Für eine Zeitenwende im Umgang mit dem islamischen Faschismus

"Symbolpolitik allein genügt nicht!"

2012_sydney_protest.jpg

"Köpft alle, die den Propheten beleidigen!": Islamistische Proteste in Sydney.

Seit vielen Jahren warnen der Zentralrat der Ex-Muslime und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) vor den Gefahren, die mit der totalitären Ideologie des Islamismus einhergehen. Nach dem Massaker an israelischen Zivilisten und den Jubelstürmen in Teilen der hiesigen muslimischen Bevölkerung mahnen nun auch deutsche Politiker "klare Kante" gegen Antisemitismus und Islamismus an. Den markigen Worten sollten jetzt Taten folgen.

"Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Bundeskanzler Scholz von einer 'Zeitenwende' gesprochen, der Angriff der Hamas auf Israel sollte in ähnlicher Weise verstanden werden", sagte gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon nach dem Terrorakt vom 7. Oktober 2023. Dass die deutsche Politik nun gegen die Unterstützer der Hamas (und ähnlicher islamistischer Gruppierungen) entschiedener vorgehen wolle, sei zwar begrüßenswert, notwendig sei hierfür jedoch eine "kritische Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit". Der Stiftungssprecher appellierte in diesem Zusammenhang an das Auswärtige Amt und den Bundesrechnungshof "endlich die Informationen darüber freizugeben, ob Raketen gegen Israel tatsächlich mit deutschen Steuergeldern finanziert wurden" (vgl. die gbs-Meldung "Terror gegen Israel mit deutscher Unterstützung?" vom 20. Mai 2021).

Eine Offenlegung solcher Informationen könne vielleicht verhindern, dass "deutsche Politikerinnen und Politiker weiterhin aus falsch verstandenem Multikulturalismus in die Fänge totalitär denkender Islamisten geraten", meinte Schmidt-Salomon. Bedauerlicherweise sei dies in der jüngeren Vergangenheit immer wieder geschehen. So hätten prominente Politikerinnen und Politiker wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer Kampagnen von "Hilfsorganisationen" unterstützt, die eng mit der Muslimbrüderschaft und der Hamas verbunden sind.

Ein Erbe der nationalsozialistischen Terrorherrschaft

Scharfe Kritik übte der Philosoph an der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verantworteten Studie "Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz", die in weitgehend unkritischer Zusammenarbeit mit islamistischen Organisationen erstellt worden sei: "Keine Frage, Muslimfeindlichkeit dürfen wir in unserer Gesellschaft nicht tolerieren! Jedoch ist es grundverkehrt, die notwendige Kritik an den totalitären Formen des Islam als Rassismus zu diskreditieren. Was wir benötigen, ist eine Strategie sowohl gegen Islamismus als auch gegen Antimuslimismus, wie wir es schon vor einem Jahrzehnt gefordert haben. Leider ist auf diesem Gebiet genau das passiert, was ich bereits 2016 in dem Buch 'Die Grenzen der Toleranz' prognostiziert habe: Der Versuch, die Gefahren des auch hierzulande virulenten Politischen Islam unter den Teppich zu kehren, hat zu einem Erstarken nicht nur des Islamismus, sondern auch des Rechtsextremismus in Deutschland geführt. Diese verheerende Politik, die die Grundlagen der Offenen Gesellschaft untergräbt, sollte schnellstens beendet werden."

Ein wesentliches Problem bestehe darin, dass viele politisch Verantwortliche den totalitären Charakter des Islamismus noch immer nicht in vollem Umfang verstanden hätten: "Beim Islamismus handelt es sich nicht bloß um eine religiöse, sondern vor allem um eine faschistische politische Bewegung, deren eliminatorischer Judenhass nicht zuletzt ein Erbe der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ist." Leider seien die historischen Hintergründe in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, weshalb Schmidt-Salomon nach dem Anschlag der Hamas einen Text über den islamischen Faschismus veröffentlicht hat, der den massiven Einfluss Nazi-Deutschlands auf die Entstehung dieser totalitären Variante des Islams verdeutlicht.

Vor diesem Hintergrund solle man sich keinen Illusionen hingeben: "Vorrangiges Ziel der Hamas ist es nicht, die schrecklichen Lebensumstände zu verbessern, unter denen die Menschen in Gaza zu leiden haben. Die Hamas will mit Israel nicht verhandeln, sondern Israel vernichten! Anders lässt sich das gezielte Abschlachten von Babys während des Massakers vom 7. Oktober nicht interpretieren." Tragischerweise reagierten die "religiös-nationalistischen Kräfte in Israel nun exakt so, wie es sich die Hamas-Strategen gewünscht haben": "Den Blutzoll dafür müssen unschuldige Männer, Frauen und Kinder in Gaza zahlen, die mit der Hamas nichts zu tun haben und sich teilweise sehr deutlich vom Islamismus distanzieren."

