Nach Äußerungen zu gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften

Der Papst und seine Pressestellen

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Papst Franziskus
Papst Franziskus

Vor einer Woche erschien beim hpd ein Artikel über den Dokumentarfilm "Francesco", in dem Papst Franziskus einen Schritt auf Homosexuelle zugeht und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften fordert – oder doch nicht? Wie sich herausstellte, schnitt Regisseur Jewgeni Afineevsky unveröffentlichtes Material aus dem Jahr 2019 geschickt zusammen. Folgenlos war die Dokumentation allerdings nicht, wie die darauffolgende Beklemmung in den beiden vatikanischen Pressebüros beweist.

Gingen am ersten Tag der Premiere noch Artikel und Interviews um die Welt, in denen weltweit eine Zeitwende verkündet wurde, wich die Euphorie bald der Verwirrung. Schnell wurde klar, dass die meisten Aussagen des Papstes – anders, als Regisseur Afineevsky bei der Premiere behauptete – aus einem bereits letztes Jahr mit dem mexikanischen Sender Televisia geführten Interview stammten. Fraglich war, ob auch der entscheidende Satz, in dem sich Franziskus für eingetragene Lebenspartnerschaften ausspricht, aus eben diesem Interview stammt.

Zu diesem Zeitpunkt begannen die Leitungen der Pressestellen des Vatikan zu glühen. Man muss nun zwei Dinge wissen: Zum einen, dass der Vatikan zwei Kommunikationsbüros hat, das "Presseamt des Heiligen Stuhls" sowie ein 2015 gegründetes "Dikasterium für die Kommunikation". Und zum anderen, dass Interviews mit dem Papst stets mit vatikanischem Equipment aufgezeichnet und das Material erst nach einer Revision an den Sender beziehungsweise die Journalisten zurückgegeben wird. Weiß die eine Hand, was die andere macht?

"Es werden Gespräche geführt, um die aktuelle mediale Krise zu bewältigen", zitierte The Associated Press vergangene Woche eine interne E-Mail. Eine Woche lang herrschte Funkstille, am 1. November bestätigte der Vatikan schließlich die Authentizität der Aussagen, wies jedoch darauf hin, dass Franziskus' Worte ausschließlich zivilrechtlich zu verstehen seien und keinerlei Einfluss auf die vatikanische Doktrin hätten. Außerdem seien sie im Kontext einer Frage zu seiner Tätigkeit als Erzbischof von Buenos Aires vor zehn Jahren gefallen.

Franziskus äußerte neben der Affirmation, dass Homosexuelle das Recht auf eine Familie hätten, auch, dass dies in keiner Weise eine Zustimmung zu homosexuellen Handlungen bedeute. Auf die Frage, warum er zu dieser Zeit vehement gegen gleichgeschlechtliche Ehen war, antwortete Franziskus: "Ich habe die Doktrin immer verteidigt. Aber in Sachen homosexueller Eheschließung ... es ist eine Inkongruenz, von gleichgeschlechtlichen Ehen zu sprechen. Aber wir brauchen ein Gesetz zu gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ("ley de convivencia civil"), damit sie rechtlich abgesichert sind." Die Übersetzung des vom Papst verwendeten Begriffs ist nicht eindeutig.

Hier lohnt nun ein Rückblick ins Jahr 2003: Unter Papst Johannes Paul II. erarbeitete der Vatikan ein Dokument mit dem sperrigen Namen "Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen". Dieses spricht sich ausdrücklich gegen jede Form der staatlichen Anerkennung homosexueller Partnerschaften aus und nimmt sogar explizit katholische Politiker:innen in die Pflicht, alles zu tun, um eine solche Entwicklung zu vermeiden.

In diesem Licht scheint es glaubhaft, dass vatikanische Pressestellen ein begründetes Interesse daran haben könnten, einen Papst, der dann und wann in legerer Atmospähre ein Interview gibt, mal stummzuschalten. Bereits 2014, als er seine Zustimmung andeutete, waren Pressebeauftragte bereits am nächsten Tag mit einer Einordnung zur Stelle. Selbst die dünnste Andeutung widerspricht immerhin der offiziellen katholischen Doktrin einer vehementen Ablehnung jeder staatlichen Form der Anerkennung der Bedürfnisse und Wünsche homosexueller Menschen.

Denkbar wäre, dass der Vatikan schlicht und einfach vergessen hat, dass das entsprechende Material in den Archiven lagert, als man Afineevsky Zugang gewährte. Bedenkt man, dass laut Katholizismus nichts ohne Gottes Wissen und Einverständnis geschieht, ist es durchaus amüsant, dass ausgerechnet ein Filmproduzent in den Archiven des Vatikans über die Festplatte mit dem richtigen Filmschnipsel stolpert.

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