Papst Franziskus sei tolerant gegenüber Homosexuellen, heißt es oft. Jetzt hat er seine Bischöfe aufgerufen, Schwule aus den Priesterseminaren fernzuhalten. Denn Religion kommt ohne Diskriminierung nicht aus.
Je strenger und reglementierter ein Glaube, desto größer ist die Heuchelei, die er notwendig in die Menschen induziert. Ergäben seine Regeln irgendeinen unmittelbar nachvollziehbaren Sinn, müsste man sie nicht aufstellen. Sie erklärten sich von selbst. Kein Glaube erklärt mir, dass ich schlafen, atmen und mich liebevoll um meine Kinder kümmern muss. Stattdessen kommt er mir mit absurden Vorschriften daher, die oft wie gemacht erscheinen, um die Kapitulation des gesunden Menschenverstands vor dem jeweiligen Gott durchzusetzen: Samstags darf man keinen Lichtschalter benutzen. Einen Monat lang darf man tagsüber nichts essen oder trinken. Frauen müssen sich als Gespenster verkleiden. Frauen sollen sich nach dem Tod ihres Mannes verbrennen. Menschen unterteilen sich in "Kasten". Setzt sich jemand aus der niedrigsten Kaste auf die selbe Höhe wie jemand aus der höchsten, so soll man ihn brandmarken und ihm den Hintern aufschlitzen. Männer, die zusammen Sex haben, sollen getötet werden.
Die letztere Regel ist nur eine von vielen, mit denen sich der Christengott in Liebe und Begehren zwischen einzelnen Menschen einmischt; selber ist er ja auch unbepartnert, soweit man weiß, seine Neugier also nur zu verständlich. Zwar hat er uns angeblich nach seinem Vorbild geschaffen, aber Dinge oder Lebewesen einfach so aus dem Nichts erschaffen können wir trotzdem nicht, also sind wir auf geschlechtliche Fortpflanzung angewiesen, vielleicht ja, weil Gott dabei gern zuschauen mag. Seine Einstellung jedenfalls gegenüber Homosexualität ist eindeutig: Sie macht ihn stinksauer. Er hat die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen, darunter sind vielleicht zehn Prozent Homosexuelle, was also nahelegt, dass Gott in seiner Unermesslichkeit ebenfalls zu zehn Prozent schwul oder lesbisch ist. Was an Homosexuellen schlimm sein soll, erschließt sich dabei auch nach langem Nachdenken nicht. Das einzige und dadurch nicht sinnvollere Argument ist wohl: Homosexuelle Handlungen verstießen gegen Gottes Ordnung. Warum hat er dann die Homosexualität erfunden?
Von Papst Franziskus, dem Mann mit dem aktuell direktesten Draht zum Gott, werden drei Äußerungen über Schwule heiß gehandelt. Einerseits habe er einem Schwulen im persönlichen Gespräch mitgeteilt: Dass er schwul sei, spiele keine Rolle; Gott und der Papst liebten ihn so wie er sei. Gern zitiert wird auch Papst Franz' öffentlich bekräftigte Aussage: "Wenn jemand schwul ist und den Herrn sucht, wer bin ich, ihn zu verurteilen?" Dies wird ihm gerne mal als Ausweis seiner hochherzigen Toleranz ausgelegt, obwohl doch auch hier die Begriffe "schwul" und "verurteilen" unauflöslich miteinander verschränkt sind, als gäbe es ein Naturgesetz, wonach Homosexuelle verurteilenswert, also minderwertig seien. "Ich habe nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da – die sind nicht von hier!" Mit diesem Zirkelschluss führt der Dorfälteste Methusalix bei "Asterix" vor, was er für Toleranz hält, und bleibt dabei doch nur in seinem eigenen Vorurteil gefangen. Ganz ähnlich argumentiert, selbst wo sie sich für wohlmeinend hält, die katholische Kirche: Schwule, wenn sie sich nur richtig verhalten, sind auch irgendwo Menschen.