Groteske Prioritätensetzung der Justiz

Dass Organisationen der Hamas in Deutschland verboten werden sollen, hält Schmidt-Salomon für einen überfälligen Schritt: "Organisationen oder Personen, die zur Gewalt aufrufen oder schwerwiegende Straftaten billigen, könnten auf Basis der bestehenden Gesetze längst zur Rechenschaft gezogen werden – nur, man muss es auch tun!" Allerdings legten die deutschen Strafverfolgungsbehörden mitunter "eine groteske Prioritätensetzung" an den Tag: "Während harmlose Festivalbesucher belangt werden – bloß, weil sie ein paar Ecstasy-Pillen mit sich führen, werden Morddrohungen gegen Kritiker*innen des Politischen Islam nicht ernsthaft verfolgt." Der gbs-Sprecher erinnerte in diesem Zusammenhang an besonders gefährdete Personen aus dem Stiftungsumfeld wie den Schriftsteller Hamed Abdel-Samad (Mitglied des gbs-Beirats), die Rechtsanwältin Seyran Ateş (Beirätin des Instituts für Weltanschauungsrecht) und die Menschenrechtsaktivistin Mina Ahadi (gbs-Stipendiatin), die von Islamisten an Leib und Leben bedroht werden.

Erst kürzlich hat Mina Ahadi (siehe das Interview mit ihr im aktuellen bruno.-Jahresmagazin) wieder unzählige Morddrohungen erhalten, weil sie zum Boykott eines Konzerts des regimetreuen iranischen Rappers Amir Tataloo aufgerufen hatte. Tataloo, der nach Medienberichten mit der Revolutionsgarde auftrat, die brutale Niederschlagung der iranischen Protestbewegung befürwortete und die getötete Jina Mahsa Amini als "Hure" beschimpfte, rief seine Anhänger auf, sich gegen den Boykottaufruf zur Wehr zu setzen. Seither wird Mina Ahadi massiv bedroht ("Du solltest ab dieser Sekunde auf dich aufpassen und wachsam sein, denn ich komme mit einem Messer"). Die Polizei schritt jedoch zunächst nicht gegen die Absender der Morddrohungen ein, sondern gegen die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, die angeblich die Rechte des Veranstalters des Tataloo-Konzerts verletzt habe.

"Dies ist ein altbekanntes Muster", führt Schmidt-Salomon aus. "Die deutsche Justiz wird immer wieder instrumentalisiert, um gegen Kritikerinnen und Kritiker des Politischen Islam vorzugehen." Ein anderes markantes Beispiel hierfür seien die Verfahren, die auf Basis des Paragrafen 166 StGB gegen Kritiker*innen des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) geführt würden: "Statt das IZH, das vom Verfassungsschutz als 'Instrument der iranischen Staatsführung' eingeschätzt wird, zu verbieten, werden diejenigen juristisch belangt, die gegen diese islamofaschistische Institution protestieren. Ein Grund mehr, den aus der Zeit gefallenen 'Gotteslästerungsparagrafen' aus dem Strafgesetzbuch zu streichen" (vgl. hierzu den Artikel "Wer gefährdet den öffentlichen Frieden?" aus bruno. 2023).

Solidarität mit den Kritikerinnen und Kritikern des Islamismus

Ohnehin bemängelt der Vorsitzende der Giordano-Bruno-Stiftung die "fehlende Solidarität des Westens mit den Kritikerinnen und Kritikern des Islamismus": "Es ist zwar zu begrüßen, dass Jina Mahsa Amini nun posthum mit dem Sacharow-Preis der EU ausgezeichnet werden soll, um die iranische Protestbewegung zu ehren. Doch was sind solche Gesten wert, wenn daraus keine konkreten Handlungen resultieren? Symbolpolitik allein genügt nicht! Für ihren Sacharow-Preisträger Raif Badawi, der noch immer in Saudi-Arabien festgehalten wird, hat die EU in den letzten Jahren kaum etwas getan. Gäbe es nicht Organisationen wie die gbs, die unter anderem ein Treuhandkonto für Raif Badawi führt, wären Raif und seine Familie völlig auf sich allein gestellt!"

Schmidt-Salomon hält dies für einen "fatalen Fehler": "Wenn es wirklich darum gehen soll, 'klare Kante' gegen Antisemitismus und Islamismus zu zeigen, wie es der Kanzler gefordert hat, müssen wir die mutigen Muslime und Ex-Muslime unterstützen, die ihr Leben im Kampf gegen den islamischen Faschismus riskieren! Auch hier reichen hehre Worte nicht aus, wir müssen vielmehr aktiv tätig werden und die jeweiligen Machthaber unter Druck setzen. Dies gilt auch für den blutigen Konflikt in Nahost, bei dem wir uns klar an die Seite der friedliebenden, freiheitsorientierten Israelis und Palästinenser stellen müssten, die von den Hardlinern auf beiden Seiten bedroht werden."

