Im Mai 2025 fand die kontroverse "Islamwoche" an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel statt. Die von der Islamischen Hochschulgruppe Kiel (IHG) organisierte Veranstaltung löste Kritik wegen Vorgaben zur Geschlechtertrennung und des Auftritts eines dem Salafismus zugeordneten Redners aus. Die Universität distanzierte sich von den Inhalten und entzog der IHG daraufhin die Nutzungsrechte für Räume und Infrastruktur, während politische Akteure eine schnelle Aufklärung und Konsequenzen forderten.
Die IHG räumte Fehler bei der Referentenauswahl ein, betonte jedoch die Freiwilligkeit der Geschlechtertrennung und kündigte den Rücktritt ihres Vorstands an.
Islamische Hochschulgruppe Kiel und die Islamwoche
Die IHG ist ein Zusammenschluss muslimischer Studierender der Christian-Albrechts-Universität. Die Gruppe ist eine von über 80 an der CAU registrierten Hochschulgruppen, die regelmäßig Veranstaltungen auf dem Campus organisiert. Seit einigen Jahren wird die jährlich stattfindende Islamwoche von der IHG organisiert. Die inhaltliche Ausgestaltung der Aktionswoche liegt ausschließlich bei ihr. Die CAU selbst ist nicht Veranstalter, sondern stellt lediglich Räumlichkeiten zur Verfügung. Während dieser Woche können Interessierte Vorträge rund um den Islam hören. Dieses Jahr fand die Islamwoche vom 5. bis 9. Mai statt.
Salafismus, Antisemitismus und Geschlechtertrennung
Im Nachgang kamen umfassende kritische Vorwürfe auf, die bundesweit für Schlagzeilen sorgten. Bei den Vorträgen soll es eine nach Geschlechtern getrennte Sitzordnung gegeben haben, bei der Männer vorne und Frauen hinten saßen. Weiterhin berichteten Augenzeugen, dass Männer und Frauen dazu aufgerufen wurden, unterschiedliche Eingänge zu nutzen. Alleine dieser Vorwurf eines rückständigen Verständnisses von Frauenrechten wiegt schwer, doch es kommt noch schlimmer.
Einer der Redner soll Sertac Odabas gewesen sein. Er ist der Vorsitzende der Organisation Iman. Diese wurde 2015 gegründet, hat ihren Firmensitz in Österreich und engagiert sich für die Förderung der prophetischen Vision – den Islam auf mitfühlende und intelligente Weise mit seinen Mitmenschen zu teilen. Laut dem Verfassungsschutz und Medienberichten wird Iman dem Salafismus zugeordnet. Seine Gedanken über Gott und die Welt verbreitet Odabas auf seinem YouTube-Kanal an fast 24.000 Follower; dort erschien auch die kritisierte Rede. Zusätzlich bespielt Sertac Odbas diverse Social Media-Kanäle mit seinen Inhalten.
Der Koran: Gotteswort oder Menschenwerk?
Die weiteren, von Besuchern geäußerten Vorwürfe sind nicht minder kritisch. Auf Laptops wurden antisemitische Aufkleber gesehen und auf einem Büchertisch extremistische Schriften, darunter salafistische Bücher, angeboten.
Durch diese Vorwürfe wurde die Kritik an der Universität lauter und lauter. Wobei unklar ist, ob die Vergabe der Räumlichkeiten einfach nur durchgewunken wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass die Inhalte nicht überprüft und bewertet wurden. Deutlich wird diese Annahme durch eine Anmerkung des Verfassungsschutzes: Er stufte das Geschehen bereits im Vorfeld als "bedenklich" ein und wies auf Odabas als "führenden Akteur einer salafistischen Organisation aus Österreich" hin. Besonders kritisch ist hervorzuheben, dass auch bei der Islamwoche 2024 bereits Referenten mit Bezügen zum Salafismus aufgetreten sein sollen.
