelheim und einen Fußballplatz in Berlin. Das Kalender-Titelmotiv ist auf einem Berg in Südtirol entstanden. "Trotz der Kälte haben wir den sternenklaren Himmel genossen. Es sind die Erlebnisse und Begegnungen mit beeindruckenden Menschen, die uns Jahr für Jahr wieder zu einer neuen Ausgabe motivieren", erzählt Sophia Hauk.
"Ohne das Projekt wären wir wahrscheinlich niemals auf einer verschneiten Talsperre im österreichischen Kaprun oder in luftiger Höhe auf einem Windrad in Franken gestanden, hätten niemals einen ehemaligen Tresorraum mit Schließfächern in Zürich betreten, hätten nie das Schiffswrack im griechischen Gythio aus der Nähe gesehen und wären auch nicht als Aussteller bei der Millerntor-Gallery in Hamburg gewesen oder als Referenten zu einer internationalen Fachtagung mit dem Titel "We are all astronauts" an die Universität Heidelberg eingeladen worden", so Hauk.
Zur Figur erklärt Sophia Hauk: "Astronauten sind Entdecker und müssen vielen Herausforderungen gewachsen sein. Im All haben sie einen außergewöhnlichen Blick auf die Erde und schweben über Problemen des blauen Planeten. Im Kostüm des Protestonaut könnte jeder stecken: die Verkäuferin, der Student, die Managerin, der IT-Fachmann, die Lehrerin – oder die Betrachter der Motive."
Stimmungsvolle Nacht, statt körperlicher Pracht
In den vergangenen Jahren sei den beiden Machern von verschiedenen Menschen vorgeschlagen worden, sie sollten doch einmal einen Nacktkalender machen. Das würde das Interesse an dem Kalender steigern, hieß es. Doch Hauk verneint: "Sehe ich aus wie Helmut Newton?" Statt körperlicher Pracht gibt es stimmungsvolle Nacht, statt eines Nackt- einen Nachtkalender.

Seit der ersten Ausgabe 2015 haben Menschen in vielen Ländern das Projekt unterstützt. Die bisherigen Recherchereisen führten durch Deutschland, nach Österreich, nach Italien, in die Schweiz und nach Griechenland. Die weiteste Kalenderbestellung erreichte den Protestonaut aus Australien. In den vergangenen Jahren waren die Kalendermotive bei zahlreichen Ausstellungen zu sehen und für zahlreiche Preise nominiert. Mehrere Bücher sind aus dem Projekt hervorgegangen. Inzwischen ist der Protestonaut auch live auf Comedy- und Kabarett-Bühnen zu sehen.
Kooperation mit Mindelheimer Künstlerin und Band aus Gerlingen
Wie im Vorjahr steuert die Mindelheimer Künstlerin Nina Schmid ein Werk zur aktuellen Kalender-Ausgabe bei. Ihr Bild zeigt den Protestonaut im Dunkeln mit vielen farblosen Ziffern. Nur die Ziffern 1, 6 und 1 leuchten farbig um den Helm auf. Die Zahl 161 ist oft als Graffiti an Wänden, auf Kleidungsstücken, als Tattoo oder auf Stickern zu sehen. In diesem Zusammenhang steht die Ziffernkombination für die Buchstaben A, F, und A, als Abkürzung für "Antifaschistische Aktion". "Der Begriff steht für eine Bewegung, die sich gegen Faschismus, Rassismus und Rechtsextremismus einsetzt. Er wird von unterschiedlichen Gruppen verwendet, die sich für Demokratie, Gleichberechtigung und gegen rechte Gewalt, Diskriminierung und autoritäre Ideologien engagieren", erklärt Schmid. Die Zahlen hat sie in Leuchtfarben veredelt, die in der Dunkelheit nachleuchten. Ihr Bild ist als Druck auf Birkenholz (18x18 Zentimeter) erhältlich, direkt bei der Künstlerin.

Und noch eine weitere Kooperation gibt es: Als der Protestonaut Mitte des Jahres in Berlin vor dem Brandenburger Tor auf einer Demo gegen Nazis war, sind Deniz, Alex und Maurice von der Band SOKAE auf das Kunstprojekt aufmerksam geworden. Auf dem Schild, das der Protestonaut hielt, stand "Nazis auf den Mond schießen". Zufällig haben die Jungs von SOKAE ein Lied mit dem Titel "Schießt die Nazis auf den Mond". Ein kurzer Austausch, ein Besuch im Proberaum im baden-württembergischen Gerlingen inklusive Videodreh und herausgekommen ist ein T-Shirt, das exklusiv auf der Internetseite von SOKAE erhältlich ist. Der Erlös geht an die Initiative Kein Bock auf Nazis.
Der zweisprachige (de/en) "Protestonaut 2026: Nachtkalender mit Dunkelziffern" im DIN A3-Format (ISBN 978 3947 4238 05) ist direkt bei der Fotografin Sophia Lukasch Photography oder beim Verlag Hans Högel (Mindelheim) für 25 Euro (zuzüglich 5,10 Euro Versandkosten) erhältlich.