Abschreckung durch Freiheit

Innenpolitisch sei Deutschland gefordert, "das Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität im Kampf gegen den Islamismus sehr viel stärker zu betonen, als dies in der Vergangenheit geschehen ist", so der Stiftungssprecher. Deshalb gehe von den Angriffen auf das "Berliner Neutralitätsgesetz" ein "verheerendes politisches Signal" aus: "Es sollte klar sein, dass Schulen und Gerichtssäle keine Orte der Religionsausübung sind. Personen, die sich nicht einmal für die Dauer ihrer Dienststunden von ihrer Religion oder Weltanschauung distanzieren können, beweisen damit, dass sie nicht die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, um im Auftrag des weltanschaulich neutralen Staates zu unterrichten oder gar Gerichtsurteile zu fällen."

Insgesamt seien die von der Bundesregierung angekündigten staatlichen Maßnahmen – Organisationsverbote, schärfere Grenzkontrollen und schnellere Abschiebungen – nur wenig geeignet, um den Gefahren des Islamismus und Antisemitismus effektiv entgegenzutreten: "Wir bräuchten eine soziokulturelle Offensive auf allen gesellschaftlichen Ebenen, insbesondere im Bereich von Bildung und Erziehung, welche die Werte des demokratischen Rechtsstaats gegen freiheitsfeindliche Ideologien verteidigt. Dabei sollten wir das Profil der Offenen Gesellschaft so sehr schärfen, dass anti-rationalistische, anti-liberale, anti-egalitäre Menschen von vornherein Abstand von der Idee nehmen, sich ausgerechnet in diesem Land anzusiedeln." In seinem Buch "Die Grenzen der Toleranz" (Piper 2016) hatte Schmidt-Salomon in diesem Zusammenhang von einer Strategie der "Abschreckung durch Freiheit" gesprochen und die "Freiheitsandrohungen der offenen Gesellschaft" auf einige wenige, bewusst zugespitzte Kernaussagen heruntergebrochen:

[…] "Dies ist das Land, in dem Sie glauben dürfen, was immer Sie wollen, in dem wir Ihren Kindern aber von der Pike auf beibringen werden, dass nur solche Weltanschauungen akzeptabel sind, die die Menschenrechte in vollem Umfang anerkennen! Dies ist das Land, in dem Sie behaupten dürfen, die Erde sei erst vor 6000 Jahren erschaffen worden, in dem Ihre Kinder aber schon in der Grundschule die Tatsache der Evolution erfahren, damit sie nicht den gleichen Irrtümern aufsitzen! Dies ist das Land, in dem auch Kinder Rechte haben, die Sie nicht übergehen dürfen, in dem Sie es hinnehmen müssen, dass Männer und Frauen, Religiöse und Nichtreligiöse, Hetero-, Homo- und Transsexuelle gleichberechtigt sind, auch wenn Sie in Ihrer emotionalen und kognitiven Entwicklung womöglich so sehr geschädigt wurden, dass Sie diesen einfachen ethischen Gleichheitsgrundsatz nicht nachvollziehen können! Dies ist nicht zuletzt auch das Land, in dem Sie Ihre eigenen Sexualneurosen pflegen dürfen, solange Sie damit niemanden schädigen, in dem Ihre Kinder aber rechtzeitig aufgeklärt werden, damit sie die Chance haben, ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen!"

Worauf es ankommt, dürfte klar geworden sein: Eine offene Gesellschaft sollte ihre Werte nicht schamhaft verhüllen, wie es die italienischen Behörden im Falle der antiken, nackten Statuen bei dem Besuch des iranischen Präsidenten getan haben, sondern sich selbstbewusst zu ihnen bekennen. […] Im Grunde sollten wir die "Freiheitsandrohungen" der offenen Gesellschaft so unmissverständlich formulieren, dass jedem Traditionalisten, sobald er auch nur im Entferntesten darüber nachdenkt, europäischen Boden zu betreten, ein imaginäres Begrüßungsplakat vor dem geistigen Auge erscheint, auf dem in großen, güldenen Lettern geschrieben steht: "Herzlich willkommen in Europa – Wir verderben Ihre Kinder!"

Natürlich würde die Umsetzung eines solchen Konzepts […] auch die inländischen Vertreter eines streng konservativen Weltbildes an die Grenzen ihrer Toleranz bringen. Doch das ist der Preis, den man als Mitglied einer offenen Gesellschaft zu zahlen hat – vor allem, wenn man in seinen tiefsten inneren Überzeugungen noch nicht wirklich im 21. Jahrhundert angekommen ist.

[Michael Schmidt-Salomon: Die Grenzen der Toleranz. Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen. Piper 2016, S. 177ff.]

Unterstützen Sie uns bei Steady!