Stellungnahme der IGH und Reaktion der CAU
In einer Stellungnahme bedauerte die Islamische Hochschulgruppe Ende Juni, dass "ein Referent eingeladen wurde, ohne die gebotene Sorgfalt bei der Auswahl zu gewährleisten", und erklärte dies als Fehler, für den sie Verantwortung übernähmen. Zur Sitzordnung führte die IHG aus, dass das Ziel gewesen sei, vielen Menschen mit verschiedenen religiösen, kulturellen oder persönlichen Vorstellungen gerecht zu werden. Deswegen sei ein Sitzkonzept mit mehreren Bereichen erprobt worden – solchen mit freier Platzwahl sowie ein zweites Sitzkonzept für Menschen, die sich eine "geschlechtersensible" Sitzordnung wünschten. Die Aufteilung sei laut IHG freiwillig gewesen. Antisemitismus lehne die Gruppe ab. Der Vorstand der Hochschulgruppe kündigte seinen Rücktritt an.
Darüber hinaus distanzierte sich die Christian-Albrechts-Universität "ganz deutlich von allen Inhalten, die mit den Grundwerten der Universität nicht vereinbar sind", da die CAU eine weltoffene Hochschule sei, die sich zu Demokratie und Vielfalt bekenne und Diskriminierung oder Gewalt verurteile. Sie hat Konsequenzen angekündigt. Eine Prüfung der Vorwürfe, die sich laut Universität nicht entkräften ließen, habe das Vertrauen in die IHG "nachhaltig erschüttert" und zu der Feststellung geführt, dass die internen Strukturen der Gruppe ungeeignet seien, um Veranstaltungen eigenständig zu organisieren.
Die Universität Kiel hat der IHG die Rechte und sämtliche Privilegien entzogen. Sie darf weder Räume noch die digitale Infrastruktur der Uni nutzen. Eine Aberkennung des Status als Hochschulgruppe soll noch folgen. Die CAU prüft zudem rechtliche Schritte, die zur Exmatrikulation einzelner Studenten oder zu Hausverboten für Beteiligte, die nicht an der Universität eingeschrieben sind, führen könnten. Auch eine Strafanzeige sei möglich.
Reaktionen aus der Politik
Auch in der Politik schlug die Islamwoche hohe Wellen. Daniel Günther (Ministerpräsident von Schleswig-Holstein) zeigte sich empört. Er nannte die geschilderten Vorfälle "unerträglich" und betonte, dass Geschlechtertrennung, antisemitische Botschaften und das Verbreiten extremistischer Ideologien keinen Platz an Hochschulen hätten. Auch im Bildungsausschuss des Landtags wurde das Thema ausführlich diskutiert. Es gab Kritik am Krisenmanagement der Universität. FDP-Fraktionschef Christopher Vogt warf der CAU-Spitze Naivität vor und sprach von einer "entspannten Form der Raumvergabe", die die Islamwoche ohne eingehende Prüfung ermöglicht habe. Es wurde bemängelt, dass die Universität zu Kiel erst spät reagierte, obwohl der Verfassungsschutz die Ministerien bereits vorab informiert hatte. Politiker anderer Parteien zeigten sich ebenfalls kritisch.
Für die konservative wie rechte Presse waren die Vorfälle in Kiel ein Lottogewinn. Die Berichterstattung deckte das komplette Spektrum von berechtigter Kritik bis hin zu offener Islamfeindlichkeit ab.
Die IHG hat ihr Recht als Hochschulgruppe und Lücken im System ausgenutzt.
Doch gleichzeitig ist zu beobachten, dass Schutzmechanismen greifen: Die Missstände wurden gemeldet, die Behörden informiert, Universität und Politik haben jetzt ein Auge darauf. Und eine Lücke nach der anderen wird geschlossen.
Generell stellt sich die Frage, ob Veranstaltungen wie die Islamwoche überhaupt einen Platz an einer staatlichen Hochschule bekommen sollten. Doch diese Frage müssen wir als Gesellschaft diskutieren und einen soliden Gesetzesrahmen schaffen, der derlei Auswüchse in Zukunft verhindert.
Hinweis der Redaktion: Die Verlinkungen und das eingebettete Video wurden am 24.07.2025 um 18 Uhr ergänzt.