So werden, unter dem Deckmäntelchen scheinbarer Großherzigkeit, Arroganz und Ausgrenzung nur gefestigt. Die Ironie dabei ist, dass der Glaube an unsichtbare Freunde im Himmel eigentlich viel schräger ist als homosexuelle Liebe und Lust, und doch selten jemand auf die Idee kommt zu sagen: "Okay, du bist katholischer Priester, du trägst gern Kutten und Mützchen, du glaubst an sprechende Schlangen und Hovercraft-Jesus, und du glaubst, du darfst nicht an deinem Pipimann rumspielen – aber wir akzeptieren dich trotzdem bei uns im 21. Jahrhundert. Vielleicht kannst du ja nichts dafür. Hier, lies ein paar Bücher, sieh zu, dass du keine Kinder mit deinem Glauben oder mit deinem unterbeschäftigten Pipimann bedrängst, dann ist das schon okay. Ihr Gottisten seid ja auch irgendwo Menschen."
Wieviel Toleranz vom Papst und seiner Glaubensvereinigung tatsächlich zu erwarten sind, hat sich kürzlich wieder gezeigt: Gerade erst hat Gottkaiser Franziskus seine Untergebenen zu Spitzeldiensten aufgerufen. Sie sollen nun Ausschau nach Schwulen in den eigenen Reihen halten, und zwar in den Priesterseminaren, wo der kaum noch vorhandene Nachwuchs der Gottisten im rechten Glauben erzogen wird. Zu den italienischen Bischöfen sprach Papst Franz: "Wenn es nur geringste Zweifel gibt, nehmt sie besser nicht auf." Zweifel an der Heterosexualität sind gemeint. Domradio.de erläutert: "Tief sitzende homosexuelle Neigungen und die Praxis homosexueller Handlungen, so der Papst, könnten das Seminar sowie den jungen Mann und seinen möglichen Priesterberuf selbst kompromittieren." Aber warum eigentlich? Da der liebe Gott sich ja vom Pipimann des Priesters ohnehin wünscht, dass der nur zum Urinieren benutzt wird, ist es da nicht vollkommen gleichgültig, ob dessen Eigentümer nun homosexuell inaktiv oder heterosexuell inaktiv ist?
Bringt man die Argumentation auf den Punkt, so bleibt nur das seltsame Vorurteil, das den Umgang mit Homosexuellen auf konservativer Seite immer so ungeheuer erschwert: Schwule sind in ihrer Vorstellung so etwas wie Raubtiere der Lüsternheit, die an nichts als Sex denken, und die vor nichts zurückschrecken, um ihn zu bekommen. Woher diese Vorstellung kommt, erschließt sich rational nicht wirklich, aber ein kluger Mensch hat mal so ungefähr gesagt: Viele heterosexuelle Männer haben Angst vor Schwulen, weil sie von denen genau so angeschaut werden könnten wie sie selber immer die Frauen anschauen. Die Angst vor ungezügelter Gier, sie könnte also einfach eine Projektion sein, die aufgeladene Projektion von Menschen, die unter Kutten leben und niemals ihren Pipimann anfassen sollen.
7 Kommentare
Kommentare
annen anne Nerede am Permanenter Link
Der Broder der Atheisten.Immer wieder ein Vergnügen, Herrn Ungerers Texte zu lesen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Warum hat er dann die Homosexualität erfunden?"
Eine dieser Kernfragen...
Kay Krause am Permanenter Link
Nicht erst seit heute beschäftigt uns der Gedanke, dass junge Männer, die sich - aus welchem Grund auch immer - zum Priesterberuf entscheiden,sich überhaupt erst auf Priesterseminaren zur Homosexualität bekehren lasse
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Der Schauspieler Selge zeigt in einem Interview mit dem Tübinger Tagblatt auf, wie die Widersprüche beseitigbar sind: einfach behaupten, die Menschenrechte und die Demokratie hätten die Kirchen/Christen erfunden.
Schwer für uns. Ständig muss man cool bleiben um nicht die Wände hoch zu gehen. Lügen haben kurze Beine? Hoffentlich irgendwann: damit die verzweifelte Rettung einer postulierten Transzendenz nicht gelingt. Ich drück uns die Daumen. Gruß Karin Resnikschek, Tübingen
Dieter Bauer am Permanenter Link
Was kann eine den Realismus ablehnende Fantastengruppierung bewegen, einzusehen, dass Wahrheit, Wissen und Denkfähigkeit jeglichem, als Glauben bezeichnetem, märchenhaften Fantastenkonstrukt überlegen ist.
Andreas Altmann am Permanenter Link
Ihr Lieben,
Schaut euch auf Youtube den Ted Talk mit Garrard Conley an. Was für eine coole Socke. Er hat in den USA "die christliche Nächstenliebe" für Schwule erfahren. Aber wie.
Ich muss das heute raushauen, denn ein schwuler Freund, den ich - obwohl unverbesserlich hetero – liebe, hat heute Geburtstag. Ihm und euch schenke ich die nachfolgende Kolumne aus dem Jahr 2013. Beim Lesen werdet ihr verstehen, warum gerade dieses Jahr so wichtig war für den Kampf um menschliche Würde.
Ich danke euch, herzlich, Andreas Altmann.
Schwule, traut euch!
© Andreas Altmann
„Der Schwule lässt die Arbeit ruh’n und freut sich auf den afternoon.“ Den Spruch hörte ich vor Jahren von einem Spezi. Von einem Superschwulen aus Berlin, der schon immer in Paris lebte. Patrick ist das Bild von einem Mann, ein Ledernacken mit zwei Quadratmetern Tattoos auf dem Prachtkörper. Mit dem ging er täglich nach der Arbeit in eine der einschlägigen Saunen oder Darkrooms. Und suchte nach anderen Prachtkerlen.
Wir mochten uns. Vor Zeiten hatte er ein paar Versuche unternommen, mich in seine Endlosliste nachmittäglicher Quickies einzureihen. Bis er mich als „hoffnungslosen Fall“ aufgab. Da stockhetero. Dennoch blieb er ein Spezi, ich vermute, dass ihm meine Neugier gefiel. Und die völlige Abwesenheit von moralischer Besserwisserei.
Im Gegenteil, ich bewundere Homos. Sie sind anders, radikaler, ihr Zugang zu Sex scheint ganz unbelastet von der Erbsünde Heuchelei. Sie verspießern langsamer, sie gelten – Untersuchungen bestätigten das – als „erfolgreicher“, kreativer, ja, kultivierter als wir Normalos. Denn wie alle, die sich Jahrhunderte lang verstecken mussten, sprich, verachtet und verfolgt wurden, strengen sich die Rosafarbenen doppelt an: um es denen zu zeigen, die – links die Keule und rechts die Moralkeule in Händen – nach ihnen ausholten. Und ausholen.
Patrick spielte gern den Aufklärer. Einmal drängelte er mich in eine Klappe in der Nähe des Gare du Nord. Voll kindlichem Stolz zeigte er auf ein „glory hole“, von ihm heimlich und schnell gebohrt: ein Ruhmesloch, in das ein „Warmer“ seinen Zebedäus stecken konnte, damit sich ein anderer Warmer – hinter der Trennwand – zungenflink um das Geschenk kümmerte. Oder gleich den Hintern hinstreckte, auf dass sie gemeinsam und beidseitig beschenkt der Lust entgegenvibrieren.
Ja, auch das mag ich an ihnen: Gay people („lustige, heitere Leute“!) sind versaut, sie lassen sich immer etwas einfallen, um der erotischen Tristesse zu entkommen, jener bürgerlichen Volkskrankheit numero uno. Das aktuell Letzte, das ich von Patrick gelernt habe, ist die Abkürzung „t6“. Für Telefonsex. Seit es Skype gebe, kicherte er, seien den Schweinigeleien keine Grenzen mehr gesetzt.
Natürlich habe ich keinen einzigen Homo auf dieser Welt verstanden (Lesben schon eher): Weil sie das Schönste auf Erden, das Schönste unter der Sonne, eiskalt links liegenlassen: den schönen Busen einer Frau, ihr Gesicht, die Haut, die Beine. Himmel, was an uns Männern soll da mithalten können? Sind sie blind, die Fummeltrinen? Sind sie – was das Wunder Frau betrifft – plemplem? Keine Ahnung, aber jeder Schwule erfüllt mich noch immer mit maßlosem Staunen. Wobei ich – a straight man, „der gerade Mann“, wie fad das schon klingt – gleichzeitig nur Dankbarkeit ihnen gegenüber empfinde: Sie sind keine Feinde, keine Konkurrenten, keiner von ihnen käme je auf die Idee, mir eine schöne Kluge abspenstig zu machen. Schon deshalb ist ihre Nähe willkommen.
Nun sind wir im Jahr 2013 angekommen und die Homos machen Druck: Sie wollen sich ehelichen, sich ehelichen dürfen. Jetzt endgültig. Ich bin baff, denn das scheint mir das Gegenteil von Bürgerverschrecken. Sie drängen jetzt in den Mainstream, wollen im Strom schwimmen, in dem die meisten schon treiben, dahintreiben. Würden sie es sich noch einmal überlegen, wenn sie wüssten, dass das Wort „esposar“ in der spanischen Sprache zwei Bedeutungen hat: „Heiraten und Handschellen anlegen“?
Nun trage ich, wie wir alle, tausend Seelen in meiner Brust und eine sagt: „Das ist cool.“ Denn mit der ersten Forderung nach Ehe – sie ist die gesetzliche Vorbedingung – kommt die nächste: der Wunsch, Kinder zu adoptieren. Und jetzt gehen die Biedermeierinnen und Biedermeier, die notorisch Homophoben, auf die Barrikaden. Mussten sie bereits schwer daran kauen, dass die „Arschficker“ das „Sakrament der Ehe“ besudeln, so sei jetzt der Beelzebub vor: um zu verhindern dass je ein deutsches Kind in die geilen Finger der Schwuchteln gerät. Die Christlichkeit ist außer sich, die CSU vorneweg. Wenn schon in der Bibel, dem „Wort Gottes“, massenhaft Aufrufe stehen, Homosexuelle totzumachen, so kann es doch nimmer – undenkbar – herrgöttlicher Wille sein, dass „Sodomiten“ jetzt genau so leben und lieben dürfen wie die Gottesfürchtigen?
Doch! Ehe und Adoption für alle, die es sich wünschen. Damit unter uns Sterblichen die Menschengesetze gelten, die Menschenrechte. Auch, unter anderem, für die wärmsten Brüder auf Erden. Denn die Gefahr, dass sie Kinder missbrauchen, ist nicht um ein Jota größer als jene in unschwulen Paarungen. Und die oft verbreitete Dämlichkeit, dass Sexualität unter Gleichgeschlechtlichen „wider die Natur“ sei, beweist nur, dass man hundert werden kann und dabei nie sein Hirn benutzen muss. Ein Fünfminuten-Klick würde genügen, um zu erfahren, dass es in der Tierwelt – Natur, oder? – sehr wohl männlich mit männlich und weiblich mit weiblich gibt. Und hundert andere „unnormale“ erotische Betätigungen. Innigst, ständig, unabschaffbar. Dass gerade die katholische Kirche wieder strammsteht, um gegen die „Todsünder“ zu hetzen, zeigt, dass Religion auch als Synonym für Scheinheiligkeit durchgeht. Denn welche Organisation hat mehr Sexualverbrechen an Kindern – weltweit – auf dem Kerbholz als die allein seligmachende?
Liebe strahlt etwas geradezu Unheimliches aus. Sie ist taub, sie ist blind, nie treibt sie ein Hintergedanke. Wenn es denn Liebe ist. Sie will lieben und sein und sich hemmungslos ausbreiten. Dabei ist es ihr vollkommen egal, wie ihr Gegenüber, das Ziel ihrer Sehnsucht, beschaffen ist: wie alt, wie schön, wie begehrenswert, wie berühmt, wie vergessen, wie unansehnlich, wie nebensächlich. Sie geht hemmungslos drauflos – und liebt. Auch Männer, unfassbar, die Männer lieben. Auch Frauen, die Frauen begehren. Auch zwei Meerschweinchen, die von einem Dreijährigen gestreichelt werden. Sie ist für jeden da. Der sie zulässt. Und sie verachtet alle, die sich anmaßen zu wissen, was liebenswert – wert der Liebe – ist. Und was nicht.
Okay, so schlage ich vor, dass an dem Tag, an dem sich die Bundesregierung – seit zwölf Jahren drücken sich die Entscheider – zu einem eindeutigen Ja durchringt, dass sich also zu dieser Stunde die Damen und Herren Parlamentarier von ihren Sitzen erheben, Händchen halten und eine Liedstrophe von André Heller anstimmen: „Und wenn ein Mann einen Mann liebt, so soll er ihn lieben, wenn er ihn liebt, denn ich will, dass es das alles gibt, was es gibt. Und wenn eine Frau eine Frau liebt, so soll sie sie lieben, wenn sie sie liebt. Denn ich will, dass es das alles gibt, was es gibt.“
Jutta Lingos am Permanenter Link
Schwul sein, ist eine Laune der Natur, die sich gegen die Überbevölkerung richtet. Sie haben einen anderen Charakter zum Leben mitbekommen. Einen eigenwilligen Karakter, der keinen Führer braucht.